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Özil kritisiert Medien und Sponsoren - "Persönliche Grenze überschritten"

Die zweite Stellungnahme im Wortlaut

Özil kritisiert Medien und Sponsoren - "Persönliche Grenze überschritten"

Enttäuschung nach dem WM-Aus: Mesut Özil.

Enttäuschung nach dem WM-Aus: Mesut Özil. imago

Auch die Doppelmoral einiger Medien kritisierte er, denn bei Lothar Matthäus' Treffen mit einem "weiteren führenden Politiker der Welt" (Özil meint wohl Wladimir Putin) hielt sich die mediale Kritik in Grenzen. Offen fragt Özil, ob Matthäus nicht der Titel des "DFB-Ehrenspielführers" aberkannt gehöre.

Zudem zeigt sich der Arsenal-Profi enttäuscht über einige Sponsoren, die aufgrund der Erdogan-Affäre Projekte mit Özil einstellten.

Spielersteckbrief Özil
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Trainersteckbrief Löw
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Löw Joachim

In Teil 1 seiner Stellungnahme hatte Özil zu den Fotos mit dem türkischen Präsidenten Erdogan Stellung bezogen.

Die Stellungnahme von Teil 2 in der deutschen Übersetzung

"Ich weiß, dass ich ein Fußballer bin, der in den wohl drei härtesten Ligen der Welt gespielt hat. Ich kann mich glücklich schätzen, so großartige Unterstützung von meinen Teamkollegen und meinem Trainerstab während meiner Zeit in der Bundesliga, La Liga und der Premier League erhalten zu haben. Zusätzlich habe ich während meiner gesamten Karriere gelernt, mit den Medien umzugehen. Viele Menschen sprechen über meine Auftritte - viele applaudieren, viele kritisieren. Wenn eine Zeitung oder Experten Fehler in einem Spiel, in dem ich mitspiele, finden, kann ich das akzeptieren. Ich bin kein perfekter Fußballer und oftmals motiviert mich das, härter zu arbeiten und zu trainieren. Aber was ich nicht akzeptieren kann, dass deutsche Medien stellvertretend für eine schlechte WM-Endrunde wiederholt meine deutsch-türkische Herkunft und ein einfaches Foto kritisieren.

Manche deutsche Zeitungen benutzen meinen Hintergrund und das Foto mit Präsident Erdogan als rechtsgerichtete Propaganda, um ihre politischen Absichten voranzutreiben. Warum auch sonst haben sie Bilder und Überschriften mit meinem Namen als direkte Erklärung für die Pleite in Russland verwendet? Sie haben nicht meine Leistung kritisiert, sie haben nicht die Leistung der Mannschaft kritisiert, sie haben nur meinen türkischen Hintergrund und meinen Respekt vor meiner Erziehung kritisiert. Dies überschreitet eine persönliche Grenze, die niemals überschritten werden sollte: Zeitungen versuchen, die deutsche Nation gegen mich aufzubringen.

Was ich ebenfalls sehr enttäuschend finde, sind die zweierlei Maße, mit denen die Medien messen. Lothar Matthäus (DFB-Ehrenspielführer) hat sich mit einem anderen führenden Politiker getroffen und wurde dafür in den Medien kaum kritisiert. Trotz seiner Rolle in der deutschen Nationalmannschaft haben sie (die Medien, Anm. d. Red.) von ihm nicht gefordert, dass er sich der Öffentlichkeit erklären solle. Er repräsentiert die deutschen Nationalspieler weiterhin ohne Maßregelung. Wenn die Medien glauben, dass ich den WM-Kader verlassen hätte müssen, hätte er dann nicht auch seiner Ehrenspielführerschaft enthoben werden sollen? Macht meine türkische Herkunft mich zu einem lohnenswerteren Ziel?

Ich habe immer gedacht, dass eine "Partnerschaft" Unterstützung bedeutet - sowohl in guten als auch in harten Zeiten. Kürzlich habe ich meine ehemalige Schule, die Berger-Feld-Schule in Gelsenkirchen mit zwei meiner Charity-Partner besuchen wollen. Ich habe vor einem Jahr ein Projekt gegründet, dass Einwanderer-Kinder, Kinder aus armen Familien und alle anderen Kinder miteinander Fußball spielen und soziale Regeln für ihr Leben lernen können. Wenige Tage vor unserer geplanten Abreise jedoch haben mich meine sogenannten "Partner" im Stich gelassen, da sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit mir arbeiten wollten. Um dies hinzuzufügen: Die Schule hat mein Management informiert, dass sie mich nicht mehr bei ihnen haben möchten, da sie aufgrund meines Fotos mit Präsident Erdogan die Medien, speziell die "rechts-gerichteten Parteien, die in Gelsenkirchen stärker werden", fürchten. Um ehrlich zu sein - das schmerzt. Obwohl ich einst ein Schüler auf dieser Schule war, kam ich mir ungewollt und ihrer Zeit unwürdig vor.

Darüber hinaus hat sich ein weiterer Sponsor von mir losgesagt. Weil dieser ebenfalls ein DFB-Sponsor war, wurde ich gefragt, ob ich in Werbefilmen im Zuge der WM-Endrunde mitwirken würde. Allerdings nahmen sie mich nach meinem Foto mit Präsident Erdogan aus der Kampagne heraus und sagten alle geplanten Werbeaktivitäten mit mir ab. Für sie war es nicht länger von Vorteil, mit mir gesehen zu werden und sie nannten diese Situation "Krisenmanagement". Das ist deswegen ironisch, weil ein deutsches Ministerium ihre Produkte als illegal bezeichnet hat und ihre Software als illegal und unautorisiert, was ihre Kunden einem Risiko aussetzen würde. Hunderttausende ihrer Produkte werden zurückgerufen. Während ich vom DFB kritisiert wurde und meine Handlungen rechtfertigen sollte, wurde keine offizielle und öffentliche Stellungnahme von dem DFB-Sponsor eingefordert. Warum? Liege ich richtig, dass dies schlimmer ist als ein Foto mit dem Präsidenten des Landes meiner Eltern? Was sagt der DFB zu alldem?

Wie ich schon sagte, "Partner" sollten in jeder Situation zu dir halten. Adidas, Beats und BigShoe haben sich extrem loyal verhalten und es war was großartig, mit ihnen in dieser Zeit zusammenzuarbeiten. Sie haben sich von dem ganzen Unsinn in deutschen Zeitungen und Medien abgehoben und wir haben unsere Projekte in so einer professionellen Weise durchgeführt, dass ich glücklich war, ein Teil davon gewesen zu sein. Während der WM habe ich mit BigShoe zusammengearbeitet und habe mitgeholfen, dass 23 kleine Kinder lebensverändernde Operationen erhalten. So wie ich es bereits zuvor in Brasilien und Afrika getan habe. Das ist für mich das Wichtigste, was ich als Fußballer tun kann, dennoch haben die Zeitungen keinen Platz gefunden, diesen Dingen Aufmerksamkeit zu verschaffen. Für sie war es wichtiger, dass ich ausgebuht werde oder ein Foto mit einem Präsidenten gemacht habe, als Kindern zu helfen, in der ganzen Welt Operationen zu bekommen. Sie hätten ebenfalls eine Plattform sein können, um dem Aufmerksamkeit zu verschaffen und Spenden zu sammeln, aber sie haben sich dagegen entschieden."

kon

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