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Völler: "Weitermachen? Das wäre gegen meine Überzeugung gewesen"

Der DFB-Sportdirektor spricht im kicker über den neuen Bundestrainer

Völler: "Weitermachen? Das wäre gegen meine Überzeugung gewesen"

Rudi Völler in einer Loge der Leverkusener BayArena.

Rudi Völler in einer Loge der Leverkusener BayArena. kicker

Am Montag tritt Julian Nagelsmann zu seiner ersten offiziellen Dienstreise als Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft an. Gemeinsam mit einem 26-köpfigen Aufgebot bereist der Nachfolger des entlassenen Hansi Flick in den kommenden anderthalb Wochen die USA, um dort seine ersten Länderspiele gegen die USA (14. Oktober) und Mexiko (18. Oktober) zu absolvieren. Dass Nagelsmann den nach den September-Länderspielen vakanten Posten übernahm, ist aus der Sicht von DFB-Sportdirektor Rudi Völler ein Glücksfall: "Ich weiß, der Begriff wird oft benutzt, aber in diesem Fall ist es wirklich so. Ich kenne es ja auch aus dem Klub, wie es ist, wenn du einen neuen Trainer suchst. Dann gibt es auf dem Markt oft nicht den Coach, den du gerne hättest. Deshalb war es etwas ganz Besonderes, dass Julian frei war", sagt der 63-Jährige in einem großen Interview mit dem kicker. "Ich weiß definitiv, dass er schon vor ein paar Wochen und Monaten unglaublich gute Anfragen von europäischen Klubs hatte und diese in Kürze auch wieder hätte haben können."

Nächste Spiele

Völler, der sich in einer Loge der Leverkusener BayArena die Dauer eines Fußballspiels Zeit nahm für das ausführliche Gespräch, berichtet von der ersten Begegnung zwischen ihm, Nagelsmann und dem DFB-Präsidenten Bernd Neuendorf. Dabei habe es auf beiden Seiten gleich "Klick" gemacht. "Ich habe gespürt, dass er nicht groß überlegen musste und es unbedingt machen möchte. Und für mich war eh klar, dass er der Richtige ist", sagt der DFB-Sportdirektor, der die Nationalmannschaft nach der Entlassung von Hansi Flick interimsweise beim Länderspiel gegen Frankreich an der Seitenlinie betreute.

Ich wäre nicht die beste Lösung gewesen. Die beste Lösung ist Julian Nagelsmann.

Rudi Völler

Trotz eines 2:1-Erfolgs und der positiven Reaktion des Dortmunder Publikums habe für ihn ein längerfristiges Engagement nicht zur Debatte gestanden, sagt Völler: "Wenn ich nach dem Sieg gegen Frankreich ein Zeichen zum Weitermachen gegeben hätte, wäre das vielleicht möglich gewesen. Aber ich bin ehrlich zu mir selbst: Ich wäre nicht die beste Lösung gewesen. Die beste Lösung ist Julian. Nur weil es gegen Frankreich gut lief, zu sagen, jetzt machen wir weiter, wäre gegen meine Überzeugung gewesen."

Matthias Dersch, Sebastian Wolff, Rudi Völler und Oliver Hartmann

Matthias Dersch, Sebastian Wolff, Rudi Völler und Oliver Hartmann (v.l.) im Leverkusener Stadion. kicker

Mit Nagelsmann soll der Schwung, der durch den Überraschungserfolg gegen Frankreich aufgenommen wurde, verstetigt werden, um optimistisch in die Heim-EM im kommenden Sommer starten zu können - auf die ganz Deutschland blickt. Von einer Überhöhung des Turniers hält Völler allerdings nichts. Der Sportdirektor sagt: "Allen muss bewusst sein: Wir spielen Fußball. Wir sind dafür da, den Menschen in unserem Land Freude zu bereiten, Leichtigkeit zu vermitteln. Und das hoffentlich vier Wochen lang. Die Spieler sollen es als Privileg wahrnehmen, eine EM im eigenen Land spielen zu dürfen."

"So eine Tour kann die Gruppe zusammenschweißen"

Auf die Kritik aus der Liga an der USA-Reise entgegnet Völler: "Mein allererster Reflex, als ich beim DFB wieder anfing, war auch: Muss das jetzt sein? Wenn man aber ein bisschen weiterdenkt, dann macht es schon auch Sinn, dass wir uns mit der Nationalmannschaft vor der WM 2026 mal wieder in Amerika zeigen. Außerdem kann so eine Tour eine Gruppe zusammenschweißen, das gilt nach dem Trainerwechsel umso mehr." Auch könne es helfen, "dass der Hype ein bisschen kleiner sein wird. Ich will die ganze Sache nicht total schönreden, aber ein paar kleine Vorteile hat sie schon."

Nötig sei allerdings, dass die Reise richtig angenommen und genutzt werde: "Natürlich willst du alle Spiele gewinnen. Aber wichtiger ist die Art und Weise, wie wir auftreten: für uns selbst, für die Medien und für die Menschen, die es am Fernseher oder im Stadion anschauen. Wir müssen es jetzt, aber auch in den November-Spielen gegen Österreich und die Türkei schaffen, dass wir alle mit einem guten Gefühl ins nächste Jahr gehen", sagt Völler, der das Ziel für die EM so definiert: "Wir wollen uns einreihen in die sechs bis acht Länder, die auch eine gute EM spielen und weit kommen wollen."

Wie Völler die Druckresistenz von Nagelsmann einschätzt, welche Entwicklungsschritte beim DFB-Team nötig sind und wie er seine eigene Zukunft sieht, lesen Sie in der Montagsausgabe des kicker (auch im eMagazine).

Matthias Dersch, Oliver Hartmann, Sebastian Wolff