Int. Fußball

PowerPoint und Premier League: Janelt erklärt das Prinzip Brentford

Ex-Bochumer im Interview

PowerPoint und Premier League: Janelt erklärt das Prinzip Brentford

Seit Oktober in London und schon Schlüsselspieler: Vitaly Janelt.

Seit Oktober in London und schon Schlüsselspieler: Vitaly Janelt. imago images

Herr Janelt, wenn ich "Moneyball" sage, klingelt es wahrscheinlich bei Ihnen.

Selbstverständlich.

Der FC Brentford sucht seine Spieler nach statistischen Werten aus und wird deshalb gerne mit Billy Beane, den Oakland Athletics und dem Hollywood-Film "Moneyball" in Verbindung gebracht. Welche Statistiken sprachen im vergangenen Sommer für Sie, als Sie vom VfL Bochum nach West-London wechselten?

Ich hatte in Bochum nicht sehr viel gespielt, dafür aber in der U-21-Nationalmannschaft. Als wir uns per Facetime mit den Verantwortlichen in Brentford unterhielten, zeigten sie mir also hauptsächlich Material aus der U 21, nur ein paar Szenen aus Bochum. Für mich sprach, dass ich ein agiler und aggressiver Mittelfeldspieler bin. Sie wollten mich eigentlich als Achter für das vorgesehene 4-3-3 verpflichten.

Aber?

Am 4. Spieltag, als ich gerade erst da war, hat sich Christian Nörgaard, der eigentliche Sechser, schwer am Knöchel verletzt. Ich sprang ein und spiele dort seitdem, weil ich es vernünftig mache. Aber eigentlich sollte ich als Achter kommen.

Wir sind eine von drei, vier Mannschaften, die versucht, Fußball zu spielen.

Janelt

Wie lautete denn die Vorgabe bei den Gesprächen?

Mir wurden vor den Gesprächen ein Video, so sieben bis acht Minuten über den Klub und die Historie, und eine PowerPoint-Präsentation, circa acht Seiten, geschickt. Dort standen unter anderem die Werte, die von mir verlangt wurden. Wie viele Tore ich als Sechser idealerweise erzielen sollte, wie viele als Achter.

Und zwar?

Wenn ich mich nicht täusche, waren es sechs Tore und sechs Vorlagen als Sechser und acht Tore und acht Vorlagen als Achter. So ungefähr.

Einfach zu merken. Wurden diese Zahlen einfach mal so ausgewählt oder basierten sie auch auf bestimmten Kalkulationen?

Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht so genau. Ich gehe davon aus, dass sie das auf jede Position abgestimmt haben, weil vor der Saison immer kalkuliert wird: Wie viele Punkte brauchen wir für den Aufstieg? Wie viele Tore müssen wir schießen? Wie viele dürfen wir maximal kassieren? Ist ja klar, dass es in der Saison auch immer anders laufen kann oder auch wird, aber nach diesem Prinzip wird zumindest geplant. Und so fallen dem Sechser dann sechs Tore zu.

Sie stehen bisher "nur" bei zwei Toren und zwei Vorlagen.

Vitaly Janelt

Vitaly Janelt ist als Sechser beim FC Brentford gesetzt. imago images

Aber es stehen ja noch über 15 Spiele aus! (grinst) Man muss nur mal auf unseren Stürmer schauen. Ivan (Toney, d. Red.) hat jetzt schon 23 Tore, so viele waren für seine Position wahrscheinlich am Ende eingeplant. Von daher kompensieren wir das ja ganz gut.

Brentford hat nach 21 Spielen ohne Niederlage am Wochenende gegen Barnsley verloren, ist trotzdem Zweiter und voll auf Aufstiegskurs. Der VfL Bochum aber ebenfalls. Wie bewerten Sie den Schritt von der deutschen in die englische zweite Liga nach den ersten vier Monaten?

Total positiv! Ich hatte von Anfang an ein gutes Gefühl, die Premier League war immer mein Traum, da wollte ich unbedingt hin. Und jetzt haben wir hier die große Chance.

Während Sie kamen, gingen mit Ollie Watkins (Aston Villa) und Said Benrahma (West Ham) die besten Spieler der Vorsaison für knapp 60 Millionen Euro. Lautete die Zielvorgabe trotzdem sofort Aufstieg?

In der letzten Saison waren sie ja nur knapp gescheitert (im Play-off-Finale gegen Fulham, d. Red.), und auch vorher hat der Klub schon viele wichtige Spieler abgegeben. Natürlich war das Ziel deshalb der Aufstieg. Und jetzt sieht man ja die Tabelle. Da sollte der Aufstieg drin sein, am besten der direkte. Damit wir die Kopfschmerzen der letzten Saison vermeiden können. (grinst)

Der FC Brentford macht viele Dinge anders als die Konkurrenz. Was wussten Sie schon über den Verein?

Ich kannte den Verein, aber mehr auch nicht. Von Statistiken und der Methode, quasi unentdeckte Spieler für wenig Geld zu holen und für das Zehnfache zu verkaufen, habe ich dann auch erst in den Gesprächen erfahren.

Matthew Benham

Wettmillionär und Klubbesitzer: Matthew Benham. imago images

Besitzer Matthew Benham wurde mit Sportwetten reich und hat sowohl in Brentford als auch beim FC Midtjylland in Dänemark das "Moneyball"-Prinzip angewandt. Haben Sie ihn kennengelernt?

Tatsächlich noch nicht. Ich weiß auch nicht, wie involviert er hier ist.

Welche Rolle spielen die statistischen Ansätze im Alltag des FC Brentford?

Wenn ich ehrlich bin, kann ich das so richtig noch gar nicht beantworten, weil wir, seitdem ich hier bin, eigentlich alle drei Tage ein Spiel haben. Da bleibt zwischen An- und Abreise, Regeneration und allem gar nicht so viel Zeit für spektakuläre Video-Analysen. Natürlich führt der Trainer viele Einzelgespräche und zeigt dir auch, wo du dich noch verbessern musst, aber im Prinzip nimmt sich das nicht so viel von anderen Teams, sofern ich das beurteilen kann.

Wie spiegelt sich das in der taktischen Herangehensweise wider? Ist Ihr Trainer, Thomas Frank, auch ein Mathematik-Freak?

Wir sind schon mal eine der wenigen Mannschaften, die nicht mit einer Raute spielt und eine von drei, vier Mannschaften, die versucht, Fußball zu spielen. Das hat nichts mit "Kick and Rush" zu tun. Thomas möchte, dass wir immer eine Lösung finden. Egal, ob ein Gegner gegen uns Pressing spielt oder tief steht. Letzteres ist meistens der Fall. Jeder weiß, was er auf seiner Position zu tun hat. Wir haben zwar die feste Grundordnung im 4-3-3, variieren aber durchaus auf den Positionen. Wir waren nicht umsonst 21 Spiele lang ungeschlagen.

Es heißt, Standard-Situationen genießen einen besonders hohen Stellenwert in der Vorbereitung.

Thomas Frank

Der Hauptakteur der "dänischen Connection": Trainer Thomas Frank. imago images

Das stimmt. Wir haben unsere eigenen Varianten, aber ich glaube nicht, dass ich die verraten darf. (lacht)

Wir wollen keinen Ärger bekommen, dann weiter. Ihr Trainer ist Däne, zahlreiche Spieler kommen aus Dänemark. Sind die Wurzeln zum "Schwesternklub" Midtjylland also spürbar?

Ich bin ja noch nicht allzu lange hier, aber es gibt schon so was wie eine "dänische Connection". Ich weiß noch, dass Midtjylland zumindest ein Thema damals bei den Gesprächen mit mir war.

Inwiefern?

Mir wurde gesagt, dass es, wenn es nicht so läuft wie erwartet, immer noch die Möglichkeit gebe, zum Partner-Klub nach Dänemark zu gehen und dort Spielpraxis zu sammeln. Da wäre ich auch nicht der erste Spieler gewesen. Aber im Alltag spürt man jetzt nicht unbedingt die Verbindung zu Midtjylland.

Was spricht im Aufstiegskampf mit Norwich, Swansea, Watford und Co. für Ihr Team?

Wie wir mit dem Ball spielen und wie wir verteidigen. Wir hatten zum Beispiel gegen Barnsley eine Szene, als wir tief in der Nachspielzeit zurücklagen und alles nach vorne geworfen hatten, die ganze Mannschaft dann aber beim gegnerischen Konter noch mit nach hinten gesprintet ist, obwohl wir sowieso keinen Punkt mehr holen konnten. Dieser Hunger spricht definitiv für uns. Jeder weiß, was möglich ist. Jeder hat Bock. Wir sind bereit.

Und wenn Klubbesitzer Benham jetzt wetten müsste: Sollte er sein Geld lieber auf den Bochumer oder auf Brentfords Aufstieg setzen?

Sehr gute Frage! Wie wäre es mit beiden? Er sollte auf beide setzen.

Interview: Mario Krischel