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Missbrauch, Scheingeschäfte, Horten von Spielern: FIFA begrenzt Leihen

Vor allem England und Italien trifft das

Missbrauch, Scheingeschäfte, Horten von Spielern: FIFA begrenzt Leihen

Die FIFA hat die Leihen von Spielern begrenzt. 

Die FIFA hat die Leihen von Spielern begrenzt.  imago images/Geisser

Insofern müssen sich der FC Bayern und Co. nicht angesprochen fühlen ob der neuen Beschränkungen, die vorbehaltlich der Zustimmung des FIFA-Rats ab 1. Juli in Kraft treten sollen. Der Weltverband, der auf anderen Terrains seit Jahren heftig in der Kritik steht, greift durch gegen missbräuchliche Praktiken. Laut einem Sprecher will die FIFA "einer Reihe besorgniserregender Trends entgegenwirken, die insbesondere den Klubfußball in den letzten Jahren beeinträchtigt haben. Die FIFA ist zuversichtlich, dass das neue Leihreglement dazu beitragen wird, das Horten von Spielern zu verhindern". Hire and loan, also einstellen und weiterverleihen, nach diesem kruden Prinzip verfährt mancher Klub.

Nicht selten in allzu engem Geflecht mit einer der großen Vermittleragenturen. Nicht selten undurchsichtig, manchmal gar mit Schein-Zwischendeals zum Beispiel über Zypern wie bei den serbischen Talenten Luka Jovic oder Mijat Gacinovic, die später bei Eintracht Frankfurt landeten. Christian Heidel vergleicht das Gebahren mancher Vereine mit "einer Art Autovermietung, aber mit Fußballspielern".

Im Umkehrschluss würde die FIFA-Reform also dem Mietwucher ein Ende setzen. Der Sportvorstand von Mainz 05 begrüßt die Neuerung: "Ich finde die Reform nachvollziehbar und gut. Es gibt in der Tat Klubs, insbesondere in Italien und England, die in einer Periode 25 Spieler und viel mehr ausleihen. Klubs haben große Abteilungen dafür gegründet und Business-Pläne aufgestellt. Es gibt Spieler, die gehören fünf Jahre einem Klub und haben nicht einmal für diesen Klub gespielt, waren aber achtmal ausgeliehen." 

FIFA hat die Leihzeiträume konkretisiert

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Kurios: Die Rheinhessen selbst bewegen sich als kleiner Verein derzeit an der Grenze (siehe große Infofläche). Ab 1. Juli darf ein Verein während einer Saison maximal acht Profis aus- und acht verleihen. Ab 2023 liegt das Maximum bei sieben, ab 2024 bei sechs. 21-Jährige und Jüngere sind ausgenommen, ebenso im Verein selbst ausgebildete Profis.

Für diese kann eine Leihe förderlich sein, um beispielsweise in einer kleineren Liga Spielpraxis zu sammeln, sprich: Auch der Spieler profitiert, was bei Massen-Leihabteilungen selten der Fall ist. Zudem hat die FIFA die Leihzeiträume konkretisiert: mindestens die Zeit zwischen zwei Transferfenstern, also eine Halbserie, maximal eine Saison. Ursprünglich wollte der Weltverband sogar nur noch zwölfmonatige Leihgeschäfte zulassen.

Bei den Massenleih-Klubs dagegen geht es zumeist um Risikominimierung von Transferausgaben, unerschöpfliche Reservepools und zudem gerade mit Blick auf die anstehende Reform des UEFA-Financial-Fairplay (FFP) eine indirekte Umgehung. Wenn ein Premier-League-Vertreter Profis ohne Chance auf Einsätze im eigenen Stall günstig holt, sie in eine schwächere Liga verleiht in der Hoffnung, dass sie sich entwickeln, wird er vielleicht keinen Top-Seller der Kategorie 80-Millionen-Abgang gedeihen lassen.

Aber selbst bei einem Profi, der für eine Mio. Euro kam und für drei Mio. weiterverkauft wird, hätte er seine Einnahmen künstlich um zwei Mio. nach oben geschraubt. Wer diese Praxis exzessiv nutzt, könnte hohe Erlöse gewissermaßen fingieren und entsprechend in der Folge eine mögliche Gehaltsobergrenze heben.

Aus unserer Sicht ist es unbestritten, dass gerade für junge Spieler eine Leihe zu einem anderen Klub enorm zur Weiterentwicklung über Spielpraxis beitragen kann.

Hoffenheims Direktor Profifußball Alexander Rosen

Mutmaßlich hat nicht zuletzt deshalb auch der ehemalige Boss der Deutschen Fußball-Liga, Christian Seifert, immer wieder für stringente Regularien und deren Umsetzung geworben, speziell in seiner Zeit als Chairman der weltweiten Ligenvereinigung WLF. Auch aktuell lobbyiert die DFL stark in Sachen FFP in den Gremien von UEFA, Großklubvereinigung ECA und Ligen-Forum.

Die Leihreformen der FIFA dürften bei den deutschen Vereinen zumeist willkommen sein. Zumal die Bundesligaklubs wie der 1. FSV Mainz 05 und Hertha BSC, die sich nach heutigem Stand am Limit bewegen würden, nicht als "Leih-Fischbecken" gelten. Dass sie verhältnismäßig viele Profis vermietet haben, hängt stark mit Wechseln in der jeweils sportlichen Leitung zusammen.

Selbstverständlich bleiben Leihen im Grunde ein passables Stilmittel, wie der Hoffenheimer Direktor Profifußball Alexander Rosen betont: "Aus unserer Sicht ist es unbestritten, dass gerade für junge Spieler eine Leihe zu einem anderen Klub enorm zur Weiterentwicklung über Spielpraxis beitragen kann. Wir haben damit in den vergangenen Jahren hervorragende Erfahrungen gemacht, und gerade für einen Klub wie die TSG, der sich sehr stark auf die Talentausbildung konzentriert, ist das ein wichtiger Baustein."

Extrembeispiel Bergamo

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Der eben durch Extreme konterkariert wird, siehe Bergamo … Die Vereine der italienischen Serie A stellen die fleißigsten Verleihstationen in Europa dar. Die Praxis hat seit Jahren Tradition, war immer schon etwas anrüchig, aber letztlich akzeptiert, weil es eben alle so machen und am Ende davon profitieren.

Für die kleineren Klubs ist das System der Leihgeschäfte vorteilhaft, weil es ihre klammen Kassen entlastet und den eigenen Talenten oder günstig erworbenen unterklassigen Spielern Spielpraxis und Entwicklungszeit ermöglicht. Und es gilt, auch bei den Topklubs, das Motto: Das Talent, das ich habe, hat erst mal kein anderer.

Letztlich schaffen es die wenigsten dieser Leihgaben in die Serie A. Das gilt vor allem auch für den Verleih-Europameister aus Bergamo. Es ist völlig klar, dass nur ein Bruchteil der 65 Leihspieler jemals wieder das Atalanta-Trikot tragen wird.

Doch hier geht es zum einen um die Schleppnetz-Methode, dass bei der schieren Masse der Spieler am Ende ein paar gute Fänge für das eigene Team oder zum teuren Weiterverkauf hängen bleiben, und zum anderen darum, ein Schlupfloch in den FFP-Regelungen der UEFA, wie erwähnt, zu nutzen.

Die gleichen Motive dürfen getrost den englischen Klubs unterstellt werden. Bei Manchester City kommt hinzu, dass man zur weltweit operierenden City Football Group gehört, deren zehn Mitglieder eifrig Spieler untereinander verleihen. Um die neuen Regeln künftig auszuhebeln, könnte zum Beispiel City seine Spieler für eine geringe Ablösesumme und eine Rückkauf-Option an einen Zubringerklub aus dem City-Football-Group-Pool abgeben. Die Klubs bleiben daher vorerst gelassen. Denn selbst Atalanta hat nach den neuen Regeln nur 14 Profis verliehen, es müssten im Sommer nur sechs von den 65 Leihspielern verkauft werden. 

Benni Hofmann, Manfred Münchrath