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Theoretiker, Autor, Schattenmann: Spaniens Nationalcoach Robert Moreno

Luis Enriques Nachfolger im Porträt

Theoretiker, Autor, Schattenmann: Spaniens Nationalcoach Robert Moreno

Nahm den EM-Titel bereits ins Visier: Robert Moreno.

Nahm den EM-Titel bereits ins Visier: Robert Moreno. Getty Images

Wenn die Furia Roja am 5. September in Rumänien antritt, steht das bisherige 4-3-3-System auf ganz wackeligen Füßen. Denn dann heißt der nun auch hauptverantwortliche Trainer schließlich Robert Moreno, 41 Jahre alt, gebürtig aus Barcelona - und seit 2013 Buchautor. Der Titel: "Mein Rezept für ein 4-4-2".

In seinen drei Spielen als Hauptverantwortlicher gegen Malta (2:0), Färöer (4:1) und Schweden (3:0) beließ er es beim 4-3-3. Kein Wunder, Moreno befolgte da noch die Anweisungen des Mannes, der auch das Vorwort zu seinem Buch geschrieben hat: Luis Enrique. Dass Moreno nun der vierte Trainer in einem Jahr bei der Seleccion wird, weil sein langjähriger Förderer wegen familiärer Probleme dem Amt nicht mehr nachgehen konnte, bezeichnete Moreno als "bittersüß. Ich habe immer davon geträumt, irgendwann Cheftrainer zu werden, aber nicht auf diese Weise."

Keine große Trainerkarriere, keine Profi-Erfahrung

Man muss es ihm glauben, denn Enrique ist im Laufe der Jahre vom Förderer zum Freund geworden, und Moreno wäre ohne den 49-Jährigen garantiert heute nicht Spaniens Nationaltrainer. 2010 holte Enrique ihn als Co-Trainer zur zweiten Mannschaft des FC Barcelona. Der damals 32-Jährige hatte sich zuvor als Scout und Videoanalyst einen Namen gemacht, als Trainer weniger, auch wenn er schon im Alter von 14 Jahren damit begann. Doch regionalen Vereinen wie Penya Blaugrana Collblanc, L'Hospitalet, Castelldefels und Damm strahlten wahrlich nicht den großen Glanz aus, als Aktiver trat er ohnehin nie als Profi in Erscheinung.

Da waren sie noch unzertrennlich: Moreno und Luis Enrique beim Barça-Meisterkorso 2015.

Da waren sie noch unzertrennlich: Moreno und Luis Enrique beim Barça-Meisterkorso 2015. imago images

Halb so wild, denn Moreno, der Internationalen Handel studiert hat, besitzt das Talent des Theoretikers, und das ließ Praktiker Enrique nicht mehr los. Ihre Wege sollten sich kaum noch trennen: Als Enrique 2011/12 zur Roma wechselte, war Moreno dabei, ebenso bei der Station Celta Vigo (2013/14). Der große Moment für das Duo kam im Sommer 2014 - Barcelona klopfte an, Enrique und Moreno machten auf. 2015 gewannen sie mit den Blaugrana die Champions League, dazu kamen zwei Meistertitel und drei Pokalsiege. 2017 verließ Enrique Barça, genauso wie Moreno. Doch diesmal ging der Inhaber einer UEFA-Pro-Trainerlizenz eigene Wege, er kehrte zu Vigo zurück. Doch nicht etwa als Cheftrainer - Moreno wurde Assistent von Juan Carlos Unzue.

Spaniens Verband verliert Enrique und gewinnt Reputation zurück

Seit Sommer 2018 war das Duo wieder vereint, diesmal beim spanischen Verband. Der loyale Moreno hatte, nachdem Enriques Aus feststand, angeboten, ebenfalls die Koffer zu packen. Doch das wollten weder Enrique noch der RFEF: "Er war unsere erste Option", sagte Präsident Luis Rubiales am Mittwoch bei der Pressekonferenz, neben Moreno sitzend. Enrique fehlte, er wollte wohl nicht auf die genauen Gründe für seinen Rücktritt angesprochen werden. Es zeugt von beeindruckender Loyalität und Sensibilität, dass die offensichtlich sehr persönlichen Gründe für Enriques Entscheidung über keinerlei Quelle ans Tageslicht gekommen sind. Ein Reputationsgewinn für den viel gescholtenen Verband, der vor allem bei Lopeteguis Demission unmittelbar vor der WM keine glückliche Figur abgab.

Auch sportlich läuft es nach der völlig verpatzten WM wieder rund, fünf Punkte Vorsprung hat Spanien in der EM-Qualifikationsgruppe F vor dem zweitplatzierten Rumänien. Dort wird Moreno am 5. September erstmals raus aus dem Schatten treten müssen, auch wenn er sich laut eigener Aussage "weiterhin Rat" bei Enrique einholen wird. "Wir werden versuchen, die Arbeit von Luis Enrique auf den Höhepunkt zu führen und die Europameisterschaft zu gewinnen", sagte Moreno am Mittwoch.

Dass Moreno nach seinem Auftritt im Rampenlicht der Seleccion wieder ins zweite Glied zurückkehren wird, ist kaum vorstellbar. Die "Unzertrennlichen", wie die "Mundo Deportivo" Enrique und Moreno einst nannte, sie gehen von nun an getrennte Wege.

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Christoph Laskowski