Nationalelf

Toni Schumacher über deutsches Torwartproblem: "Dramatisch"

Europameister fordert Umdenken bei der Ausbildung

Schumacher über Deutschlands Torwartproblem: "Schleunigst Gegenentwicklung einleiten"

Einer der großen deutschen Torhüter: Harald "Toni" Schumacher.

Einer der großen deutschen Torhüter: Harald "Toni" Schumacher. IMAGO/Horst Galuschka

"Seit Urzeiten war Deutschland ein Torhüter-Land", schreibt Toni Schumacher, der es wissen muss. "In der letzten Rangliste des kicker", für den der Europameister von 1980 die aktuelle Torwartlage kommentiert, "tauchten jedoch nur drei deutsche Keeper auf". Auch wenn ein Manuel Neuer aufgrund seiner Verletzung nicht aufgeführt wurde.

14 Jahre lang hat Neuer für Ruhe zwischen den deutschen Pfosten gesorgt. Vor ihm gab es Jens Lehmann, vor Lehmann Oliver Kahn, Andreas Köpke, Bodo Illgner, Schumacher selbst, Sepp Maier, und so weiter. Und nach Neuer, dessen Verletzungen sich häufen, der darüber hinaus schon 37 ist?

Dass einer nachwächst, sehe ich leider nicht.

Toni Schumacher über deutsche Nachwuchstorhüter

"Was die Nationalelf angeht, bleiben dem Bundestrainer Marc-André ter Stegen (31), Kevin Trapp (32) und Bernd Leno (31)", so Schumacher. Tatsächlich war der Frankfurter Trapp im Juni 2017, vor über sechs Jahren, der letzte Debütant im DFB-Tor. Im gleichen Sommer war die Prozentzahl der Einsatzminuten deutscher Schlussmänner in den Toren der Bundesliga erstmals unter 50 Prozent gefallen.

"Dass einer nachwächst, sehe ich leider nicht", urteilt Schumacher. Eine Situation, die der 76-malige Nationalspieler "für dramatisch hält" - zumal "sie ja nicht aus dem Nichts entstand". Der Vizeweltmeister von 1982 und 1986 sieht das Problem dabei in der Ausbildung deutscher Torhüter verankert, er bemängelt "zu viele verschiedene Ansätze, wie Torhüter trainiert werden sollen".

Zu viel Spielaufbau von Torhütern hält Schumacher für kontraproduktiv

Diego Maradona, Toni Schumacher

Große Schlachten geschlagen: Toni Schumacher (re.) hilft im WM-Finale 1986 Diego Maradona auf. imago images/Sportfoto Rudel

Für Schumacher, da bezeichnet er sein Denken selbst als "konservativ", ist ein Torwart "in erster Linie dazu da, um Bälle zu fangen, abzuwehren, den Strafraum zu beherrschen". Dem Keeper als elfter Feldspieler steht er skeptisch gegenüber. Der langjährige Kölner kritisiert "den langsamen Spielaufbau von hinten heraus", der kontraproduktiv für geradliniges, schnelles Spiel sei, zudem auch anfällig für Fehler des "Libero mit Handschuhen" mit dem Ball am Fuß.

Zwar sei gerade dieses Spiel mit Neuer ein Faktor für Deutschlands WM-Titel 2014 gewesen, lobt der 69-Jährige. "Aber", so Schumacher: "Nicht jeder Torhüter verfügt über seine Klasse. In Deutschland kein einziger mehr." Daher nimmt er vor allem die Trainer in die Pflicht, von denen zwar "jeder für sich selbst entscheiden muss, welchen Weg er seinen Keeper gehen lässt". Schumacher wüsste allerdings, wie er sich entscheiden würde.

Zunächst müssen die Basics stimmen, dann kann man sich dem Rest widmen.

Toni Schumacher

"Ich weiß, was ein Fehler, wie ihn Hamburgs Daniel Heuer-Fernandes im Relegationsspiel gegen Stuttgart machte, mit einem Torhüter anstellen kann." Schumacher halte es "für gefährlich, solche Risiken einzupreisen und billige Gegentore in Kauf zu nehmen - weil man nicht weiß, in welchem Spiel sie passieren. Was man weiß: Passieren sie in einem mit Final-Charakter, ist das selten gutzumachen."

Schumacher propagiert deshalb einmal mehr den Blick in den Rückspiegel: "Man sollte schleunigst eine Gegenentwicklung einleiten, ein richtiges Maß finden zwischen dem Torhüter-Spiel und der Rolle, die ein Keeper im Aufbau übernehmen soll." Sein klarer Appell: "Zunächst müssen die Basics stimmen, dann kann man sich dem Rest widmen."

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