Tennis

Topspin, Ticks und Titel: Nadals beeindruckende Karriere

Spanier gewinnt seinen 21. Grand-Slam-Titel

Topspin, Ticks und Titel: Nadals beeindruckende Karriere

Eine der emotionalsten Momente seiner Karriere: Rafael Nadal gewinnt die Australian Open 2022.

Eine der emotionalsten Momente seiner Karriere: Rafael Nadal gewinnt die Australian Open 2022. AFP via Getty Images

Es war ein Spiel, das den Sportler Rafael Nadal nicht besser hätte beschreiben können. Der Spanier lag gegen Daniil Medvedev, den aktuell wohl formstärksten und besten Hartplatz-Spieler, der zudem die Nummer 2 der Welt ist, im Finale der Australian Open mit 0:2 nach Sätzen, 2:3 nach Spielen, und 0:40 bei eigenen Aufschlag zurück - und triumphierte am Ende dennoch nach einer Schlacht, die länger als fünf Stunden ging. "Normalweise verlierst du das Spiel in drei Sätzen", sagte Nadal auf der Pressekonferenz nach der Partie. "Aber Sport ist nicht vorhersehbar." 

Nur die kühnsten Fans von Nadal haben Mitte des dritten Satzes bei drei Breakbällen für den Russen wohl daran geglaubt, dass der Spanier dieses Spiel gegen den mehr als stabilen Medvedev noch drehen würde. Doch der mittlerweile 35-Jährige tat, was er in seiner Karriere schon unzählige Male getan an: Er kämpfte bis zum allerletzten Ballwechsel. "Wenn wir alles zusammennehmen, das Szenario, die Umstände, war es ohne Zweifel das größte Comeback meiner Tenniskarriere", gab der Spanier zu, der nach 2009 zum zweiten Mal die Australian Open gewann und somit als zweiter Spieler in der Open Era nach Novak Djokovic jedes Grand-Slam-Turnier mindestens zweimal gewann. 

Es war nicht klar, ob Nadal in Australien spielen kann

Das Team von Rafael Nadal

Ohne die wäre es nicht möglich gewesen: Das Team von Rafael Nadal.

Und dieser Titel in Melbourne war mit Sicherheit einer der überraschendsten. Denn vor einigen Monaten war nicht klar, ob Nadal bei den Australian Open wird spielen können, zudem bewegt sich der Spanier auch schon in einem fortgeschrittenen Tennisalter. Eine komplizierte Fußverletzung machte ihm zu schaffen, es gab wochenlang keinen Fortschritt, auch ein Karriereende schien nicht ausgeschlossen. "Ich hatte harte Momente, harte Gespräche. In den letzten sechs Monaten habe ich viel gekämpft", so der Mann aus Manacor, Mallorca. Der Kampf zahlte sich aus, auch von einer zwischenzeitlichen Corona-Infektion ließ sich der Spanier nicht aus der Bahn werfen. 

"Rafa hat unglaublich gespielt, er hat sein Niveau so erhöht. Er war wirklich stark. Ich war schon überrascht, aber wir alle wissen, wie Rafa spielen kann", sagte Medvedev, der schon eine Hand an der Trophäe hatte. Es war eine wahre Willensleistung von Nadal, der wirklich alles aus seinem Körper herausholte und sich bei der Sieges-Zeremonie auf einen Stuhl setzen musste. Die Gefahr vor Krämpfen schien wohl zu groß. Auf dem Platz ist Nadal ein Krieger, ein wahrer Kämpfer und absoluter Champion. 

"Tief im Inneren ist er ein sensibler Mensch"

Dabei ist der so entschlossen wirkende Spanier eigentlich ein ganz zartes Pflänzchen. "Tief im Inneren ist er ein sensibler Mensch voller Ängste und Unsicherheiten. Er mag zum Beispiel die Dunkelheit nicht, schläft lieber bei Licht und laufendem Fernseher. Gewitter mag er auch nicht", sagt seine Mutter Ana Maria Parera in Nadals Autobiografie "Rafa - Mein Weg an die Spitze". Für Schwester Maribel ist ihr Bruder "ein bisschen ein Angsthase".

Der Familienmensch Rafael Nadal, der im Übrigen auch ein sehr guter Fußballer ist und dessen Herz für Real Madrid schlägt, ist anders als der Spieler und Wettkämpfer Rafael Nadal. Doch der 35-Jährige schafft es eben, auf dem Court den Schalter umzulegen und zu einer Mentalitätsmaschine zu werden. "Du musst dich mit einem Schutzschild umgeben, dich in einen Kämpfer verwandeln. Es ist eine Art Selbsthypnose, ein todernstes Spiel. Solange ich spiele, erlaube ich mir nie auch nur ein Lächeln", wird der Linkshänder, dessen Auftritt auf dem Feld von etlichen Ticks geprägt ist (Linien zwischen den Ballwechseln nicht betreten, immer gleiche Bewegungen vor dem Aufschlag, akkurates Aufstellen der Wasserflaschen), in seinem eigenen Buch zitiert. 

Pure Dominanz auf Sand

Rafael Nadal

2005: Rafael Nadal gewinnt zum ersten Mal die French Open. Getty Images

Und genau so eine Einstellung braucht es vermutlich auch, um die Karriere hinzulegen, die Rafael Nadal hingelegt hat - und die ja noch nicht vorbei ist. Als der junge Spanier im Jahr 2005 mit seiner Dreiviertelhose bei den French Open aufschlug und diese schließlich in beeindruckender Art und Weise gewann, war wohl allen Zuschauern klar, dass sie dort einen ganz besonderen Spieler gesehen hatten. Insgesamt 13 Mal hat Nadal bis heute Roland Garros gewonnen - so oft wie keiner sonst. Erst dreimal hat er überhaupt bei diesem Turnier verloren, zweimal gegen Novak Djokovic und einmal gegen Robin Söderling. Zweifelsohne ist der Mann aus Manacor der beste Sandplatzspieler aller Zeiten. 

Dabei kann die Topspinmaschine natürlich keinesfalls nur auf die rote Asche reduziert werden. Neben den beiden Erfolgen bei den Australian Open gewann Nadal zweimal Wimbledon sowie viermal die US Open. "Seit Rafa ein Kind war, wusste ich, dass er ein großartiger Spieler wird", sagte Onkel Toni, der seinen Neffen viele Jahre betreute und zu dem Tennisspieler machte, der er heute ist. "Nach seinem zehnten oder elften Grand-Slam-Titel wusste ich, dass er ein besonderer Spieler ist." 

Großes Lob von Federer und Djokovic

Ein besonderer Spieler, der den Sportsgeist auf der Tour vorlebt wie kaum ein anderer. Nadal gibt immer alles und ist fair, genau deswegen ist er wie Roger Federer auf der ganzen Welt auch so beliebt. Und am Sonntag in Melbourne waren es eben auch die Fans, die ihn zu seinem 21. Grand-Slam-Titel getragen haben. Damit hat er als Erster des Trios Nadal/Federer/Djokovic diese magische Zahl von 21 Grand-Slam-Titeln erreicht. "Vor ein paar Monaten haben wir noch Witze gemacht über uns, wie wir beide an Krücken gingen. Fantastisch. Unterschätze nie einen großen Champion", lobte Federer am Sonntag auf Instagram und schrieb von Nadals unglaublichem Arbeitsethos, dessen Hingabe und dessen Kampfgeist. Sie seien eine Inspiration für ihn und viele andere in der Welt. "Ich bin stolz, diese Ära mit dir teilen zu dürfen und fühle mich geehrt, dazu beizutragen, damit du noch mehr erreichst. Wie du es für mich in den letzten 18 Jahren getan hast."

Und auch Djokovic, der aus bekannten Gründen bei den Australian Open nicht an den Start gehen konnte, zollte seinem Dauerrivalen großen Respekt. "Immer beeindruckender Kampfgeist, der sich ein weiteres Mal durchgesetzt hat", schrieb der Serbe. 

Wer ist denn nun der Größte aller Zeiten?

Nadal steht aktuell also in Sachen Grand-Slam-Titeln über den beiden Rivalen und hat neuen Schwung in die Diskussion über den größten Tennisspieler aller Zeiten gebracht. "Klar ist es unglaublich, in diesem Augenblick meiner Karriere einen weiteren Grand-Slam-Titel zu holen, das bedeutet mir viel. Es ist eine spezielle Nummer, diese 21. Aber mich interessiert es nicht, ob ich der beste der Geschichte bin. Ich genieße das jetzt einfach", zeigte sich der Spanier gewohnt bescheiden. Aber die 21 steht erst einmal. Und das nächste große Turnier sind die French Open. Und die hat Nadal schließlich schon 13 Mal gewonnen ...

Mirko Strässer

Djokovic thront ganz oben: Spieler mit den meisten Grand-Slam-Titeln