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Sallinger im Interview: "An einem guten Tag sind wir mit allen Teams in der Liga auf Augenhöhe"

Hartberg-Torhüter über den Saisonstart

Sallinger im Interview: "An einem guten Tag sind wir mit allen Teams in der Liga auf Augenhöhe"

Raphael Sallinger zeigt in Hartberg aktuell starke Leistungen.

Raphael Sallinger zeigt in Hartberg aktuell starke Leistungen. GEPA pictures

Mit 16 Punkten findet sich der TSV Hartberg nach den ersten zehn Spieltagen auf dem vierten Tabellenplatz wieder und darf sich nach 2020 wieder berechtigte Hoffnungen, auf einen Platz im oberen Play-off machen. Mit ansehnlichem Offensivfußball begeistern die Oststeirer trotz größerem Umbruchs im Sommer in der aktuellen Saison und zählen zu den spielstärksten Teams der gesamten Liga.

Bundesliga - 11. Spieltag

Das gefällt auch Torhüter Raphael Sallinger, der im kicker-Interview die Entwicklung unter Cheftrainer Markus Schopp positiv hervorhebt und sich vom Wandel der stark verjüngten Mannschaft in den vergangenen Wochen begeistert zeigt.

Herr Sallinger, mit 16 Punkten liegt man aktuell auf Tabellenplatz vier. Seit fünf Spielen ist man zudem ungeschlagen. Ist man vom bisherigen Saisonverlauf positiv überrascht?

Schwierig. Der aktuelle Tabellenplatz ist auf jeden Fall verdient. Ich denke, dass wir am Anfang sogar eher Punkte liegen gelassen haben. Da haben wir zu Beginn etwas unterperformt. In der Vorbereitung ist die Mannschaft lange nicht so gestanden, wie sie jetzt ist. Donis Avdijaj, Ibane Bowat, Christoph Lang, Mamadou Sangare oder Ruben Providence sind erst spät zur Mannschaft gestoßen. Der Maxi Entrup hat vorne eine Torquote, die man vor der Saison auch nicht so am Zettel gehabt hat. Daher sind wir schon etwas weiter in unserer Idee, als wir uns das vielleicht gedacht haben.

Trotz größerem Umbruchs im Sommer und dem Abgang vieler routinierter Spieler hat man sich mittlerweile zu einer richtigen Einheit gemausert. Wie erklären Sie sich diese schnelle Entwicklung?

Es war - vor allem was das Alter betrifft - der größte Umbruch in Hartberg. Markus Schopp und sein Team haben einfach eine Mannschaft geschaffen, wo jeder mitzieht und wo eine ganz klare Spielidee verfolgt wird. Man sieht das an den Spielern, die im Frühjahr bereits unter dem Coach gespielt haben und die nun so richtig gefestigt in dieser Spielart sind. Wir möchten den Ball haben, schnell in die Tiefe spielen und sind flexibel. Das sind alles Dinge, die zum erfolgreichen Start beigetragen haben. Ich habe letztens zu Donis Avdijaj im Auto gesagt, dass wir den Fußball spielen, warum jedes Kind Fußballer werden will. Wir haben richtig viel individuelle Qualität am Ball, eine Idee, die zu den Spielertypen passt und die wir Woche für Woche verfeinern wollen. Mit den Erfolgserlebnissen in der Vergangenheit bekommen wir auch immer mehr Selbstvertrauen.

Ich würde das schon unterstreichen, dass wir aktuell die Hartberger Mannschaft mit dem größten Potential in den vergangenen Jahren haben.

Raphael Sallinger

Ihr Kollege Dominik Frieser meinte gar nach dem Sieg gegen die WSG Tirol, dass es die beste Hartberger Mannschaft in der Bundesliga ist. Würden Sie diese Aussage unterschreiben?

Wir haben mittlerweile bewiesen, dass wir an einem guten Tag mit allen Gegnern in der Liga auf Augenhöhe sind. Man muss halt schon honorieren, mit welchen Mitteln solche Dinge entstehen. Wenn man Hartberg verfolgt, sieht man welche Ziele wir hier verfolgen und in den ersten zehn Runden hat man richtig gut gesehen, was wir können. Wir haben einfach eine junge Mannschaft und ich würde das schon unterstreichen, dass wir aktuell die Hartberger Mannschaft mit dem größten Potential in den vergangenen Jahren haben.

Einen großen Anteil daran hat Ihr Cheftrainer Markus Schopp. Wenn er nach Hartberg kommt, läuft es schließlich auch erfolgreich. Wie schafft er es, die Mannschaft immer wieder so zu erreichen?

Er ist halt jemand, der uns eine klare Richtung vorgibt und uns klar vermittelt, was er sich vorstellt. Er ist sehr anspruchsvoll, gibt uns aber gleichzeitig auch Freiheiten und Vertrauen, sodass wir am Platz wir selbst sein können. Es ist schon bemerkenswert, wie viele Spieler sich durch die Arbeit mit ihm in Hartberg erheblich verbessert haben. Er ist einfach in der Lage, aus jedem Spieler, das Beste herauszuholen. Das zeigt, dass die Spieler ihm und dem Prozess einfach vertrauen. Die Freude, der Hunger nach Erfolg ist viel größer als die Angst vor etwaigen Fehlern und darum geht es.

Mittlerweile hat man auch eine gute Balance gefunden. In den letzten fünf Spielen blieb man unbesiegt, konnte dabei drei Siege feiern und zuletzt auch dreimal in Folge ohne Gegentor bleiben. Was macht die Mannschaft und Sie im Kasten aktuell so schwer bezwingbar?

Die Mannschaft spielt aktuell einfach auf einem sehr guten Niveau. Viele Dinge haben sich sehr gut entwickelt und wir sind auf einem richtig guten Weg. Trotzdem haben wir noch massiv Luft nach oben. Es geht darum, noch konstanter zu werden, verschiedene Phasen im Spiel besser zu lesen und unser Spiel konzentriert und diszipliniert bis zum Ende durchzuziehen. Es hätte auch noch mehr Spiele geben können, wo wir zu Null hätten spielen können. Vor allem in der Anfangszeit haben wir schon unnötige Gegentore kassiert und die Statistik könnte noch besser aussehen, aber unzufrieden bin ich jetzt nicht. Es entwickelt sich alles in die richtige Richtung. Da will ich nicht nur mich für die vielen Spiele ohne Gegentore loben. Am Ende ist Fußball ein Mannschaftssport und wir sind als Team einfach richtig stabil.

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Das Spiel von Markus Schopp ist durch das offensiv ausgerichtete System auch sehr risikobehaftet. Sie sind dadurch auch mehr gefordert. Wie kommen Sie als Torhüter mit diesem Spielstil zurecht?

Wirklich sehr gut. Bei unserer letzten Teilnahme an der Meistergruppe haben wir insgesamt in der Saison 74 Gegentore kassiert. Das ist eigentlich unglaublich viel im Vergleich zu dem, wie erfolgreich wir dennoch damit waren. Es ist halt einfach unser Spiel - auch mein Spiel - zu kicken, und Fußball zu spielen. Trotzdem geht es als Torhüter natürlich vor allem darum, das Tor zu verteidigen. Der Rest ist Draufgabe. Wir gehen gerne das Risiko ein, spielen mutig Fußball und als Außenstehender ist es einfach attraktiv, dem TSV Hartberg in dieser Saison zuzuschauen. Wir spielen nicht den typischen Fußball der österreichischen Liga, sondern versuchen schon auch, in schwierigen Situationen den Ball in den eigenen Reihen zu halten. Wenn man sich die Topspiele in den internationalen Topligen anschaut, funktioniert das auch nicht immer perfekt. Wir versuchen da aber unserer Linie treu zu bleiben und das zeichnet uns auch aus.

Ein Prunkstück ist vor allem die Offensive. Mit 15 erzielten Toren stellt man den vierterfolgreichsten Angriff der Liga. Was zeichnet die Vorderleute bei euch aus?

Wir haben halt vorne Spieler mit einer unglaublichen individuellen Qualität. Egal ob das Ruben Providence, Donis Avdijaj, Christoph Lang oder Dominik Prokop ist. Das sind alles Spieler, die im Dribbling gut sind, sich immer etwas überlegen und sich etwas zutrauen. Die erzeugen aus Momenten Torgefahr, wo in anderen Ligen der Ball in dieser Situation direkt oder mit zwei Kontakten weitergespielt wird. Sie haben aber so viel individuelle Qualität, wo sie Räume bespielen können, die man sonst nicht so vorfindet. Wenn ich z.B. dem Dominik Prokop zusehe und sehe, wie er in die Dribblings geht, die Bälle durchsteckt oder selbst zum Abschluss kommt, geht mir da fast das Herz auf.

Sie sind seit mittlerweile über fünf Jahren beim Verein, seit dem Frühjahr sind Sie nun auch Stammkeeper. In dieser Saison blieben Sie in fünf von zehn Partien ohne Gegentreffer und konnten sogar einen Assist beisteuern. Ist es für Sie die aktuell schönste Zeit im Klub und generell in Ihrer Karriere?

Sportlich gesehen ist das Jahr 2023 für mich sicherlich das spannendste, weil ich seit dem Frühjahr jedes Pflichtspiel für Hartberg absolviert habe. Die Situation in der vergangenen Saison war anfangs natürlich prekär und wir sind da mit dem Rücken zur Wand gestanden. Seit Markus Schopp das Team im Winter übernommen hat, läuft es das ganze Jahr für uns als Team, aber auch mich persönlich, wieder sehr gut. Das macht mich auch stolz, dass ich mich da präsentieren kann.

Für Sie auch zusätzlich schön, dass sich die Geduld auf eine Stammrolle ausgezahlt hat?

Die anfängliche Zeit als Ersatzkeeper war natürlich nicht leicht, aber ich habe das mittlerweile gut verarbeitet. Man muss sowas dann auch in der Vergangenheit lassen. Wichtig ist, dass ich meine Lehren daraus gezogen und erkannt habe, woran es gehakt und warum es nicht schon früher bei mir funktioniert hat. Ich habe einfach ein Mindset entwickelt, das mich weiterbringt und erfolgreich macht. Beispielsweise mache ich sehr viel mit dem Kopf, um mental stark zu sein. Ab einem gewissen Niveau besitzen alle Torhüter eine ähnliche Grundlage und dann hängt viel davon ab, ob du mental stark genug bist und dich nicht unter Druck setzen lässt. Vor allem, wenn du wie ich lange die Nummer zwei warst und dann plötzlich die Nummer eins wirst. Da muss man schauen, dass man möglichst viel Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten hat. Ich habe auch entscheidend an meiner Fitness gearbeitet, meine Ernährung angepasst und merke einfach, je fitter ich bin, desto schneller bin ich auch im Kopf und kann in entscheidenden Momenten schneller reagieren. Da habe ich durch den Trainer auch viel Vertrauen bekommen und habe dadurch auch einen gewissen Biss wieder erlangt, um dran zu bleiben und diese Chance zu nutzen. Ich habe immer an meine Qualitäten geglaubt, aber du musst als Nummer zwei halt manchmal auf den richtigen Moment warten. Der ist zum Glück gekommen.

Wir können nach Graz fahren und haben mehr oder weniger nichts zu verlieren. Graz muss die Tabellenführung verteidigen und wer weiß, wie sie mit dieser Situation umgehen.

Raphael Sallinger

Nach der Länderspielpause steht mit dem Steirer-Derby gegen Sturm Graz ein Highlight zum Abschluss der Hinrunde des Grunddurchgangs an. Was darf man sich für dieses Duell erwarten? Kann man den Tabellenführer ärgern?

Es wäre völlig vermessen zu sagen, wir fahren nach Graz und gewinnen das Spiel. Das müssen wir realistisch sehen. Sturm Graz ist aufgrund der kontinuierlichen Arbeit verdient Tabellenführer und da kannst du jetzt nicht hinfahren und sagen, dass wir den Tabellenführer schlagen. Wenn wir unser Spiel auf den Platz bringen - das hat man in den bisherigen Spielen und auch in 45 Minuten gegen Salzburg gesehen - können wir damit jedem Gegner wehtun. Wenn man sich die letzten fünf Spiele von uns ansieht, muss sich der Gegner schon viel einfallen lassen, um gegen uns ein Tor zu schießen. Ich würde mir auf jeden Fall wünschen, dass wir auch in Graz gewinnen. Ich denke auch, dass es möglich ist, aber natürlich ist Sturm Graz der ganz klare Favorit. Wir haben aber jetzt schon 16 Punkte gesammelt, können nach Graz fahren und haben mehr oder weniger nichts zu verlieren. Graz muss die Tabellenführung verteidigen und wer weiß, wie sie mit dieser Situation umgehen.

Die Liga ist bislang sehr ausgeglichen. Zwischen drittem und achtem Platz liegen nur sechs Punkte. Ist heuer die Chance so groß wie nie, dass Hartberg es zum zweiten Mal in die Meistergruppe schafft?

Das liegt vor allem uns selbst. Wir haben auf jeden Fall die Qualität, dort oben mitzuspielen. Ob wir es dann schaffen oder nicht, hängt von uns ab. Wenn wir weiter so kontinuierlich unsere Punkte einfahren, dann sind wir sicher oben dabei. Wir sind eine brutal junge Mannschaft und jetzt haben viele Dinge richtig gut funktioniert. Es kann aber auch sein, dass wieder eine schlechte Phase kommt. Es gibt nicht immer nur Sonnenphasen, sondern auch schlechte Phasen und da wird es entscheidend sein, wie gut wir in solchen Momenten performen und wie sehr wir auch über die nächsten zwölf Spiele hinweg unsere Punkte sammeln können. Es wird dann auch auf die direkten Duelle ankommen, die für uns noch anstehen. Wir haben vor der Winterpause noch Spiele gegen Klagenfurt, den WAC und Rapid und das sind schon die Gegner, gegen die es jeweils drei Punkte zu sammeln gilt. Dann wird man sehen, ob sich die Spreu vom Weizen trennt.

Interview: Maximilian Augustin