Frauen

Julia Simic warnt im kicker: "Anschluss nicht verlieren"

Ehemalige Nationalspielerin warnt

Simic im Interview: "Aufpassen, dass man den Anschluss zu anderen Ligen nicht verliert"

Sie hat im Fußball schon so einiges erlebt und viel zu erzählen: Julia Simic.

Sie hat im Fußball schon so einiges erlebt und viel zu erzählen: Julia Simic. imago images (3)

Simic ist U-19-Europameisterin, deutsche Meisterin und DFB-Pokalsiegerin, sie spielte bei West Ham United und der AC Mailand. Sie hat ein Sportmanagement-Studium abgeschlossen, besitzt die Trainer-B-Lizenz, leitet seit 2018 die "Julia Simic Football Academy" inklusive eigener App und ist Teil der Social-Media-Kampagne "Play for her". Seit Donnerstag ist Simic zudem Teil der neuen Dokumentarserie "Champions" (Rakuten TV), die sich mit der Geschichte der besten europäischen Spielerinnen der Frauenfußballszene befasst. Und ganz nebenbei ist die 32-Jährige seit Juli auch noch Co-Trainerin der U-17-Nationalmannschaft.

Frau Simic, beschreiben Sie doch mal Ihre Rolle bei der U-17-Nationalmannschaft, Ihre Hauptaufgabe als Trainerin.

Ich finde mich natürlich gerade noch ein bisschen ein in meiner Rolle, bin ja noch recht frisch dabei. Das Gute ist, dass wir uns im Trainerteam alle schon lange kennen und schätzen und jeder seine Elemente mit einbringt. Melanie Behringer und ich sitzen häufig zusammen und tüfteln an der Trainingsgestaltung. Es macht total Spaß, mit den Mädels in diesem Altersbereich zu arbeiten. Gerade die Arbeit am Trainingsplatz ist mit die schönste. Es ist toll, eine Übung zu leiten und Dinge weiterzugeben, die dann plötzlich funktionieren. Es geht aber auch um die Verbindung zu den Spielerinnen: Wie weit ist man Freund oder Vertrauensperson, aber gleichzeitig auch Trainerin.

Ist es denn Ihr Plan, künftig als Trainerin zu arbeiten?

Ja, schon. Das ist jetzt sicherlich eine Phase, in der ich mich ein bisschen ausprobiere, aber Trainerin zu sein, war schon immer in mir drin. Darauf habe ich mich schon immer gefreut, das auch mal selbst machen zu können. Jetzt versuche ich natürlich, Erfahrungen zu sammeln. Die A-Lizenz kommt definitiv auch bald.

Sie hatten vor ein paar Monaten kritisiert, dass Frauen zu wenig Mitspracherecht haben beim DFB. Wären Sie denn gern diejenige, die das ändert, die vielleicht auch mal eine Männermannschaft in einer höheren Liga trainiert?

Mein Ziel war es nie, eine Männermannschaft zu trainieren. Es geht auch gar nicht darum, dass man möglichst viele Frauen als Trainerinnen in Männermannschaften bringt. Es geht darum, dass man Frauen überhaupt dazu bringt, ihre Lizenz zu machen und am Ende Mannschaften zu trainieren. Wir haben in der Frauen-Bundesliga aktuell eine Frau als Trainerin. Warum ist es selbst im Frauenfußball so schwer für Frauen, sich durchzusetzen und auf entscheidende Positionen zu kommen? Da braucht es viele Stimmen aus unterschiedlichen Bereichen und aus unterschiedlichen Blickwinkeln, um das zu ändern. Es braucht Vorbilder und Unterstützung seitens der Verbände, seitens der Vereine. Da kann man in vielen Bereichen was verbessern.

Verbesserungsbedarf gibt es sicherlich auch mit Blick auf die europäischen Nachbarländer. Sie hatten bis zu Ihrem Karriereende im Mai auch die eine oder andere Auslandsstation. Was haben Sie für Ihren beruflichen Werdegang daraus mitgenommen?

Ich glaube, man entwickelt sich immer weiter, wenn man andere Kulturen sieht. In England spielt zum Beispiel die Gleichberechtigungs-Bewegung eine sehr große Rolle. Man sieht, wie professionell es dort ist, wie viele Sponsoren bereit sind, da wirklich in den Sport zu investieren, weil man starke Persönlichkeiten hat, Spielerinnen, aber auch Trainerinnen, die total für Dinge einstehen. Es ist wichtig, dass man Persönlichkeiten und die Werte, für die sie einstehen, auch neben dem Platz zeigt. Italien ist noch nicht so weit entwickelt, was die professionellen Strukturen angeht. Sie sind noch ein, zwei Schritte weg von der deutschen oder der englischen Liga. Aber dort gibt es mittlerweile auch große Vereine, die bereit sind zu investieren. Die Entwicklung kann ganz schnell gehen und Deutschland muss aufpassen, dass man den Anschluss zu den anderen Ligen nicht verliert, dass man dranbleibt und weiter in den Frauenfußball investiert. Ich will nicht sagen, dass der Zug nach England schon abgefahren ist, aber er bewegt sich sehr schnell.

Im weiblichen Nachwuchs gibt es schon ganz früh hohe Risikofaktoren, über die viele gar nicht Bescheid wissen.

Julia Simic

Verletzungsprävention ist ebenfalls ein großes Thema bei Ihnen. Sie hatten selber ein paar schwere Verletzungen, unter anderem zwei Kreuzbandrisse im linken Knie, und haben Ihre Masterarbeit darüber geschrieben. Welches Fazit haben Sie daraus gezogen? Was kann man besser machen?

Im weiblichen Nachwuchs gibt es schon ganz früh hohe Risikofaktoren, über die viele gar nicht Bescheid wissen. Häufig werden die Entwicklungsprogramme für Jungs aus den Nachwuchsleistungszentren auch für die Mädels übernommen. Aber man muss ein Bewusstsein dafür schaffen, dass sich ein weiblicher Körper anders entwickelt als ein männlicher. Beim DFB machen wir ab der U 15 Tests, durch die anatomische und biomechanische Risikofaktoren sichtbar werden, durch die wir den Mädels frühzeitig Programme mitgeben können, mit ihren Vereinstrainern sprechen usw. Es gibt diesen Altersbereich zwischen 17 und 21, in dem die Mädels ganz extrem betroffen sind von Kreuzbandrissen, zum Beispiel. Das ist der Altersbereich, in dem sie aus der Jugend zur ersten Mannschaft hochkommen. Es ist dann häufig nur eine Frage der Zeit, wann es ein Mädel erwischt, weil der Sprung oft viel zu groß ist. Da spielt ein 16-jähriges Mädchen plötzlich in der Bundesliga mit erwachsenen Frauen, die seit Jahren auf einem gewissen Level trainieren. Man kann viel frühzeitiger schon Grundsteine legen, um das Verletzungsrisiko zu minimieren. Es gibt so viel Nachholbedarf. Der DFB startet jetzt zwar damit, aber man kann das nicht allein über den Verband regeln. Die Vereine müssen mitziehen, und das sind Dinge, die auch in die Trainerausbildung gehören.

Bringen Sie dieses Wissen auch bei der U 17 schon ein?

Ja, definitiv, ich habe immer ein Auge auf die Verletzungsprävention, weil das Dinge sind, bei denen ich mit meiner Erfahrung aber auch meinem Studium helfen kann. Es ist manchmal einfacher, wenn man das selbst durchgemacht hat, statt es nur studiert zu haben. Da gibt es sicherlich den einen oder anderen Kniff, den man frühzeitig in sein Programm mit einbauen kann. Und wenn es einfach nur zehn Minuten sind, die man am Tag investiert, früher auf den Trainingsplatz geht und ein bisschen was für sich selbst macht, weil man weiß, dass man einen Schwachpunkt hat. Es geht darum, dass man die Mädels dazu befähigt und sensibilisiert, ihren Körper zu kennen, um dann einfach mehr Stunden am Trainingsplatz zu verbringen und weniger beim Physio.

Ihre Fußballakademie und Ihre App gehen ja auch in diese Richtung, zudem sind Sie Teil der Social-Media-Kampagne "Play for her". Erklären Sie doch mal kurz, um was es bei diesen Projekten geht.

Bei "Play for her" sind wir drei Mädels, die sich zusammengetan haben. Mein Schwerpunkt ist das Training, es geht um Prävention, Rehabilitation und was man für sich selbst zusätzlich machen kann. Dann gibt es noch Laura Vetterlein, die sich um Mindset und Mentalität kümmert, und Lina Magull, die sich mit der Ernährung befasst. Wir wollten das nicht so trocken über Infografiken aufziehen, sondern das Thema den Leuten spielerisch, interaktiv über Social-Media-Plattformen näherbringen und die Mädels inspirieren, dass sie Dinge selbst verbessern können. Bei meiner Akademie geht es in erster Linie um den Nachwuchs, aber auch um Kulturkreise, in denen es nicht so einfach ist für junge Frauen, Sport zu treiben. Der Fußball kann da ein Werkzeug sein, um sich selbst als Persönlichkeit zu entwickeln. Wenn ich ein Girlscamp veranstalte, geht es nicht allein darum, dass die Mädels vor Ort Fußball spielen, sondern es gibt einen Tag vorher auch einen Coaching-Workshop für potenziell Interessierte, die das einfach mal ausprobieren können. In Manchester haben wir jetzt ein Camp geplant, wo es um Mädels aus asiatischen, muslimischen Kreisen geht, die durch Familie und Traditionen nicht so den Zugang zum Fußball haben. Bei uns können sie in einem sicheren Umfeld, von Mädels trainiert, Fußball spielen. Das ist der erste Schritt in den Sport.

Was Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg von ambitionierten Trainerinnen erwartet und warum sie in besonderen Momenten gerne Gedichte schreibt, erklärt die deutsche Bundestrainerin in der aktuellen Ausgabe von "Fe:male view on football". Die ganze Folge ist jetzt auf allen digitalen kicker-Kanälen und bei Spotify, Deezer, Google Podcasts, Podimo und iTunes verfügbar!

Interview: Susanne Müller