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Tabakovic: "Sehe mich nicht als 2. Liga-Spieler"

Lustenau-Goalgetter über seine Topform

Tabakovic: "Sehe mich nicht als 2. Liga-Spieler"

Haris Tabakovic ist der Torgarant von Austria Lustenau

Haris Tabakovic ist der Torgarant von Austria Lustenau GEPA Pictures

Ein Viererpack, zwei Hattricks, ein Doppelpack und noch ein paar weitere Treffer. So lautet die beeindruckende Ausbeute von Austria Lustenaus Torgarant Haris Tabakovic in der aktuellen Saison. Mit 17 Toren in zwölf Spielen macht der großgewachsene Stürmer genau da weiter, wo er in der vergangenen Saison aufgehört hat. Der 27-jährige Schweizer steht mit seinen Leistungen sinnbildlich für den Leistungsanstieg der Vorarlberger in dieser Spielzeit, die nach 14 Runden souverän den ersten Tabellenplatz einnehmen. Unter Neo-Coach Markus Mader hat sich eine junge, hungrige und qualitativ gutbesetzte Truppe ergeben, die sich längst vom Außenseiter zum Mitfavoriten um die Krone in der zweithöchsten Spielklasse Österreichs entwickelt hat. Toptorjäger Tabakovic spricht im Interview mit dem kicker über die aktuelle Erfolgsphase, seine schier unglaubliche Trefferquote und warum er sich für den nächsten Schritt bereit sieht.

kicker: Herr Tabakovic, nach 14 Spieltagen liegen Sie mit Ihrem Team mit 34 Punkten an der Tabellenspitze der 2. Liga. Der Vorsprung auf Platz zwei beträgt bereits fünf Zähler. Woran ist diese Leistungsexplosion im Vergleich zum Vorjahr auszumachen?

Haris Tabakovic: Die Qualität im Team ist stärker als in der letzten Saison, das ist der größte Punkt. Es ist auch ein neuer Trainerstaff gekommen, das hat gleich gepasst und dann haben wir einen super Start in die Saison gehabt. Da ist es klar, dass dadurch eine gewisse Euphorie entsteht und es einfach läuft. Man sieht anhand unserer Leistungen, dass ein Selbstvertrauen mit den erfolgreichen Spielen gekommen ist, dass mehr Selbstverständlichkeit bei uns herrscht und dass wir nicht zittern, wenn man vielleicht mal hinten liegt, sondern wir wissen, dass wir Qualität haben und das zeichnet uns aus. Das Team ist einfach echt stark und auch in der Breite sind wir gut aufgestellt, sodass wir Ausfälle gut kompensieren können. Das ist sehr wichtig in dieser Saison.

Diese Saison wurden mit Wacker Innsbruck, St. Pölten und dem GAK andere Klubs als Favoriten um den Aufstieg gehandelt. Nun grüßt ihr aktuell mit einer bisher sehr konstanten Spielzeit von ganz oben. Was macht euch so stark im Vergleich zu den anderen Teams? Kommt euch die Rolle des Außenseiters im Titelkampf zugute?

Der Druck war am Anfang sicher mehr bei den anderen Teams, weil nach der letzten Saison konnte man bei uns ja nicht mit der Ansage starten, dass wir ganz oben mitspielen und aufsteigen. Das geht nicht, irgendwo muss man ja den Ball flach halten, denn wenn man die letzte Saison fast abgestiegen ist, dann sind solche Aussagen schwierig. Ich denke daher schon, dass wir ein wenig der Außenseiter waren, aber wir haben von Anfang in den Spielen gegen Gegner wie den GAK, Liefering und Wacker Innsbruck abgeliefert und haben diese Spiele alle souverän gewonnen. Dann kam das mit der Zeit, dass die anderen gesehen haben, wow, Austria Lustenau hat echt eine starke Mannschaft.

Hat man die eigenen Saisonziele nach diesen ersten erfolgreichen Runden bereit revidiert und nimmt den Aufstieg jetzt gänzlich ins Visier?

Wir sind alle heiß auf die nächsten Spiele. Der Verein will den Ball flach halten und das ist etwas ganz Normales, weil nach der letzten Saison kannst du nicht groß reden. Aber wenn du auf dem ersten Platz stehst und so souverän auftrittst, dann bist du nicht zufrieden, wenn du am Ende der Saison auf dem vierten oder dritten Platz liegst. Wir wollen das durchziehen und das ist in unseren Köpfen.

Welchen Anteil hat euer Coach Markus Mader daran, der erst Anfang der Saison das Ruder übernommen hat? Wie er hat euch zu einem Aufstiegskandidaten geformt?

Für ihn war es am Anfang auch nicht einfach, weil wir in der Vorbereitung noch nicht so viele Spieler waren. Wir hatten viele Abgänge, noch keine Transfers gemacht und ich glaube, es war nicht so leicht, ein Team anzutreffen, das nicht vollständig ist. Er hat mit seinem Co-Trainer Martin Schneider und seinem Trainerstaff aber gleich eine Philosophie etabliert. Es gibt keine schwierigen Sachen, sondern es wird Wert auf einfachen Fußball gelegt. Da hat er dann bald gespürt, was die Qualität von jedem Spieler ist, was wir brauchen und er lässt uns einfach spielen. Die Spieler im Kader haben genügend Qualität, wenn du sie einfach spielen lässt, ihnen nicht zu viel sagst, sie nicht eingrenzt, dann zahlen die das zurück und das macht es aus.

Wie profitierst du auch davon, dass man sich von der falschen Neun entfernt hat und wieder mehr der Fokus auf die Flügel und die Strafraumstürmer gelegt wird?

Ich glaube, man sieht es an unseren Spielen, wie sehr wir davon profitieren. Wir haben über die Seiten extremes Tempo, gerade bei Eins-gegen-Eins-Situationen zeigen wir unsere Stärke. Wir haben mit Mo (Saracevic, Anm.) auf der Zehn einen unheimlich kreativen Spieler und das macht Offensiv den Unterschied. Ich will mich nicht hochheben, aber ich als Strafraumstürmer lebe davon und wenn ich geile Spieler auf der Seite habe, dann ist es für mich einfach, dass ich meine Tore mache und meine Aktionen habe. Und was man nicht vergessen darf, wir sind auch extrem stabil in der Verteidigung, das macht es aus und deshalb stehen wir da oben.

Die kicker-Elf des 14. Spieltags

Sie haben mit Muhamed Cham bereits einen Spieler angesprochen, der besonders viel Tempo in euer Spiel bringt. Sie verstehen sich mit ihm ja nahezu blind, bekamen schon einige Tore vorbereitet. Wie sehr profitiert die gesamte Mannschaft, aber Sie besonders von so einem Spieler?

Wir profitieren alle von so einem Spieler, weil er einfach auch seine Scorerpunkte macht. Ich finde, die Zehn muss ein kreativer Spieler sein, muss auch in die Box kommen können, muss Abschlüsse und Assists haben, weil es geht um Scorerpunkte und das läuft bei ihm relativ gut. Er ist gesund, macht alles und er profitiert, genauso wie ich, von der gesamten Teamarbeit. Wir können auch mal vorne bleiben, mehr für die Offensive da sein und müssen nicht immer 100 Prozent für die Defensive arbeiten, weil wir wissen, dass wir uns auf die anderen verlassen können. Das macht es auch für ihn einfacher, weil er weiß, hinter ihm sind der Brandon Baiye oder der Pius Grabher, die den dreckigen Job in der Mitte für ihn machen. Wir profitieren sehr von seinen Eckbällen, seinen Flanken, ich von seinen Assists, ich verstehe mich blind mit ihm, auch privat. Er weiß was ich tue, was meine Laufwege sind und deshalb klappt es so gut.

Bei Ihnen persönlich läuft es seit dem Wechsel nach Vorarlberg. 18 Tore in der vergangenen Saison, nun stehen Sie bei 17 Treffern nach zwölf Spielen. Warum passt es zwischen Ihnen und Lustenau einfach so sehr? Hat es Sie überrascht, dass es auf Anhieb so gut funktioniert?

Ich fühle mich einfach wohl. Ein weiterer Grund ist auch, dass ich topfit bin. Auch letzte Saison war ich schon in Topform, aber da haben wir als Team nicht so gut gespielt. Ich spüre den Rückhalt vom Trainer und dem ganzen Klub, natürlich ist es auch einfacher als bei den Vereinen zuvor, weil hier deutsch geredet wird, meine Heimat nahe ist und das zählt einiges. Ich glaube auch, dass ich die Qualität habe, weil ich in den letzten Jahren immer in Erstligamannschaften gespielt habe und von dem her muss ich meine Leistung auch hier mit Toren zeigen. Denn ich habe höhere Ziele und dafür muss ich abliefern. Aktuell fühle mich einfach in jeder Hinsicht pudelwohl.

Wie Sie bereits angesprochen haben, haben Sie zuvor fast immer in ersten Ligen gespielt. Wie schwer, aber auch wichtig, war die Entscheidung rückblickend, dass sie sich damals nach Ihrer Zeit in Ungarn zum Gang in die Zweitklassigkeit entschieden haben?

Das war extrem schwierig für mich damals, ganz ehrlich. Ich kann mich noch an den Sommer 2020 erinnern, mein Vertrag in Ungarn war aufgelöst und ich war so: Ok, was passiert jetzt? Ich hatte viele Angebote von Zweitligisten und ich muss ehrlich sein, am Anfang habe ich das auch abgelehnt, weil irgendwo konnte ich das mit meinem Stolz nicht vereinbaren, dass ich in die zweite Liga gehe. Ich sehe mich nicht als 2. Liga-Spieler, muss ich ehrlich zugeben, aber in dem Moment, nach den Verletzungen, nach den wenigen Spielen, die ich gemacht habe, war ich nicht mehr bereit nach der Coronaphase in Ungarn, wieder irgendwo weit wegzugehen. Dann habe ich mir das hier angeschaut, habe mir auch das Projekt mit Clermont Foot angehört und dann gesagt: Weißt du was? Die Heimat ist in der Nähe, ich bin in zwei Stunden bei meinen Eltern, bei meiner Freundin und dann habe ich das Risiko auf mich genommen. Denn du weißt nie, wenn du in die 2. Liga gehst und dort versauerst, weil du nicht spielst oder dich verletzt, dann wird es ganz schwierig. Deshalb wollte ich diesen Schritt machen, das Risiko auf mich nehmen, meinen Stolz beiseiteschieben, dorthin gehen, mit Spielen wieder topfit werden und über diesen Umweg zeigen, dass ich für Höheres gemacht bin. Es ist wie ein Schritt rückwärts, damit ich zwei vorwärts machen kann. Jetzt spiele ich hier schon eineinhalb Jahre, bin topfit und die Entscheidung hat sich ausgezahlt. Ich war weg vom Fenster und jetzt mit den Toren merke ich, dass ich wieder etwas im Mittelpunkt stehe und das ist auch für mich schön zu sehen, dass die Arbeit der letzten eineinhalb Jahre fruchtet und ich etwas davon habe.

Für Sie war es nie ein Geheimnis, dass sie in der 1. Liga spielen wollen. Nun liegt man nach 14 Runden aktuell auf Aufstiegskurs. Sollte das gelingen, wäre ein Verbleib in Lustenau realistisch?

Vorstellen kann ich mir das definitiv, weil ich mich hier Zuhause und sehr wohl fühle. Natürlich müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen, denn ich bin kein Leugner und bereits 27, das Finanzielle und alles muss da schon passen. Irgendwie muss ich ja auch Geld verdienen, ich bin nicht mehr 18, wo ich sagen kann: Das ist ein Schritt, das mache ich mal. Ich habe noch einen Vertrag bis Sommer und bis dahin werden wir sehen, wo wir stehen.

Es gab ja bereits im vergangenen Sommer Gerüchte um Ihren Abgang. Ein Transfer kam aus diversen Gründen nicht zu Stande. An Ihrem Torriecher hat das nichts geändert - haben Sie das schnell abhaken können?

In diesem Sommer habe ich viel nachgedacht, habe viel mit meinem Berater und verschiedenen Leuten gesprochen, weil ich gehen wollte, das kann ich ganz offen sagen. Letzte Saison habe ich 18 Tore in 23 Spielen erzielt, dann wollte ich in der ersten Liga spielen und es waren auch Optionen da, vor allem nach meinem Saisonstart mit sechs Toren in zwei Spielen. Das hat der Klub auch gewusst, da habe ich sie frühzeitig informiert. Ich hatte noch ein Jahr Vertrag und ich verstehe auch den Verein, dass er mich nicht gehen lässt, wenn man nicht eine anständige Summe bekommt. Mein Traum wurde nicht wahr, aber dann habe ich Gespräche mit den Verantwortlichen und dem Trainer gehabt, die mich immer verstanden haben und deshalb habe ich akzeptiert, dass es nicht sein soll und ich es abhaken musste. Ich muss einfach Leistung zeigen und dann werden wir sehen, was passiert im nächsten Winter oder Sommer.

Hätte nie geglaubt, dass mich mein Weg mit 27 nach Lustenau bringt.

Haris Tabakovic

Wie sehen Sie generell die Entwicklung des Vereins? Wäre Lustenau bereit für den Aufstieg in die Bundesliga?

Ich denke schon. Ich glaube es sind noch einige Fragen offen, die mit der Gemeinde und mit dem Stadion zu klären sind. Man hat hier großes vor, vor allem im Hinblick auf die Kooperation mit Clermont Foot. Mit Clermont ist man in die erste Liga aufgestiegen und diese Leute haben auch hier Ziele. Für mich ist es allgemein professioneller geworden, denn als ich letztes Jahr hergekommen bin, war es für mich schon ein kleiner Schock, weil ich es von früher anders gekannt habe. Ich merke aber, dass sich der Klub damit beschäftigt, dass man sich professionalisieren will und dass es vorwärts geht. Wir haben hier eine gute Fanbase, es macht Spaß hier im Stadion zu spielen, auch wenn es klein ist. Wenn man eine Saison durchspielt und hier Erfolg hat, muss der Klub ready sein für die erste Liga, weil dann verdient er es sich und wenn hier in Lustenau erste Liga gespielt werden würde, dann wäre im Stadion eine geile Stimmung.

Sie haben vor Ihrer Zeit in Vorarlberg in Ungarn und in der Schweiz jeweils in der ersten Liga gespielt, waren U21- Teamspieler. Sind Sie mit Ihrem Karriereweg bisher im Reinen?

Ich bin zu 100 Prozent im Reinen mit meinem Weg. Ich wollte mir später nie sagen, dass ich nicht alles gegeben habe. Ich war bisher ein sehr professioneller Spieler und habe alles für den Fußball geopfert. Wenn ich auf meine Zeit als Achtzehn-/Neunzehnjähriger zurückblicke, wo ich der beste Torschütze in der U21 war und mit welchen Leuten ich damals Gespräche geführt habe, hätte ich nie geglaubt, dass mich mein Weg mit 27 nach Lustenau bringt. Ich habe echt geglaubt, dass es eine große Karriere mit Deutschland etc. wird, aber es kamen halt Verletzungen dazu, die mich zurückgeworfen haben. Ich bin aber zu 100 Prozent im Reinen mit mir, habe mir das zwar anders vorgestellt, aber jetzt bin ich mit 27 Jahren im besten Alter, bin topfit, will noch lange spielen und habe diese Ziele nach wie vor.

Was trauen Sie sich in Ihrer weiteren Karriere noch zu?

Das Wichtigste ist für mich, dass ich gesund bin. Ich bin überzeugt, dass ich auch in der ersten Liga oder in anderen zweiten Topligen wie in Deutschland spielen kann. Wenn ich gesund bin und die Mannschaft einen offensiven Fußball spielt, weil ich als Boxspieler doch auch ein wenig von meinen Mitspielern abhängig bin, bin ich davon überzeugt, dass ich auch dort meine Tore schießen kann.

Interview: Maximilian Augustin