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Paris 2024? Bach erwartet Wunderbares und sieht kaum Probleme

IOC-Präsident beruft sich bei russischen und belarussischen Athleten auf Menschenrechte

Paris 2024? Bach erwartet Wunderbares und sieht kaum Probleme

Freut sich auf tolle Spiele: Thomas Bach.

Freut sich auf tolle Spiele: Thomas Bach. picture alliance/KEYSTONE

Wenn man Weltverbandsbossen im Vorfeld von sportlichen Großereignissen so lauscht - siehe etwa FIFA-Präsident Gianni Infantino vor der WM in Katar -, bekommt man den Eindruck, dass die betreffende Veranstaltung in allen Belangen super, toll und großartig wird. Oder noch besser als das. Superlative sind jedenfalls eher die Regel als die Ausnahme und Probleme eher nicht existent, schon gelöst oder auf direktem Weg zur Lösung, als ernsthaft problematisch.

So sprach IOC-Präsident Thomas Bach am Dienstag im Rahmen einer digitalen Konferenz mit Medienvertretern aus aller Welt in den höchsten Tönen über die olympischen und paralympischen Spiele 2024 in Paris. Erstmals werden die nacheinander stattfindenden Wettbewerbe von Athletinnen und Athleten mit und ohne Behinderung gemeinsam beworben. Einer der Vorzüge des Events in Frankreichs Hauptstadt, die Bach in seinem rund sechsminütigen Monolog zu Beginn der Medienrunde anpries.

"Meine Erwartungen an die olympischen und paralympischen Spiele 2024 in Paris sind die von vielen Millionen Menschen auf der ganzen Welt: Wir wollen wieder zusammenkommen nach der Pandemie und wir alle spüren schon ein Jahr vor der Eröffnungszeremonie eine große Vorfreude", meinte Bach zu Beginn. Unter den Dingen, auf die sich das Publikum Bachs Ausführungen konkret freuen da, klingen einige tatsächlich nach bemerkenswertem Fortschritt.

Geschlechtergleichheit und "grüne" Energie

Paris 2024 werden demnach die ersten Spiele mit exakter Geschlechtergleichheit bei der Zahl der Teilnehmenden. 95 Prozent der Wettkampfstätten existieren bereits, oder werden nur temporär errichtet. In Frankreichs Hauptstadt ist für das Event die Nutzung von 100 Prozent erneuerbarer Energien geplant. Insgesamt soll sich dadurch der ökologische Fußabdruck von Olympia um die Hälfte reduzieren, verglichen mit dem Durschnitt der Spiele 2016 in Rio de Janeiro und 2012 in London.

Bach kündigte zudem urbane olympische Spiele an, die nicht in der Peripherie, sondern im Herzen der Metropole stattfänden. So wird in Paris die Eröffnungsfeier erstmals nicht im Stadion, sondern als Parade auf der Seine zelebriert. "Das wird ein sensationelles Willkommen für die besten Athleten der Welt mit hunderttausenden von Zuschauern an den Flussufern. Bei der Vorstellung, wie sich die Athleten bei diesem speziellen Moment fühlen werden, habe ich jetzt schon Gänsehaut", sagte Bach.

Paris 2014 stehe für Inklusion, große Offenheit und Teilhabe, etwa durch den "Marathon für alle", bei dem die 40.000 Teilnehmenden am selben Tag auf dem Olympia-Kurs ihr Rennen laufen dürfen. Zudem gehe es durch die jungen Disziplinen Breakdance, Surfen, Klettern und Skateboarding auch jugendlich zu bei Olympia.

Kurzum: "Paris 2024 wird eine neue Ära von olympischen und paralympischen Spielen in Gang setzen und andere Großereignisse inspirieren. Wir können uns auf eine spektakuläre Feier unserer Einheit in der Welt in all unserer Verschiedenheit freuen", gab Bach ein Jahr vor der Eröffnung keine allzu bescheidene Prognose ab.

Probleme werden relativiert - oder wegmoderiert

Die anschließend in der Fragerunde angesprochenen Probleme relativierte er oder moderierte sie routiniert ab. Im selben gesetzten Duktus, in dem er zuvor die enthusiastischen Ankündigungen ausgesprochen hatte.

Die häufigen, teils heftigen, aus unterschiedlichen Gründen auftretenden sozialen Unruhen und Ausschreitungen in Frankreich, besonders in Paris? Bach hat deswegen keine Sicherheitsbedenken. "Wir haben gesehen, dass diese Unruhen in den letzten zwei Jahren, nicht in Zusammenhang mit den Spielen gestanden haben", sagte der 69 Jahre alte Jurist.

Olympia stoße auf breite Zustimmung in der Bevölkerung, er sehe die Spiele daher nicht "als primäres Ziel". Das Organisationskomitee habe zudem mit den französischen Gewerkschaften eine Vereinbarung getroffen, dass diese die Spiele nicht für ihre Auseinandersetzungen nutzen werden. Erneut ausbrechende Unruhen aus anderen Gründen könne man aber natürlich nicht ausschließen.

Wir haben die Verantwortung, Athleten nicht für die Handlungen ihrer Regierungen zu bestrafen.

Thomas Bach

Und die emotionale und heikle Debatte um die mögliche Teilnahme russischer und belarussischer Sportler? Hier betonte Bach mehrmals, dass man auch mit Blick auf die Menschenrechte Athleten nicht wegen ihrer Nationalität diskriminieren dürfe.

"Wir haben die Mission, alle Athleten der Welt in einem friedlichen Wettbewerb zu vereinen. Wir haben die Verantwortung, Athleten nicht für die Handlungen ihrer Regierungen zu bestrafen", betonte Bach. So habe man bisher auch bei anderen militärischen Konflikten oder Kriegen gehandelt, etwa jene zwischen Äthiopien und Eritrea oder Aserbaidschan und Armenien.

Es gebe laut dem IOC-Präsidenten breite Zustimmung aus der weltweiten Sportgemeinschaft und auch der G7-Staaten für den Ansatz, russischen und belarussische Athleten unter der Bedingung eines neutralen Gesamtauftritts wieder zuzulassen.

Belarus und Russland werden sanktioniert

Gleichzeitig sanktioniere man die für den Krieg in der Ukraine verantwortlichen Länder Russland und Belarus, indem dort aktuell keine internationalen Wettkämpfe stattfänden, keine Mannschaften dieser Nationen für internationale Wettbewerbe zugelassen seien und auch der im Jahr 2001 erhaltene olympische Orden Wladimir Putins annulliert worden sei, erklärte Bach.

Ob diese Argumente die Kritiker dieses Vorgehens und insbesondere die Ukraine und ihre Athleten, an deren Boykott Bach übrigens nicht glaubt, überzeugen werden, bleibt abzuwarten.

Genauso, ob Olympia 2014 tatsächlich ein weltumspannendes, friedliches Fest der Einheit wird. Einerseits klingen Bachs Visionen im Lichte der gegenwärtigen Lage auf dem Globus zu schön, um wahr zu werden.

Hoffen, dass ihnen die Realität zumindest nahekommt, sollte man aber unbedingt, hat doch der Sport nach wie vor eine ungeheure verbindende Kraft, trotz aller möglichen Differenzen. Und sei es nur für den Zeitraum dieser Weltspiele. Die Frage der Nachhaltigkeit von Einheit und Verbindung muss ohnehin an politischen Stellen verhandelt werden.

Carsten Schröter-Lorenz

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