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Schopp: "Jeder muss wissen, was es heißt, sich den Arsch aufzureißen"

Der Hartberg-Trainer im kicker-Interview

Schopp: "Jeder muss wissen, was es heißt, sich den Arsch aufzureißen"

Zurück in Hartberg: Markus Schopp.

Zurück in Hartberg: Markus Schopp. imago images/Shutterstock

Herr Schopp, Sie meinten unlängst in einem ORF-Interview, dass Hartberg wieder ein Gesicht zeigen soll, das zum Verein passt. Wie soll dieses Gesicht aussehen?

Jeder, der mit dem TSV Hartberg zu tun hat, soll wissen, woher der Verein kommt. Das ist das Wichtigste. Die Ziele des Vereins mit wenig Aufwand zu erreichen, wird sich nicht ausgehen. Jeder muss wissen, was es heißt, sich den Arsch aufzureißen. Nur so kann sich ein Verein wie Hartberg in der österreichischen Bundesliga halten. Dafür benötigen wir ein eigenes Gesicht - und für dieses bin ich als Trainer verantwortlich. Dementsprechend liegt mein Fokus darauf, den Spielern zu vermitteln, dass wir allesamt sehr demütig sein müssen. Wir müssen wissen, was es heißt, in der Bundesliga zu funktionieren und erfolgreich zu sein.

Sie gelten als Trainer, der seine Mannschaft gerne in Ballbesitz sieht und in der Verteidigung aggressiv gegen den Ball arbeiten lässt. Inwieweit müssen Sie Ihre Idee von Fußball aufgrund der Tabellensituation anpassen?

Das Gesicht einer Mannschaft definiert sich über den Erfolg. Der Fußball, den ich spielen ließ, war ein Fußball, der zu den damaligen Charakteren gepasst hat. Der Charakter der Mannschaft hat sich jetzt verändert. Es sind Typen in die Mannschaft hineingewachsen, die dem Team auch etwas anderes geben können. Ich glaube, man sollte eine Mannschaft in erster Linie über die Resultate definieren und nicht über die Art des Spiels. Man muss sich immer den Möglichkeiten anpassen, die der Verein zur Verfügung stellt. Meine erste Aufgabe war und ist, mir ein Bild von den Charakteren zu machen. Die Situation, die wir vor uns haben, ist eine ganz besondere. Dafür brauchen wir gewisse Typen. An diese Typen angepasst wird sich das Spiel entwickeln. Wenn ich es umgekehrt angehen würde, wäre das Projekt von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Gibt es schon eine Idee, wie Sie spielen lassen wollen?

Jeder Trainer hat seine Ideen im Kopf. Man muss aber auch erkennen, ob gewisse Ideen funktionieren können oder nicht. Diese Reise hat erst begonnen. Die Idee wird sich - wie vorher erwähnt - an den Charakteren der Mannschaft orientieren. Ich kann sie natürlich mit meinen Ideen bereichern, aber werde nicht etwas spielen lassen, womit sie sich nicht wohlfühlen. Dementsprechend wird es eine klare Struktur geben und anhand dieser wird die Mannschaft ihr Ziel erreichen.

Rene hatte einen wesentlichen Anteil an der starken Entwicklung des TSV Hartberg. Dass er uns nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz fehlen wird, ist selbsterklärend.

Markus Schopp über das Karriereende von Rene Swete.

Apropos Typen: In der vergangenen Woche gab Tormann Rene Swete sein Karriereende bekannt. Wie will Hartberg einen Führungsspieler wie ihn ersetzen?

Es geht nie, Spieler eins zu eins zu ersetzen. Egal, auf welcher Position. Rene hatte einen wesentlichen Anteil an der starken Entwicklung des TSV Hartberg. Dass er uns nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz fehlen wird, ist selbsterklärend. Ich kann aber nicht den Kopf in den Sand stecken. Wir haben keine unlösbare Situation vor uns. Dafür bin ich viel zu lange im Geschäft. Wir bewegen uns in einem Business, in dem sich durch so eine Veränderung auch wieder eine größere Möglichkeit ergeben könnte. Es geht immer darum, eine Unabhängigkeit zu generieren. Wir werden sehen, wo etwas Neues wachsen könnte. Vielleicht können sich Spieler, die zuvor in seinem Schatten waren, jetzt besser entwickeln. Natürlich ist es schmerzhaft, aber unser Beruf bringt permanent Veränderungen mit sich. Und Veränderungen können auch Chancen sein.

Hartberg holte in den ersten 16 Bundesligaspielen nur elf Punkte. Welche Gründe haben Sie dafür in Ihren Analysen ausgemacht?

Man muss gar nicht so tief in die Analyse gehen, weil das Tabellenbild selbsterklärend ist. Die Mannschaft hat wenig Tore erzielt und viele erhalten. Natürlich kann man über den einen oder anderen Spieler reden, der vielleicht mehr Fehler als üblich gemacht hat. Fakt ist aber, dass die Balance nicht gepasst hat. Daher geht es vor allem darum, diese jetzt herzustellen. Das soll durch Spieler, die vielleicht die Fehlerquoten ihrer Mitspieler reduzieren können, passieren. Eventuell können wir uns so vorne auch mehr Chancen erspielen und hinten stabiler werden. Ich glaube, dass man kein großartiger Experte sein muss, um diese Dinge zu erkennen. Wir haben uns alle Spiele noch einmal angesehen und wissen über unsere personelle Situation sehr gut Bescheid. Wir wissen, wo die Fehlerquellen sind, die die Mannschaft in Probleme gebracht haben. Ich habe ein klares Bild, in welche Richtung wir uns entwickeln müssen.

Benötigt Hartberg dafür noch Neuzugänge?

Über die vergangenen Jahre hat sich der Kader so angesammelt, dass es auf gewissen Positionen ein Überangebot gibt und dadurch große Unzufriedenheit herrscht. Diese Unzufriedenheit muss man lösen, indem man mit den Spielern spricht und ihnen Perspektiven aufzeigt. Das ist bereits erfolgt, heißt aber nicht, dass sich zwangsläufig alle Spieler verändern werden. Das ist noch zu klären. Wenn wir für diese Spieler Lösungen finden, haben wir den für uns interessanten Markt unter Beobachtung. Dann könnte es auch Veränderungen geben. Klar ist aber, dass wir kein Verein sind, der sich auf dem Transfermarkt einfach mal so Spieler holen kann. Aktuell muss ich jedenfalls mit der Situation umgehen, dass ich auch mit unzufriedenen Spielern arbeiten muss.

Die Wintertransfers der österreichischen Bundesliga

Spielt eine Verpflichtung von Sturm-Tormann Jörg Siebenhandl in Ihren Überlegungen eine Rolle?

Ich weiß nicht, woher dieses Gerücht kommt. Er spielt bei einem Topverein, der in einer komplett anderen Liga ist als der TSV Hartberg. Für ihn wird der Markt ein ganz ein anderer sein. Wir haben andere Themen. Zum Beispiel durchläuft Elias Scherf (Leihspieler, Anm.) in Amstetten eine fantastische Entwicklung. Als Verantwortlicher muss ich ihm Perspektiven geben können. Das wird in der aktuellen Situation zwar nicht der Fall sein, aber à la longue ist er für mich ein absolut interessanter Torhüter. Er wird ein großer Faktor sein, wie diese Rolle ausgefüllt werden wird. Hinzu kommt, dass Raphael Sallinger im Herbst bewiesen hat, dass er diese Rolle ausfüllen kann. Alles andere ist reine Spekulation. Der Markt ist aktuell reich an Torhütern, die ohne Vertrag dastehen oder keine Rolle spielen. Das wird für eher der Markt sein, in dem sich der TSV Hartberg bewegen wird.

In Ihrer zweiten Amtszeit bei Hartberg sind Sie nun auch "Gesamtverantwortlicher für den Bereich Sport". Sehen Sie das Risiko, sich damit zu viel auferlegt zu haben?

Das Leben ist immer Risiko. Dinge passieren oftmals anders als zunächst angenommen. Fakt ist, dass die Doppelrolle in Wahrheit nichts Außergewöhnliches ist. In den meisten Fällen trifft der Trainer ohnehin die letzte Entscheidung. Ich werde ohnehin gut ergänzt und wir werden gemeinsam versuchen, alles abzudecken. Das war auch in der Vergangenheit nicht anders. Ich will daher keine große Sache daraus machen. Wenn wir nicht erfolgreich sein sollten, wird man sagen, dass es zu viel war. Sollten wir hingegen erfolgreich sein, wird es wahrscheinlich keiner mehr erwähnen, weil es ganz normal war. Ich kann mit diesem Spielchen umgehen und weiß, dass es vor allem in Momenten, in denen es nicht so läuft, permanent zum Thema gemacht werden wird. Ich kann aber sagen, dass wir das während meiner ersten Amtszeit in Hartberg nahezu identisch gelebt haben - nur mit noch mehr Entscheidungsgewalt für meine Person. Zoran Barisic hat das bei Rapid über einen längeren Zeitraum gemacht. Er hat das nach dem Abgang von Ferdinand Feldhofer interessant und gut erledigt. Ich weiß nicht, wie viele Trainer in England mit dem gleichen Modell arbeiten. Klar ist, dass man immer an den Erfolgen gemessen wird. Ich meine aber, dass unter einen Hut bekommen zu können und werde das in bestmöglicher Art und Weise versuchen.

Hartberg, Barnsley, Hartberg. Ist es Ihnen nach Ihrem Engagement im Mutterland des Fußballs schwergefallen, wieder mit der oststeirischen Fußballwelt konfrontiert zu werden?

Nein, gar nicht. Wenn man arbeitet, ist es komplett egal, in welchem Land oder in welcher Liga das ist. Man will einfach mit dem Team etwas bewirken. Sobald man da eintaucht, nimmt man die Dinge so, wie sie sind. Wir müssen uns in Österreich auch nicht klein machen. Natürlich herrscht in England eine unglaubliche Fußballeuphorie. Es gibt dort viele Dinge, die den Fußball zu dem machen, was er ist. Aber in anderen Bereichen gibt es kaum Unterschiede. Es war für mich eine wichtige Erfahrung, sowohl als Spieler als auch als Trainer große Dimensionen erleben zu dürfen. Ich bin aber niemand, der etwas größer machen möchte, als es tatsächlich ist. Auch dort gibt es die gleichen Regeln wie bei uns. Das Rundherum verändert natürlich ein paar Dinge, aber nichts Grundlegendes. Ich fühle mich in Hartberg wohl und weiß, was es heißt, mit diesem Umfeld Leistung zu erbringen.

Ich habe in meiner Zeit als Spieler und Trainer gelernt, dass es nur Scheitern gibt. Das kann zur Folge haben, dass man untergeht oder Konsequenzen zieht und Veränderung zulässt.

Markus Schopp

Einige könnten das Comeback in Hartberg als Rückschritt sehen. Was entgegnen Sie dieser Kritik?

Ich weiß, in welchem Geschäft wir uns befinden. Man wird immer am Erfolg gemessen. Die Frage ist nur, wie man Erfolg für sich selbst definiert. Vermeintliches Scheitern kann man auch als Chance begreifen. Ich habe in meiner Zeit als Spieler und Trainer gelernt, dass es nur Scheitern gibt. Das kann zur Folge haben, dass man untergeht oder Konsequenzen zieht und Veränderung zulässt. Das ist der Prozess das Wachstums. So definiere ich diesen zumindest für mich. Das ist immer mit Misserfolgen gepaart. Ich entziehe mich selbst dem Denken, dass ein nach außen wahrgenommener Misserfolg ein Grund sein muss, etwas als gescheitert zu interpretieren. Ganz im Gegenteil: Das war ein Lernprozess, aus dem ich etwas mitnehmen konnte. Ich habe die Chance in Hartberg bekommen und möchte jetzt das, was ich dort vielleicht nicht so gut gemacht habe, besser machen. Das ist ein stinknormaler Prozess, an dem ich mich während meiner gesamten Karriere orientiert habe.

Bei Barnsley waren Sie nur vier Monate im Amt. Hegen Sie trotz des unglücklichen Verlaufs den Wunsch, noch einmal ins Ausland zu gehen?

Jeder, der mich kennt, weiß, warum ich nach Hartberg zurückgekehrt bin. Es gibt Lebensphasen, in denen man Dinge anders sieht und die dich dazu bringen, Entscheidungen zu treffen. Wenn ich zu weit nach vorne blicken würde, wäre das nicht richtig. Ich habe mich ganz bewusst für diesen Schritt entschieden und bin jetzt dafür verantwortlich, dieses Projekt auf Schiene zu bringen. Meine Aufgabe ist der TSV Hartberg. Das macht mir irrsinnig viel Spaß. Ich werde alles investieren, damit wir unsere Ziele erreichen.

Interview: Nikolaus Fink