Nationalelf

"Manche Vereine müssen sich fragen: Für was stehen wir?"

Bundestrainer Löw im Interview

"Manche Vereine müssen sich fragen: Für was stehen wir?"

Spricht im kicker: Bundestrainer Joachim Löw.

Spricht im kicker: Bundestrainer Joachim Löw. imago images

Am 2. August kann Joachim Löw auf 15 Jahre beim DFB zurückblicken. Eine Zeit mit vielen Höhen, aber auch einigen schmerzhaften Tiefen. Im Interview mit dem kicker blickt der Bundestrainer kurz auf das WM-Jahr 2018 zurück und geht detailliert auf die Zukunft der deutschen Nationalmannschaft ein. Vor allem aber gibt der 59-Jährige einen spannenden Einblick in die Beurteilung seines Personals. Nichts deutet im Gespräch darauf hin, dass der Bundestrainer an den Folgen eines Sportunfalls laboriert, der ihn knapp eine Woche später zum Klinikaufenthalt und zum Verzicht auf die anstehenden EM-Qualifikationsspiele gegen Weißrussland und Estland zwingen würde.

Von Sparringspartnern will Löw vor den anstehenden Partien nicht reden. "Früher, als wir eine eingespielte Mannschaft hatten, sind wir zu solchen Spielen in der Überzeugung angetreten, dass wir uns den Gegner im Laufe des Spiels zurechtlegen und dann zuschlagen können. Da waren wir in der Lage, solche Spiele mit drei, vier Toren Unterschied zu gewinnen. Unsere jetzige Mannschaft mit sehr vielen jungen Spielern", gibt Löw zu, "ist noch nicht so gefestigt, diese Stabilität und dieses Selbstbewusstsein müssen sich erst noch entwickeln."

Bereits länger dabei und ein Fixpunkt in seinem Mannschaftsgefüge ist Bayerns Joshua Kimmich. Den sieht er dauerhaft im Zentrum: "Seine Giftigkeit, Aggressivität und defensive Denkweise haben uns vorher etwas gefehlt", so Löw. Etliche Beobachter haben bei der Kader-Nominierung Mario Götze nach dessen starker Rückrunde vermisst. Löw: "Ich freue mich wahnsinnig für ihn, dass er in der zweiten Saisonhälfte wieder einen sehr durchtrainierten Eindruck macht - er bleibt in unserem Blickfeld."

Der Bundestrainer hat aber auch die Bundesliga im Blick und macht sich hier besonders Gedanken über seinen Berufsstand. Gerade die vielen Trainerwechsel bewertet er kritisch. "Manche Vereine müssen sich fragen: Für was stehen wir? Was für einen Trainer wollen wir eigentlich? Und was ist unsere Philosophie? Daran krankt es, deshalb gibt es diese vielen Wechsel." Bei den Vereinen sollten sportliche Kompetenz und eine Philosophie im Vordergrund stehen, nach vier sieglosen Spielen aber werde oftmals alles über den Haufen geworden. "Das ist respektlos gegenüber den Trainern. Wird ein Trainer ständig angezweifelt, schadet das seiner Autorität", so Löw.

In der Montagsausgabe des kicker spricht Löw zudem über Davie Selke und seine Torquote, welche hohen Hindernisse Kai Havertz noch überspringen muss, und wo Leroy Sané und Timo Werner noch Luft nach oben haben.

Oliver Hartmann/Karlheinz Wild