Champions League

Mohamed Salah vom FC Liverpool im Porträt: Die Geschichte vom charismatischen Killer

Einem Einbrecher schenkte er Geld und half bei der Jobsuche

Superheld Salah: Die Geschichte vom charismatischen Killer

Der, den Liverpool gebraucht hat: Mohamed Salah.

Der, den Liverpool gebraucht hat: Mohamed Salah. Getty Images

Blockbuster haben die gute Angewohnheit, immer einen schönen Einstieg zu finden, in dem der eine Moment in der Vergangenheit des Hauptdarstellers erzählt wird, der ihn zu dem machte, der er heute ist - oder im Film zu sein scheint.

Bei Mohamed Salah ist das nicht ganz so einfach, oder zu einfach? Vom jungen Teenager, der jeden Tag vier Stunden mit dem Fahrrad, Zug und Bus zum Training fuhr, bis zum sympathischen Superhelden, der er heute in seiner Heimat ist, lässt sich gut und gerne ein Hollywood-Streifen schneiden.

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Dieser würde vielleicht mit der Blende beginnen, die Mohamed Salah am 8. Oktober des Vorjahres am Elfmeterpunkt zeigt. Und während Ägyptens Nummer zehn den Elfmeter in der fünften Minute der Nachspielzeit zum 2:1 gegen den Kongo verwandelt und für die erste WM-Teilnahme seit 1990 sorgt, wird in sein Elternhaus eingebrochen. Zwei Tage später schnappt die Polizei den Täter, Salah Senior fordert eine harte Strafe. Doch Mohamed wehrt sich dagegen und bringt den Film stattdessen ins Rollen: Er schenkt dem Einbrecher, der seine Familie berauben wollte, Geld und hilft ihm bei der Suche nach einem Job.

Klopp traf sich mit Salah und sprach drei Stunden mit ihm

Mit dieser Geschichte würde Salah heute wohl nur wenige Minuten brauchen, um Jürgen Klopp von sich zu überzeugen. Im Frühsommer 2017 hatte das drei Stunden gedauert, wie Klopp dem "Guardian" kürzlich erzählte, zumindest haben beide so lange zusammengesessen. "Es war ein fantastisches Gespräch", versicherte Klopp und erklärte zudem, dass er einen Spieler immer kennenlernen will, bevor er ihn verpflichtet. "Er war offen, hat die ganze Zeit gelacht. Er hat verrückte Locken, aber ist ein guter Junge." Über Klopps bis zu Salahs Familie wurde einmal alles thematisiert und am Ende "hatten wir einen Deal, zusammenzuarbeiten".

Also überwies Liverpool 42 Millionen Euro in die "Ewige Stadt" und machte Salah damit zum Riesenschnäppchen, so traurig es eigentlich auch ist. Immerhin hat Salah die Reds weniger gekostet als Lokalrivale Everton für Gylfi Sigurdsson bezahlte. Und was der Ägypter seit Anfang August am River Mersey veranstaltet, macht die Geschichte vom dauergrinsenden Lockenkopf umso erzählenswerter.

In Liverpool isst man jetzt "Chicken Tikka Mo Salah"

José Mourinho besaß einerseits mal die Weitsicht, Salah 2014 für 16 Millionen Euro aus Basel zum FC Chelsea zu holen. Andererseits waren es dann entweder Salahs bis dahin fehlende Englischkünste, ein bisschen Reife oder kaum Verständnis für Taktik, die dazu führten, dass es in London unter Mourinho nicht klappte - wie schon bei Kevin De Bruyne und Romelu Lukaku.

Jedenfalls war nach einem Jahr und sechs Startelfeinsätzen in der Premier League wieder Schluss und Salah landete über eine Leihe bei Florenz später fest bei der Roma. Und da, so erzählt es Salah selbst, legte Luciano Spalletti den Grundstein dafür, dass Hähnchencurry-Gerichte in Liverpool heute "Chicken Tikka Mo Salah" heißen. Stunden nach dem Training saßen er und der damalige Roma-Coach zusammen und Spalletti erklärte Salah, was Taktik ist und wie Defensivarbeit eigentlich funktioniert.

He kills you with a smile.

Salah tritt nicht, sondern trifft

83 Spiele, 34 Tore und 24 Vorlagen später sorgte Klopp für den Feinschliff, machte aus dem flinken Flügelspieler mit einem unnachahmlichen Antritt auch noch einen eiskalten Torjäger, der jetzt versteht, Geschwindigkeit und Technik in Perfektion zu verbinden.

46 Pflichtspiele hat Salah in dieser Saison für 41 Tore und 13 Vorlagen benötigt. Seine 31 Premier-League-Treffer sind schon jetzt, vier Spieltage vor Schluss, Rekord. So viele erzielten in der 38-Spiele-Saison nur Luis Suarez, Alan Shearer und Cristiano Ronaldo. Vier Monate ist es her, dass Englands Spieler des Jahres zum letzten Mal ein Pflichtspiel an der Anfield Road begann und dabei nicht traf.

Zu Liverpool passt Salah perfekt - wegen Klopp

Es ist auch Klopp zu verdanken, dass der immer noch erst 25-Jährige scheinbar nicht mehr in der Lage ist, die falsche Entscheidung zu treffen. Genauso gut, wie Klopp zu Liverpool passt, ist Salah das Puzzleteil im Angriff der Reds, das Philippe Coutinho schnell vergessen macht. Sein wahnsinniges Tempo ist wie geschaffen für Klopps Überfall-Gegenpressing-Fußball, und weil Roberto Firmino und Sadio Mané "Arbeitstiere" (Klopp) sind, hat Salah mehr Räume. Als Rechtsaußen kann er deshalb mit seinem linken Fuß ins Zentrum ziehen und - so macht er es ja seit Weihnachten in einer Tour - treffen.

Mohamed Salah

Es passt: Jürgen Klopp und Mohamed Salah. picture-alliance

Und mal ehrlich, wann und wo soll das enden? Salahs Frohnatur erweckt irgendwie immer den Eindruck, dass kein Grund zur Sorge besteht; er ist kaum aus der Ruhe zu bringen. Die Behauptung, dass große Fußballer auch etwas Böses an sich haben sollten, trifft in dem Sinne nicht auf Salah zu, eine Gelbe Karte hat er noch immer nicht gesehen. Aber, so schön bringt es der Guardian auf den Punkt, "he kills you with a smile".

Fußballplätze und Hochzeiten: Wie Salah der Heimat hilft

In der Heimat Nagrig, nicht weit entfernt von den Hauptstraßen zwischen Kairo und Alexandria, tragen heute viele ein Liverpool-Trikot und das nicht nur, weil Salah auf Ballon-d'Or-Kurs steuert, sondern weil der sympathische Superheld, dessen Geschichte genau hier begann, seine Wurzeln nicht vergessen hat. Er spendet viel von seinem Gehalt, bezahlte zum Beispiel einen wetterfesten Fußballplatz an seiner alten Schule und gibt Paaren Geld, um zu heiraten.

Hollywood würde sicher eine gute Idee finden und sich einen genauso geeigneten Ausstieg für diesen Film überlegen. Das Gute daran ist, für Liverpool und für fast 100 Millionen Ägypter, dass der Regisseur noch keine Lust auf das Ende hat.

Mario Krischel

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