Am Wochenende steigt der THW wieder in den Ligabetrieb ein. Bezeichnend, dass die Zebras da schon drei Pflichtspiele in den Knochen haben. Dem deutlichen Auftaktsieg in der Champions League in Zagreb (31:21) folgte sieben Tage später die unerwartete Heimniederlage gegen HBC Nantes (27:35). Bereits am vergangenen Samstag bekamen die Kieler aber die Chance, sich im Supercup-Derby gegen die SG Flensburg-Handewitt zu rehabilitieren. Das 28:24 im 102. Nord-Derby war ein erster, kleinerer Warnschuss in Richtung Konkurrenz. Garant für den ersten Titel der neuen Saison 2020/21 war mit Sander Sagosen der einzige Sommer-Neuzugang - der die Qualität beim THW aber kurz- wie mittelfristig heben wird.
Allerdings machten die ersten drei Pflichtspiele der Kieler auch deutlich, dass Sagosen alleine nicht reichen wird. In Zagreb und gegen Flensburg (je sieben Tore) überragte der norwegische Superstar, bei der auch überraschend deutlichen Niederlage gegen Nantes gelangen dem 25-Jährigen "nur" vier Treffer. Die Last und Verantwortung muss gerade mit Blick auf das Mammutprogramm der kommenden Monate auf mehr als zwei Schultern verteilt werden. "Sander ist aktuell der beste und kompletteste Handballer der Welt", lobte THW-Spielmacher Domagoj Duvnjak den Neuankömmling. Und wie sieht es auf den ganzen Kader gesehen aus?
Im Tor hat der THW mit dem aktuellen Welthandballer Niklas Landin und Backup Dario Quenstedt das vielleicht stärkste Duo der Liga als Rückhalt. Auf Linksaußen sind Magnus Landin und Rune Dahmke auch erfahren und stark genug für internationale Aufgaben. Dahmke war übrigens auch ein Faktor beim Sagosen-Transfer: Der Europameister von 2016 ist mit der norwegischen Welthandballerin Stine Oftedal liiert, deren Schwester Hanna Sagosens Freundin ist. "Das passt auch familiär super", gestand Sagosen ein.
Bilyk kann Sagosen nicht entlasten
Im linken Rückraum ist Sagosen nun neuer Fixpunkt, neben seiner Sprung- und Wurfgewalt besticht der Rechtshänder auch immer wieder durch seine grandiose Übersicht - zu spüren bekam das auch die deutsche Nationalmannschaft im Halbfinale gegen Norwegen (25:31) bei der Heim-WM 2019. Allzu viel Entlastung wird es für Sagosen in den kommenden Monaten nicht geben, Nikola Bilyk riss sich im Training Ende August das Kreuzband und wird monatelang fehlen. Zudem ließ man im Sommer das schwedische Top-Talent Lukas Nilsson zu den Rhein-Neckar Löwen ziehen. Pavel Horak wird auch in der Saison 2020/21 hauptsächlich mit Abwehraufgaben betraut sein.
Auf der Mitte hat der THW mit Domagoj Duvnjak und Miha Zarabec zwei unterschiedlich, sich dabei aber durchaus ergänzende Spielgestalter. Duvnjak besticht seit Jahren mit unbändigem Willen und Wurfkraft, Zarabec dagegen ist mit seiner Wendigkeit und seinen 1,78 Metern nur schwer für den Mittelblock zu greifen. Ganz ähnlich ergänzen sich auch Steffen Weinhold und Harald Reinkind im rechten Rückraum. Während der Norweger Reinkind über Sprungkraft und Wurfgewalt kommt, geht Weinhold vor allem dahin, wo es wehtut. Der 34-Jährige schont sich und seinen Körper nicht, holt oftmals auch wichtige Zeitstrafen für den Gegner heraus.
Auf Rechtsaußen wartet Kiel in dieser Saison nach dem Abgang von Backup Ole Rahmel (Benfica Lissabon) mit Youngster Sven Ehrig hinter Weltklasse-Außen Niclas Ekberg auf. Am Kreis ist der THW mit Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler gleichwertig besetzt. Beide sind auch Leistungsträger in der deutschen Nationalmannschaft und kennen sich bestens.
Dauerthema Dauerbelastung
Ein Problem, das alle Bundesligisten besonders in Corona-Zeiten teilen: Aufgeblähte, tief besetzte Kader gehören - zumindest vorübergehend - der Vergangenheit an. Würden sich zwei, drei Leistungsträger verletzen, was angesichts der Dauerbelastung nicht auszuschließen ist, bekäme auch der THW Probleme. Gerade weil es nicht wie in anderen europäischen Ligen kaum Konkurrenz gibt - in der Bundesliga wollen immer mehr Vereine ganz oben mitmischen.
