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Muhammad Ali: Wie ein geklautes Fahrrad seine Karriere befeuerte

Box-Legende wäre am Montag 80 Jahre alt geworden

Muhammad Ali: Wie ein geklautes Fahrrad seine Karriere befeuerte

Muhammad Ali hätte am Montag (17. Januar) seinen 80. Geburtstag gefeiert.

Muhammad Ali hätte am Montag (17. Januar) seinen 80. Geburtstag gefeiert. Getty Images

Ihr Vater trägt Hana Ali auf seinen starken Armen durch die Menschenmenge, die grenzenlose Zuneigung verwirrt das Mädchen. "Ich spüre die Vibrationen des Applauses in meiner Brust", sagt Hana Ali über diese Kindheitserinnerung: "Ich sehe meinen Vater an und denke: Wer ist er?" Er ist Muhammad Ali, "der Größte" aller Zeiten.

Parkinson war sein letzter Gegner

Der Jahrhundertsportler würde am Montag seinen 80. Geburtstag feiern, hätte ihn die Parkinson-Krankheit nicht im Juni 2016 aus dem Leben gerissen. Zu seinen Ehren zeigt Arte derzeit eine herausragende Dokumentation über das Leben der Box-Legende. Sie beleuchtet den Aufstieg vom Klassenclown zum Weltstar und den Wandel vom vermeintlichen Vaterlandverräter zum Staatshelden. Ali war mehr als nur ein dreimaliger Schwergewichts-Weltmeister. Er war und ist ein Mythos, der die Zeit überdauert.

Ein geklautes Fahrrad als Karriere-Start

Alles beginnt mit einem gestohlenen Fahrrad in Louisville. Cassius Marcellus Clay Jr., wie Alis Geburtsname lautet, zeigt den Diebstahl beim Polizisten Joe Martin an. "Ich werde den Dieb umbringen", tönt der Teenager. Martin, der auch eine Boxschule betreibt, antwortet: "Weißt du denn, wie man kämpft?" Clay weiß es nicht, aber er lernt schnell. Und er ist schnell. Mit Füßen, Händen, Oberkörper - und dem Mund.

Cassius Clay ist anderes - und besser

"Ich werde eines Tages der Größte aller Zeiten", kündigt er als 40-Kilo-Hänfling nach dem ersten Amateurkampf an. Seine Goldmedaille 1960 in Rom ebnet ihm den Weg ins Profiboxen, wo er mit seinem unkonventionellen Stil schnell für Furore sorgt. Das Getänzel im Ring, die vollmundigen Vorhersagen der K.o.-Runden, die derben Beleidigungen - Clay ist anders. Und Clay ist besser.

Wie heiße ich?

Muhammad Ali

Im Februar 1964 stößt er Sonny Liston vom WM-Thron, auch wenn der es mit schmutzigen Tricks probiert. "Ich werde die Welt auf den Kopf stellen", sagt der neue Champion am Ring. Er steht nun öffentlich zu seinem muslimischen Glauben, den er schon länger heimlich in Moscheen der fragwürdigen Nation of Islam praktizierte. Er legt den "Sklavennamen" Cassius Clay ab und will fortan Muhammad Ali genannt werden. Herausforderer Ernie Terrell weigert sich - und kassiert dafür barbarische Prügel. "Wie heiße ich?!", brüllt ihm Ali nach jedem Schlaghagel entgegen.

Muhammad Ali: Bilder des Jahrhundert-Sportlers

Idol und Schurke

Junge schwarze Menschen beten ihn als Idol an, anderen macht Ali Angst. Seine Haltung im schwelenden Rassen-Konflikt der USA radikalisiert sich. Als er sich weigert, in den Vietnam-Krieg zu ziehen, weil ihn "kein Vietcong jemals als Nigger" bezeichnet habe und seine Religion es verbiete, ist Ali endgültig für viele ein Schurke.

Er erhält wegen Wehrdienstverweigerung eine fünfjährige Haftstrafe, die erst später aufgehoben wird. Drei Jahre besitzt er keine Boxlizenz, bei seiner Rückkehr in den Ring ist er ein anderer Fighter. Ali tänzelt nicht mehr. Und er lässt sich gehen.

Ali auf Abwegen - Heftige Ringschlachten mit Frazier

Vor dem Titelkampf gegen Joe Frazier im März 1971 beschäftigt sich der notorisch untreue Ali fast mehr mit Frauen als mit Training. Er holt sich seine erste Niederlage ab und kassiert wenig später gegen Ken Norton seine zweite. Eine "Strafe Gottes" für seine Sünden, meint Ali.

Er fokussiert sich wieder auf den Sport, gewinnt die Rückkämpfe gegen Norton und Frazier und stellt sich im Oktober 1974 George Foreman. Im "Rumble in the Jungle" in Zaire trickst Ali den Favoriten unter dem Jubel der Afrikaner ("Ali, bomaye" - Ali, töte ihn) mit einer Kontertaktik aus. Auch in den USA schlägt ihm plötzlich viel Sympathie entgegen, US-Präsident Gerald Ford lobt den einst Geächteten als "Mann mit Prinzipien".

Ein Schatten seiner selbst - "Ich will ihn nicht mehr kämpfen sehen"

Es ist der perfekte Zeitpunkt zum Rücktritt. Aber Ali, der windige Promoter wie Don King anzieht, hört nicht auf. Im "Thrilla in Manila" liefert er sich mit seinem Erzfeind Frazier über 14 Runden eine brutale Ringschlacht. Danach ist Ali nur noch ein Schatten seiner selbst und verliert gegen den ehemaligen Marine-Soldaten Leon Spinks. Ali nuschelt immer mehr, das Zittern wird stärker. Mutter Odessa Clay spricht aus, was viele denken: "Ich will ihn nicht mehr kämpfen sehen." Aber Ali kann nicht anders.

Ali gegen Foreman: "Rumble in the Jungle"

Er revanchiert sich zwar bei Spinks und wird zum dritten Mal Weltmeister, aber es folgen bemitleidenswerte Niederlagen gegen Larry Holmes und Trevor Berbick. Danach weiß auch Ali: "Die Zeit hat mich eingeholt."

Demut und ein Gänsehaut-Moment 1996 in Atlanta

Nach seinem Rücktritt diagnostizieren die Ärzte bei ihm Parkinson. Er wird demütig und zeigt sich versöhnlich. Die Herzen der Menschen gewinnt er endgültig bei Olympia 1996 in Atlanta, als er mit zitternden Händen das Feuer entzündet und drei Milliarden Zuschauern seine Zerbrechlichkeit offenbart. Zwanzig Jahre später stirbt Ali - aber sein Mythos lebt weiter.

kon/sid