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Proteste gegen 777 Partners: Ultras erzwingen Spielabsage in Lüttich

Herthas US-Investor in Belgien immer schwerer unter Druck

Proteste gegen 777 Partners: Ultras erzwingen Spielabsage in Lüttich

Ein Protestbanner gegen 777 vor dem Lütticher Stadion.

Ein Protestbanner gegen 777 vor dem Lütticher Stadion. IMAGO/Photo News

Bereits am Freitagnachmitag war klar, dass der Abend nicht reibungslos verlaufen würde. Da hatten Standard Lüttichs Ultra-Gruppierungen Ultras Inferno und PHK (Publik Hysterik Kaos) massive Protestaktionen angekündigt, die sie am Abend in die Tat umsetzten. Mehrere hundert Fans blockierten die Zufahrt der Mannschaft von Standard Lüttich vom Quartier ins Stade de Sclessin, am Stadion wurden mehrere Protest-Banner gegen Klub-Investor 777 Partners ("777 Go Home") aufgehängt. Vor der Akademie des Traditionsvereins versammelten sich zahlreiche Fans, nach Angaben der belgischen Tageszeitung Het Laatste Nieuws detonierten dort mehrere Knallkörper. Standard-CEO Pierre Locht scheiterte mit seinem Versuch, die Lage zu beruhigen und die Fans zu besänftigen.

Im Stadion wärmten sich lediglich die Spieler von Gegner KVC Westerlo auf, während der Standard-Bus den Zielort nicht erreichte. Nach der von den Statuten vorgesehenen Wartezeit von 30 Minuten wurde die Conference-League-Play-off-Partie der Jupiler Pro League offiziell abgesagt. "Das sind besondere Umstände", hatte Westerlo-Coach und Ex-Hertha-Profi Bart Goor bereits vor der Absage erklärt. "Eine Situation wie diese macht nie Spaß. Nicht den Fans, aber auch nicht dem Fußball." Neben der Spielwertung - im Raum steht ein mögliches 0:5 - droht Standard wegen des Nichtantritts auch ein Strafgeld.

Unmut etlicher Standard-Fans gegen 777 Partners erreicht Höhepunkt

Vor etwas mehr als zwei Jahren war die in Miami ansässige US-Investmentgesellschaft 777 Partners als Mehrheitseigner beim Europacup-Finalisten von 1982 eingestiegen, hatte in der Folge aber weder sportlich noch wirtschaftlich den Turnaround geschafft. Der Unmut etlicher Standard-Fans gegen 777 Partners hatte in dieser Woche einen vorläufigen Höhepunkt erreicht, nachdem die Tageszeitung Le Soir über ausgebliebene April-Gehälter berichtet hatte und der Investor allem Anschein nach nicht nur in Lüttich mit immer neuen Brandherden zu kämpfen hat.

So war in den vergangenen Tagen durch eine Veröffentlichung der New York Times publik geworden, dass Leadenhall Capital Partners, ein in London ansässiger Vermögensverwalter, der 777 Partners über 600 Millionen US-Dollar geliehen haben soll, vor einem Bundesgericht in New York Klage gegen 777 Partners eingereicht hat. Dabei geht es um 350 Millionen US-Dollar an Vermögenswerten, mit denen 777 Partners die Kredite abgesichert haben soll, obwohl man diese Gelder angeblich nicht besaß oder sie angeblich bereits an andere Gläubiger verpfändet gewesen seien. Leadenhall, so heißt es, werfe 777 Partners "bestenfalls ein riesiges Hütchenspiel und schlimmstenfalls ein regelrechtes Schneeballsystem vor".

Übernahme von Everton droht zu scheitern

Unabhängig davon soll im November vergangenen Jahres das US-Justizministerium, so berichtete zuerst die News-Website Semafor, eine Untersuchung wegen möglicher 777-Verstöße gegen die US-Geldwäschegesetze eingeleitet haben. Im Februar war überraschend 777-CFO Damien Alfalla zurückgetreten. Die seit Monaten vorbereitete Übernahme des Premier-League-Klubs FC Everton, wo 777 die Anteile von Owner Farhad Moshiri (94,1 Prozent) erwerben will, droht unterdessen zu scheitern.

Everton sollte im Sport-Portfolio der Investment-Gesellschaft, die seit Wochen auch bei ihren Airline-Beteiligungen unter Druck steht, das entscheidende Puzzlestück werden. Aktuell gehören neben Standard Lüttich und dem deutschen Zweitligisten Hertha BSC, wo die US-Amerikaner seit März 2023 78,8 Prozent der Anteile der in eine Kommanditgesellschaft ausgegliederten Profi-Abteilung halten, auch CFC Genua, der FC Sevilla, Melbourne Victory, Vasco da Gama und das vor wenigen Tagen in die zweite französische Liga aufgestiegene Red Star Paris zum Portfolio.

Rund um Standard Lüttich halten sich bereits seit Wochen Verkaufsgerüchte, die durch die Vorkommnisse dieser Woche neue Nahrung erhalten haben. Der belgische Journalist Sacha Tavolieri berichtete am Freitag, Standard stehe zum Verkauf. In Berlin, wo von dem im Vorjahr mit 777 Partners vereinbarten Investitionsvolumen von 100 Millionen Euro inzwischen drei Viertel an den Klub geflossen sind, soll 777 Partners die ausstehenden 25 Millionen Euro laut Vertrag im Verlauf der Saison 2024/25 zahlen. Der finanziell stark angeschlagene Bundesliga-Absteiger hatte die Zweitliga-Lizenz vor einem Jahr mutmaßlich nur dank des 777-Einstiegs erhalten.

Steffen Rohr