WM

WM 2022 - Lionel Messi überwältigt: "Was soll noch kommen?"

Argentiniens Kapitän erhält auch Goldenen Ball

Messi überwältigt: "Was soll noch kommen?"

Die Krönung einer außergewöhnlichen Karriere: Lionel Messi mit dem WM-Pokal.

Die Krönung einer außergewöhnlichen Karriere: Lionel Messi mit dem WM-Pokal. imago images

Aus Katar berichtet Jörg Wolfrum

Auch 90 Minuten nach dem durch Gonzalo Montiel verwandelten, entscheidenden Elfmeter wimmelte es in beiden Strafräumen des Lusail Stadium von Doha nur so von Menschen. Natürlich alle in himmelblau und weiß gewandet. Es waren die Spieler des neuen Weltmeisters Argentinien mit ihren Familienangehörigen und Freunden und natürlich der Trainerstab und alle, wirklich alle, die zu diesem Erfolg beigetragen haben: eben die Familien der Protagonisten.

Also flitzten auch kleine Steppkes über den Platz, gerade mal ein paar Jahre alt, so jung, dass sie aus der Ferne an den einstigen Bubi Leo erinnerten, der in Rosario in den Schulhöfen gedribbelt hatte - und der an diesem Abend in Katar mit 35 Jahren seine Krönung als Weltmeister erfuhr.

Es waren ja keine leeren Worte gewesen in diesen Wochen, als Nationaltrainer Lionel Scaloni wieder und wieder von der außergewöhnlichen Einheit und menschlichen Geschlossenheit gesprochen hatte, die diese Albiceleste auszeichnet. Und der Stärke, die man daraus ziehe, dass alle ihre Familien mit nach Katar gebracht hatten. Gerade auch in der Niederlage zahlte sich dies aus, wie sich nach dem 1:2 zum Start gegen Saudi-Arabien gezeigt hatte. Was andere Teams hätte zerbrechen lassen, auch das Argentinien der WM 2018, ließ das Argentinien der WM 2022 nur noch enger zusammenrücken.

"Wir erleben das alle als eine große Familie"

Daran hatte der 44-Jährige, der sich mit dem ersten Titelgewinn seit 1986, dem dritten in der Geschichte des Landes, nun in die Reihe der argentinischen Größen Cesar Luis Menotti 1978 und Carlos Bilardo 1986 einreiht, noch am Tag vor dem WM-Sieg erinnert. "Wir erleben das alle als eine große Familie." Dies helfe, den immensen Druck auszuhalten, wobei: Wenn man sich an Dingen erfreue, dann falle die Drucksituation weg. "Dann kann man das Beste daraus machen."

So einfach? So einfach. Zumindest eine Stunde lang im Finale. Dann kam der Titelverteidiger aus einem 0:2 zurück, doch Scalonis Team hielt auch dieser Drucksituation stand, kam zurück, fing erneut den Ausgleich, dann aber der Triumph im Elfmeterschießen.

"Wir haben es noch gar nicht realisiert", erklärte Scaloni, während seine Spieler noch feierten. "Wir freuen uns mit den Leuten. Wir hatten schwere Zeiten, die haben wir durchgestanden." Sein Team habe erneut gezeigt, nach Rückschlägen zurückkommen zu können. "Darum geht es. Wir sind ganz oben, das ist einzigartig." Und Scaloni, der schon am Vortag des Finales Mühe gehabt hatte, seine Emotionen im Zaum zu halten (was diesen großen Psychologen ja letztlich nur noch menschlicher und sympathischer machte), verdrückte Tränen, als er seinen Eltern dankte.

Auch Keeper Emiliano Martinez, der im Elfmeterschießen den Schuss von Bayern-Profi Kingsley Coman gehalten und kurz zuvor in der Nachspielzeit der Verlängerung mit einer großartigen Parade gegen den Frankfurter Randal Kolo Muani überhaupt erst den Einzug in dieses Shoot-out ermöglicht hatte, gab zu: "Wir haben unglaublich gelitten. Eigentlich hatten wir es unter Kontrolle. Gott sei Dank haben wir es doch noch geschafft. Es war ein unglaubliches Finale, das hätte ich mir nicht erträumt."

Messi spricht vom "Traum eines jeden Jungen"

Am Tag zuvor hatte der 30-Jährige erklärt, er sei angesichts seines Lebensweges, stammend aus einfachen Verhältnissen, ein "Kämpfer und ein Träumer" zugleich. Am Sonntag schloss sich damit auch für den Keeper von Aston Villa eine Art sportlicher Lebenskreis - wie natürlich auch für Lionel Messi, der am Tag seiner Karriere-Krönung auch als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet wurde.

"Ich wusste, dass Gott mir dies hier schenken würde", sagte der 35-Jährige­ der Zeitung Ole, der er auch kurz vor der WM ein langes Interview gegeben hatte. Dass er seine Karriere auf der Zielgeraden "auf diese Weise" kröne, sei "bemerkenswert. Nach diesem hier kann es nichts mehr geben, was soll noch kommen? Nach der Copa America nun die Weltmeisterschaft, alles fast am Ende meiner Karriere. Das hier, der Titel, ist der Traum eines jeden Jungen. Ich hatte das Glück, alles in meiner Karriere gewonnen zu haben, und nun kommt dies noch dazu." Es ist: die Krönung.

Und die werde nun, so Messi, mit den Fans in Argentinien gefeiert. Sie werden dort durchtanzen bis die Weltmeister 2022 von Katar aus kommend in Buenos Aires eingetroffen sind.

Von Rossi bis Messi: Die Gewinner des Goldenen Balls