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Ü-30-Party vorbei: Hat Basaksehir in der Königsklasse eine Chance?

Hammergruppe bei der Champions-League-Premiere

Ü-30-Party vorbei: Hat Basaksehir in der Königsklasse überhaupt eine Chance?

Auf ihnen ruht bei Basaksehir noch immer die Hoffnung: Trainer Okan Buruk, Demba Ba und Martin Skrtel (v.l.).

Auf ihnen ruht bei Basaksehir noch immer die Hoffnung: Trainer Okan Buruk, Demba Ba und Martin Skrtel (v.l.). imago images (3)

In der Saison 2016/17 wurde Basaksehir vier Punkte hinter Meister Besiktas Zweiter, im Jahr darauf mit drei Punkten Rückstand auf Galatasaray Dritter, und auch 2018/19 reichte es nur zu Rang zwei - Galatasaray sammelte zwei Zähler mehr. Seit diesem Jahr darf sich Basaksehir (69 Punkte aus 34 Spielen) aber endlich auch türkischer Meister nennen. Die Konkurrenz aus Istanbul schwächelte in der Saison 2019/20 gewaltig, Besiktas (3., 62 Punkte), Galatasaray (6., 56 Punkte) und Fenerbahce (7., 53 Punkte) liefen den Erwartungen deutlich hinterher.

Zum ersten Mal seit zehn Jahren hieß damit der Titelträger nicht Galatasaray, Fenerbahce oder Besiktas. Besonders viele Fans in der türkischen Metropole gerieten aber nicht in Feierstimmung durch den Triumphzug von Basaksehir. Der Emporkömmling aus dem Westen Istanbuls wurde erst 1990 als Betriebsverein der Stadtverwaltung gegründet, hat im Gegensatz zur traditionsreichen Konkurrenz keine gewachsene Community, erhielt aber vor allem tatkräftige Unterstützung von seinem mächtigsten Fan und dessen Partei AKP: Recep Tayyip Erdogan.

Rückennummer 12 ist bis heute für den Präsidenten reserviert

Vor der Corona-Krise zogen zu den Heimspielen im Schnitt nicht einmal 3000 Zuschauer ins Stadion. Durch zugkräftige Sponsoren stieg Istanbul BB, das seit 2014 seinen neuen Namen trägt (im Stadtviertel Basaksehir wurde dem Klub nämlich ein nagelneues Stadion hingestellt), bereits 2007 in die SüperLig auf. Beim Eröffnungsspiel trug Erdogan auf dem Rasen ein Trikot mit der Nummer 12, die bis heute für das türkische Staatsoberhaupt "reserviert" ist. Im Eingangsbereich des Vereinsgeländes hängt sein Porträt. Via Twitter gratulierte Erdogan Mitte Juli "seinem" Verein, in dem andere einen fragwürdigen Retortenklub sehen.

In die Saison 2020/21 ist Basaksehir richtig schlecht gestartet: Am vergangenen Samstag holte die Mannschaft von Trainer Okan Buruk beim 2:0-Erfolg gegen Pokalsieger Trabzonspor ihren ersten Saisonsieg. Mit nur vier Punkten ist der amtierende Meister nur 19. und damit Drittletzter der Tabelle. Spitzenreiter Fenerbahce hat schon jetzt sieben Zähler Vorsprung. In das erste Champions-League-Spiel der Vereinsgeschichte in Leipzig am Dienstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) geht Basaksehir definitiv nicht als Favorit.

In der vergangen Saison stellte der Erdogan-Klub den drittältesten Kader der Liga (30,21 Jahre im Schnitt). Die Meister-Mannschaft war eine Ansammlung von Altstars, wie man sie vor einigen Jahren wohl vor allem in der US-amerikanischen MLS gefunden hätte. Durch ein paar hochgezogene Nachwuchskräfte wurde der Schnitt im Sommer zwar auf 27,5 Jahre gedrückt - doch der Kader liest sich zum Teil noch immer wie eine Reise in die Vergangenheit.

Innenverteidiger Martin Skrtel (35) wurde 2012 in der Slowakei und bei Liverpool zum "Spieler des Jahres" gewählt, Angreifer Demba Ba (35) stieg 2008 mit der TSG Hoffenheim in die Bundesliga auf. Getrennt hat man sich im Sommer zumindest von Gael Clichy (35, 2004 erstmals englischer Meister), Gökhan Inler (36, bei der EM 2008 dreimal für die Schweiz eingesetzt), Eljero Elia (33, erzielte im Dezember 2009 für den HSV das "Tor des Monats") oder auch Robinho (36, wechselte 2005 von Santos zu Real Madrid).

Ein Kader-Umbruch schien kein Thema zu sein

Es schien höchste Eisenbahn für einen Kader-Umbruch, doch die in der vergangenen Saison eingenommenen 54 Millionen Euro wurden nicht allesamt in hoffnungsvolle Talente gesteckt. Verpflichtet wurden stattdessen unter anderem der Brasilianer Giuliano (30), Linksverteidiger Hasan Ali Kaldirim (30), Rechtsverteidiger Rafael (30, alle drei kamen ablösefrei) und der 59-malige belgische Nationalspieler Nacer Chadli (31). Beim 2:0 gegen Trabzonspor waren acht von elf Profis in Basaksehirs Startelf 30 Jahre und älter - vier davon sogar 34 oder 35.

Ohne ein runderneuertes Team ist nicht nur die erstmalige Teilnahme an der Champions-League-Gruppenphase eine Mammutaufgabe, auch die Titelverteidigung scheint schon jetzt in weite Ferne gerückt. Basaksehir zählt dank prominenter Verbindungen zu den potentesten türkischen Klubs, was auf dem Transfermarkt im Sommer - gewiss auch wegen Corona - kaum genutzt wurde. Reicht das, um in einer Champions-League-Gruppe mit Leipzig, Paris Saint-Germain und Manchester United mitzuhalten?

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