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PSG entthront: Lille OSC ist französischer Meister

Neymar & Co. schauen in die Röhre

PSG entthront: Lille OSC ist französischer Meister

Überraschung perfekt: Lille OSC ist zum fünften Mal französischer Meister.

Überraschung perfekt: Lille OSC ist zum fünften Mal französischer Meister. Getty Images

Wenn jemand Paris St. Germain entthronen kann, dann ist es der Portugiese Luis Campos. Zum zweiten Mal seit 2013 ist die Meisterserie des Hauptstadtklubs gerissen - zum zweiten Mal durch ein Team, das maßgeblich durch Campos zusammengestellt wurde. 2017 triumphierte die AS Monaco mit klangvollen Namen wie Mbappé, Falcao oder Bernardo Silva. Jetzt, 2021, ist Lille OSC französischer Meister - mit, ja mit wem eigentlich?

Kaum jemand hatte vor der Saison mit einem Titel der Nordfranzosen um den ehemaligen Bayern-Profi Renato Sanches gerechnet, schließlich hatte der Vorjahres-Vierte die Abgänge seiner beiden Leistungsträger Victor Osimhen (nach Neapel) und Gabriel (zum FC Arsenal) zu verkraften gehabt. Große Namen, wie sie die Konkurrenten um die Meisterschaft in ihren Reihen haben, sucht man in Lilles Team vergebens.

Glücksgriffe und ein Schlüsselspiel im Prinzenpark

Doch Sportdirektor Campos landete einmal mehr Glücksgriffe wie Innenverteidiger Sven Botman und die beiden Angreifer Jonathan David und Burak Yilmaz. Der 35-jährige Routinier Yilmaz, der fast seine gesamte Karriere in der SüperLig verbrachte, wagte im gesetzten Stürmeralter noch einmal den Sprung in eine Top-Liga und erlebte seinen zweiten Frühling. Mit zwei Toren und einer Vorlage führte Yilmaz Lille am 34. Spieltag nach 0:2-Rückstand zum 3:2-Sieg bei Olympique Lyon. Trainer Christophe Galtier jubelte nach dem späten Siegtreffer auf Knien - ein Meilenstein zum Titel.

Das Schlüsselspiel hatte allerdings bereits drei Wochen zuvor stattgefunden - und war sinnbildlich für die Stärke des LOSC in dieser Saison. Gerade hatte Lille nach einer überraschenden Niederlage gegen Nimes die Tabellenspitze an PSG abtreten müssen, da reisten "Les Dogues" in den Pariser Prinzenpark und siegten am Karsamstag im Gipfeltreffen mit 1:0. Die millionenschwere Offensive um Neymar, Mbappé und Di Maria sah kaum einen Stich gegen Lilles Prunkstück, die stets gut sortierte Defensive um Kapitän José Fonte. Nur 23 Gegentore ließ das Team von Coach Galtier zu - einer der besten Werte in der Geschichte der Ligue 1.

Lille profitiert auch von Pariser Nichtleistungen

Nach dem Sieg in Paris gab Lille die Tabellenführung nicht mehr aus der Hand. Zwar machte es Galtiers Team in der vergangenen Woche mit einem 0:0 gegen St. Etienne noch einmal richtig spannend, am letzten Spieltag behielt der LOSC aber - wie so oft in dieser Saison - die Nerven und brachte den Vorsprung vor PSG dank defensiver Kompaktheit und offensiver Effizienz beim Auswärtssieg in Angers ins Ziel. Es waren genau die Qualitäten, die Lille in der gesamten Saison ausgemacht hatten. Die entscheidenden Tore erzielten in Yilmaz und David zwei Spieler, die Campos - na klar - erst im Sommer nach Lille geholt hatte.

Burak Yilmaz, Jonathan David

Die Meistermacher: Burak Yilmaz (li.) und Jonathan David erzielten die Treffer beim entscheidenden 2:1 in Angers. imago images

Natürlich profitierte der Klub aus dem Norden des Landes auch von einer von Unwägbarkeiten durchzogenen Saison des Serienmeisters. PSG startete schlecht in die Spielzeit und zeigte auch nach dem Trainerwechsel von Tuchel zu Pochettino in erschreckender Regelmäßigkeit kollektive Ausfallerscheinungen und kaum zu erklärende Nichtleistungen. Der Auswärtssieg in Brest am letzten Spieltag reichte am Ende nur zu Rang zwei. Der Hauptstadtklub verpasste es somit, die insgesamt zehnte Meisterschaft der Vereinsgeschichte einzufahren und damit Rekordmeister St. Etienne einzuholen.

Nun droht der große Umbruch

Für Lille schließt sich im Übrigen ein Kreis. Der Klub war 1933 der erste französische Meister nach Einführung des Ligasystems, nun feiert er seinen insgesamt fünften Titel. Man könnte sagen: Die vorerst letzte Patrone saß. Denn nach der Erfolgssaison droht der große Umbruch. Im Winter entging man nur knapp einer Insolvenz, der luxemburgische Eigentümer verkaufte den LOSC an einen Investmentfonds. Einige Leistungsträger werden nur schwer zu halten sein, Geld fehlt. Der Verein will künftig auf die Jugendarbeit setzen.

Auch Trainer Galtier, der Lille im Dezember 2017 auf einem Abstiegsplatz übernahm, steht Medienberichten zufolge vor dem Absprung. Sein Vertrag läuft aus, Olympique Lyon und der OGC Nizza sollen heftig um ihn buhlen. Sportdirektor Campos hat sich bereits im Dezember verabschiedet, das von ihm zusammengestellte Team hat den Titel ohne ihn gewonnen. Für Campos nichts Neues. So war es nämlich auch damals in Monaco.

Michael Bächle

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