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Sorgfaltspflicht trotz Blaulicht und Martinshorn

Rechte und Pflichten von Einsatzfahrzeugen - und den übrigen Verkehrsteilnehmern

Sorgfaltspflicht trotz Blaulicht und Martinshorn

Jetzt ist es eilig: Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht und Martinshorn.

Jetzt ist es eilig: Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht und Martinshorn. blindguard/Pixabay

In diese Situation ist so gut wie jeder schon einmal gekommen: Von weitem schon tönt das Martinshorn, Blaulicht blinkt - beides Signale für eine Notsituation, in der für Polizei, Rettungsdienste oder Feuerwehr höchste Eile geboten ist, denn es gilt, Menschenleben zu retten, schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden oder die öffentliche Sicherheit zu bewahren.

Anderen Verkehrsteilnehmern verlangt die Straßenverkehrsordnung (StVO) dann größtmögliche Unterstützung ab. Heißt: Sie sind dazu verpflichtet, den Einsatzfahrzeugen das Wegevorrecht einzuräumen. Tempo drosseln also, am besten anhalten, ausweichen und die Retter oder Polizisten schnellst- und bestmöglich passieren lassen.

Kühlen Kopf bewahren

Viele Auto- und Motorradfahrer, aber auch Radler verfallen dann zunächst einmal in Hektik, was freilich eher kontraproduktiv ist. In den geschilderten Notsituationen gilt es, kühlen Kopf zu bewahren und sich über die Situation klar zu werden: Woher kommen die Signale? In welche Richtung bewegen sie sich? Wie viele Einsatzfahrzeuge rücken an?

Zum besonnenen Handeln gehört, das Ausweichmanöver per Blinker anzuzeigen. "Das gibt anderen Verkehrsteilnehmern die Möglichkeit, es dem Ausweichenden gleichzutun und das eigene Verhalten anzupassen", heißt es vonseiten der ARAG-Rechtsschutzversicherung. An einer roten Ampel sollte möglichst nach rechts ausgewichen werden, dabei ist es auch zulässig, die Haltelinie vorsichtig zu überfahren - immer vorausgesetzt, der Verkehr erlaubt dies. Übrigens: Auch Fußgänger müssen gegebenenfalls Platz machen!

Rettungsgasse bilden

Auf mehrspurigen Straßen und den Autobahnen besteht bekanntermaßen die Pflicht zum Bilden einer Rettungsgasse, auch im Stau oder bei Stop&Go-Verkehr, und stets zwischen dem linken und den übrigen Fahrstreifen. Verstöße werden mit einem Bußgeld von mindestens 200 Euro und zwei Flensburg-Punkten belegt. Wer meint, sich im Gefolge des Einsatzfahrzeugs durch die Rettungsgasse mogeln zu müssen, riskiert laut ARAG mindestens 240 Euro, ebenfalls zwei Punkte und obendrein ein Fahrverbot.

Die Kombination macht's

Das Wegevorrecht dürfen Einsatzfahrzeuge allerdings nur dann beanspruchen, wenn sie sowohl akustisch wie auch visuell Signal geben, also Martinshorn und Blaulicht in Kombination betätigen. Martinshorn oder Blaulicht allein gewähren keine Sonderrechte. Und: "Der Einsatzfahrer oder die -fahrerin dürfen nicht einfach darauf vertrauen, dass ihr Wegevorrecht von allen beachtet wird", wie der Auto Club Europa (ACE) betont: "Sonderrechtsfahrzeuge unterliegen einer gewissen Sorgfaltspflicht, wenn sie die StVO missachten". Sie müssten sich also stets der Lage vergewissern - etwa, indem sie an Kreuzungen nur so schnell fahren, dass bei Querverkehr rechtzeitig gestoppt werden kann.

Hohe Unfallquote

Und was passiert, wenn es zu einem Unfall kommt? Dies geschieht gar nicht selten: Rund zehnmal am Tag werde statistisch gesehen ein im Einsatz befindlicher Rettungs- oder Notarztwagen in einen Crash verwickelt, weiß das von der HUK-Coburg getragene Goslar-Institut für verbrauchergerechtes Versichern zu berichten, die Quote liege drei- bis viermal so hoch wie bei "normalen" Autos. Zur Beurteilung der Rechtslage sei dann der Einzelfall entscheidend, heißt es beim ACE, der "zivile" Unfallgegner beziehungsweise die Unfallgegnerin hätten nicht automatisch Schuld. Beispiel: Wurde beim Fahren des Einsatzgefährts die Sorgfaltspflicht verletzt - etwa, weil eine Kreuzung unvorsichtig passiert wurde -, haftet der Einsatzfahrende.

Einzelfall entscheidend

Sofern Martinshorn und Blaulicht in Kombination betätigt worden sind, liegt die Beweislast zumeist allerdings beim Zivil-Fahrer. Wurde dessen Fahrzeug durch bloßes Ausweichen beschädigt, wird laut ACE geprüft, ob es eine Möglichkeit gegeben hätte, dem Einsatzfahrzeug auch unfallfrei Platz zu machen. Ist durch das Ausweichmanöver ein anderes Fahrzeug zu Schaden gekommen, sei meist der unvorsichtig Ausweichende haftbar. Und wenn zwei ausweichende Fahrzeuge kollidieren, tragen im Regelfall beide Fahrer beziehungsweise Fahrerinnen eine Mitschuld.

Die ARAG-Experten wiederum verweisen auf den Fall einer Autofahrerin, welche die Signale eines Feuerwehrautos zu spät wahrgenommen hatte und mit diesem zusammengestoßen war. Zwar sprach ihr das OLG Jena (Az.: 4 U 259/05) die Hauptschuld zu, der Einsatzwagenfahrer aber, der sich allzusehr auf sein Wegerecht verlassen hatte und ohne die gebotene Rück- und Vorsicht auf die Kreuzung gefahren war, wurde mit einer Mitschuld von 20 Prozent belegt.

ule