Frauen

Staab in Saudi-Arabien: "Torhüterin angewurzelt auf der Linie"

Nationaltrainerin spricht über ihre Arbeit in der Wüste

Staab in Saudi-Arabien: "Anfangs stand die Torhüterin wie angewurzelt auf der Linie"

Erste Erfolge: Monika Staab kann in Saudi-Arabien etwas bewegen.

Erste Erfolge: Monika Staab kann in Saudi-Arabien etwas bewegen. IMAGO/Just Pictures

Mit Anfang 60 fühlte sich Monika Staab in Saudi-Arabien teilweise wie ein Popstar. "Während meiner ersten Wochen im Land wurde ich auf einer Pressekonferenz als Nationaltrainerin vorgestellt. Egal, ob ich im Supermarkt oder am Flughafen war - hier erkannte mich jede und jeder fortan", sagte sie in der "Süddeutschen Zeitung". "Jeder wollte ein Selfie haben. Jede Stewardess grüßte mich mit: 'Ich kenne dich, du bist doch Coach Monika.'"

Im Dezember 2020 hatte Staab damit begonnen, im Wüstenstaat, dem schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, Trainerinnen-Ausbildungen zu geben. Neun Monate später fing sie offiziell als Nationaltrainerin an - bei knapp über null, was das Niveau angeht: "Wir hatten 400 Registrierungen, Frauen, die gerne in der Nationalmannschaft spielen wollten, aber zuvor noch nie auf dem Großfeld gespielt hatten."

35 davon hätten sie schließlich ausgewählt, darunter auch eine Keeperin, über die Staab eine Anekdote erzählt, die tief blicken lässt: "Anfangs stand unsere Torhüterin wie angewurzelt auf der Linie. Ich habe sie gefragt, warum. Sie meinte, ihr vorheriger Trainer hat gesagt, sie muss immer auf der Linie bleiben, weil sie das Tor hüten muss."

Meine Nationalspielerinnen kennen die Champions League auswendig.

Monika Staab in der "Süddeutschen Zeitung"

Staab habe ihr dann erklärt, dass eine Torhüterin "heutzutage auch mitspielen muss, ein bisschen wie ein Verteidiger". Verglichen mit dem Niveau damals spricht Staab heute von einem "Riesenunterschied". Dass sie sich regelmäßig des Vorwurfs erwehren muss, beim Sportswashing-Programm der saudischen Regierung mitzuhelfen, lässt Staab kalt. Sie konzentriert sich auf die positiven Seiten: "Den Frauen Selbstwertgefühl zu vermitteln - ihnen Selbstvertrauen zu geben, um einen Beruf zu erlernen, um auf eigenen Füßen zu stehen, den Mut zu haben, sich gegen Diskriminierungen zu wehren".

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Die Begeisterung für den Fußball sei in vielen saudischen Familien riesig, egal ob bei Männern oder bei Frauen: "Meine Nationalspielerinnen kennen die Champions League auswendig", sagte Staab. "Die gucken fast jedes Spiel. Sie sind von kleinauf mit einem Verein liiert - vergleichbar mit Schalke oder Dortmund."

Auch in Bahrain, Katar, Nordkorea oder Gambia arbeitete sie schon in verantwortlicher Position, doch von ihrem aktuellen Arbeitgeber zeigt sich die 64-Jährige begeistert: "Ich war bei der Frauen-WM in Australien und habe dort mit dem Präsidenten des saudischen Fußballverbands gegessen", erzählte Staab. "Er sagte mir: 'Egal, was du willst - lass es mich wissen und wir werden es für den Frauenfußball tun. Wir tun das Gleiche für die Frauen wie für die Männer.'"

"Eine Spielerin war Krankenschwester, jetzt ist sie Vollprofi bei Al-Ittihad"

Inzwischen erhalte jede Nationalspielerin dieselbe Aufwandsentschädigung wie ein Nationalspieler, sagte Staab, und auch in der dortigen Premier League der Frauen mit acht Teams habe sich einiges in Richtung Professionalisierung getan: "Die Spielerinnen bekommen Verträge, da haben noch ganz wenige noch einen anderen Beruf. Eine Spielerin war beispielsweise Krankenschwester in Dschidda, sie hat ihren Job inzwischen aufgegeben und ist jetzt Vollprofi bei Al-Ittihad."

Schon während der WM hatte Staab prognostiziert, dass einige alternde Top-Spielerinnen nach Saudi-Arabien wechseln würden. Bisher hat sich das - noch - nicht bewahrheitet. Nur drei WM-Teilnehmerinnen haben den Schritt gewagt: die Marokkanerinnen Salma Amani (vom FC Metz zu Al-Ittihad) und Ibtissam Jraidi (schon vor dem Turnier zu Al-Ahli) sowie die Nigerianerin Ashleigh Plumptre (ebenfalls zu Al-Ittihad) - allesamt keine Stars.

pab

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