Champions League

PSG: Tuchel-Assistent Zsolt Löw im Interview über Angebote und Nianzou

PSG-Co-Trainer über Bundesliga-Angebote und das Star-Ensemble

Tuchel-Assistent Löw im Interview: "Wir hatten eine Rockband mit 14 Frontmännern"

Kennt sich in Leipzig bestens aus: Zsolt Löw war bei RB bereits Co-Trainer, seit 2018 ist er es in Paris.

Kennt sich in Leipzig bestens aus: Zsolt Löw war bei RB bereits Co-Trainer, seit 2018 ist er es in Paris. imago images

Der frühere Bundesligaprofi, bis zu seinem Engagement als Assistent von Thomas Tuchel bei PSG selbst lange im RB-Kosmos unterwegs, befürchtet vor dem Kräftemessen mit Leipzig am Dienstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker), dass Stars wie Kylian Mbappé trotz seines Doppelpacks gegen Monaco oder Neymar nach langen Verletzungspausen "für solche Spiele eigentlich noch nicht bereit sind". Man darf also gespannt sein, mit welcher taktischen Ausrichtung die Franzosen die Partie gegen die Sachsen angehen.

Und man darf gespannt sein, wie es mit Löw selbst weitergeht. Denn dass sich der Ungar mit einer Zukunft als Cheftrainer beschäftigt, gibt er im Gespräch mit dem kicker offen zu. Zudem erklärt der 41-Jährige, dass er deutlich mehr als zwei Anfragen aus der Bundesliga hatte, dass es im PSG-Trainerteam auch mal kracht und dass er seinem Landsmann Dominik Szoboszlai noch nicht den Schritt zu einem der ganz Großen in Europa raten würde.

Herr Löw, es heißt ja, dass aller guten Dinge drei sind. Sie galten beim VfB Stuttgart als Trainerkandidat, auch in Hoffenheim. Demnach müssten Sie bei der nächsten Anfrage aus Deutschland also in der Bundesliga landen, oder?

Erstmal bin ich sehr froh, dass Sie nur diese zwei aufgezählt haben. Das bedeutet, dass ich Geheimnisse gut hüten kann, denn es waren deutlich mehr als zwei Anfragen. (lacht) Mich macht das Interesse stolz, nur hat der Zeitpunkt bislang noch nicht gepasst.

Wann wäre denn der richtige Zeitpunkt?

Nächsten Sommer, wenn unsere Verträge in Paris enden sollten. Mir ist klar, dass Fußball kein Wunschkonzert ist. Aber als die Pandemie kam, hatten wir mit dem Sieg gegen den BVB einen Riesenschritt in der Champions League gemacht und standen in beiden Pokalfinals in Frankreich - wir wollten diese Titel, da konnte ich nicht plötzlich weg. Es hat sich mit zwei Pokalsiegen und dem Finaleinzug in der Champions League gelohnt.

Es kann dennoch sein, dass im Sommer der Zeitpunkt kommt, an dem ich nachdenken muss.

Löw über einen möglichen Cheftrainer-Posten

Heißt das im Umkehrschluss, dass Sie definitiv im Sommer bei PSG aufhören?

Unsere Verträge laufen aus, bislang gab es noch keine Gespräche. Wir werden in den nächsten Monaten sehen, wie es weitergeht.

Sprechen Sie mit Thomas Tuchel, Ihrem Chef, über Anfragen?

Ja, selbstverständlich. Wir haben ein sehr enges Vertrauensverhältnis. Wir arbeiten extrem gerne zusammen. Wir haben ein geiles Trainerteam, das menschlich und fachlich passt, das trotz vieler Probleme in der Kaderplanung und den vielen Corona-Infektionen zum Saisonstart immer liefert. Thomas möchte noch eine Station mit mir machen, ich würde gerne auch mit ihm noch eine große Aufgabe angehen. Es kann dennoch sein, dass im Sommer der Zeitpunkt kommt, an dem ich nachdenken muss.

Wie eng darf oder muss eine Beziehung zwischen Assistent und Chef sein? Kann man sich auch mal die Meinung geigen?

Zsolt Löw mit Chef Thomas Tuchel

Rückendeckung: Zsolt Löw mit Chef Thomas Tuchel. Getty Images

Natürlich, für mich ist wichtig, dass ich meine Meinung sagen kann und sie auch gehört wird. Das begann schon, als Adi Hütter Cheftrainer bei RB Salzburg wurde. Ich glaube, wir beide haben extrem voneinander profitiert, menschlich und als Trainer. Mit Ralf Rangnick und dann Ralph Hasenhüttl ging es in Leipzig so weiter. Ein Co-Trainer darf keinesfalls nur "Ja" sagen, aber er muss auch im Hintergrund bleiben können.

Wie wichtig sind die Co-Trainer heute?

Erstmal geht es um das ganze Team hinter dem Chef, dazu gehören auch Video-Analyst und Athletiktrainer. Neben dem Fachlichen zählt auch das Menschliche: Wir verbringen mehr Zeit miteinander als mit unseren Familien, gehen gemeinsam durch dick und dünn. Wenn es Ärger im Verein gibt, musst du diese kleineren oder größeren Kriege als Einheit überstehen, zusammen mit der Mannschaft natürlich.

Fällt es schwer, sein Ego hintanzustellen, wenn man als Co-Trainer viele Titel gewonnen hat?

Ich brauche nicht unbedingt das Rampenlicht, trotzdem war es mir immer wichtig, dass meine Meinung gehört und geschätzt wird. Auch wenn es mal kracht zwischen mir und Thomas oder Arno (Michels, weiterer Assistent, d. Red.), so bringt es uns zugleich immer weiter. Extreme Harmonie hilft nicht. Sie wären erstaunt, wie hitzig wir ab und zu mal diskutieren. (lacht) Wichtig ist, dass es immer mit Respekt abläuft und das letzte Wort natürlich bei Thomas liegt. Wenn der Chef sagt: "Wir gehen weiter nach rechts", und es entpuppt sich als Sackgasse, dann hat er das gute Recht auch zu fragen: "Warum seid ihr nicht eingeschritten?" Hinterher den Schlaumeier spielen, das liegt mir nicht.

Entsprechend schwer ist es ja auch für einen Chef, sich seine Co-Trainer auszusuchen. Wenn Sie Chef wären, wen hätten Sie gerne an Ihrer Seite?

Da ich mich mit dem Thema Cheftrainerposition beschäftige, habe ich Namen im Kopf - aber das bleibt intern, auch weil einige unter Vertrag stehen. (grinst)

Das größte Talent, das ich je gesehen habe.

Löw über Bayern-Neuzugang Tanguy Nianzou

Zurück zu PSG: Ihr Team zählt zahlreiche Verletzte. Warum?

Wir hatten nach Monaten der Unterbrechung nach dem Champions-League-Turnier keine Regenerationspause und keine Vorbereitung. Die acht Corona-Fälle mussten sofort von 0 auf 100 wieder ran, weil uns Leistungsträger wie Edinson Cavani, Thiago Silva, Thomas Meunier, Edeljoker Eric-Maxim Choupo-Moting oder Tanguy Nianzou - das größte Talent, das ich je gesehen habe - verlassen haben. Die meisten unserer Stars spielen alle drei Tage. Dann werden sie über die ganze Welt geschickt in den Länderspielreisen und kommen komplett ausgequetscht zurück. Es kann so nicht weitergehen, der Spielkalender ist viel zu voll. Wir reden manchmal mehr mit dem Doc während des Spiels als über Taktik.

Dass der Kader knapp ist, ist aber doch eigenes Verschulden ...

Dass der Kader knapp ist, wissen ja alle. Auch wir haben darauf - wie ja auch bekannt ist - im Vorfeld hingewiesen. Aber PSG muss mit Corona und den daraus resultierenden finanziellen Konsequenzen zurechtkommen. In Frankreich sind diese Konsequenzen weitreichend, denn wir hatten in der vergangenen Saison schließlich einen Liga-Abbruch im Gegensatz zu anderen Ländern, die ihre Ligen zu Ende spielen konnten. Und die Anforderungen des Financial Fairplay kommen auch noch hinzu.

Sie haben in Liefering mit Talenten gearbeitet, in Salzburg und Leipzig auch mit jungen Spielern, die aber zum höchsten Niveau gehören, nun arbeiten Sie mit Superstars. Ist das leichter oder schwieriger?

Es ist anders. Als wir ankamen, hatten wir eine Rockband mit 14 Frontmännern. Wenn aber jeder Soli spielen will, dann hört sich ein Konzert schrecklich an. Unsere Aufgabe bestand darin, dass jeder sein Instrument findet, seinen Platz, und jeder damit glücklich ist. Nur so klingt es gut. (lächelt)

Nach zwei Niederlagen in der Königsklasse stehen Sie gegen RB unter Zugzwang. Wie verändert das die Herangehensweise?

Wir müssen gewinnen, klar. Aber: Neymar, Mbappé, Icardi, Verratti und Paredes haben vor der Partie in Monaco seit Wochen nicht gespielt. Eigentlich sind sie für solche Spiele wie gegen Leipzig nicht bereit, selbst wenn sie alle fit werden. Aber genug geweint. In Leipzig fehlten uns mit Neymar, Mbappé und Icardi 80 Prozent unserer Tore, im Vergleich zum Vorjahreshalbfinale zudem drei Viertel der Viererkette, auch Paredes und Verratti. Trotzdem haben wir nur mit viel Pech verloren.

Sie beendeten Ihre Spielerkarriere in Mainz. Schmerzt Sie die aktuelle Lage dort?

Natürlich, das ist ein Teil meines Lebens. Mainz bereichert die Bundesliga seit Jahren. Dass mein Freund Adam Szalai nach allen Erfolgen mit dem Klub so behandelt wurde, dass da keine andere Lösung gefunden wurde, ist bedauerlich. Ich wünsche ihnen den Klassenerhalt, aber es wird sehr schwer.

Szoboszlai? Da kann ich mir keinen besseren Verein als RB Leipzig vorstellen.

Löw über Ungarns Top-Talent

Szalai fährt mit Ungarn zur EM. Ist die EURO für die Nationalelf enorm wichtig, damit Talente wie Dominik Szoboszlai dort auf höchstem Niveau reifen können?

Das ist extrem wichtig, das war schon 2016 nach der langen Dürre so. Die Zeit davor war unerträglich. Dass wir 2016 in die K.-o.-Runde gekommen sind, hat Ungarn einen Riesenschub gegeben, es gab seitdem viele infrastrukturelle Entwicklungen bei uns.

Ist Szoboszlai schon reif für einen Topklub wie PSG oder Bayern?

Der nächste Schritt für ihn ist bedeutend, Bayern oder PSG wäre aktuell noch zu groß für ihn. Ich würde ihm zum Zwischenschritt raten, und da kann ich mir keinen besseren Verein als RB Leipzig vorstellen.

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