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Matz und Mumm: Zum 80. Geburtstag von Eberhard Vogel

Rekordspieler der DDR-Oberliga

Matz und Mumm: Zum 80. Geburtstag von Eberhard Vogel

Fußballkunst: Eberhard Vogel 1978 für Jena im UEFA-Cup gegen den MSV Duisburg.

Fußballkunst: Eberhard Vogel 1978 für Jena im UEFA-Cup gegen den MSV Duisburg. imago/Horstmüller

Man würde Pelé gern fragen, aber das geht ja nun nicht mehr. Eberhard Vogel, dieses Zitat wird Pelé zugeschrieben, sei "der beste Linksaußen der Welt". Gesagt hat er das der Überlieferung zufolge nach einer Südamerika-Reise der DDR-Auswahl, und tatsächlich soll sich Pelés Klub FC Santos sehr konkret mit Vogel befasst und zwei Millionen D-Mark geboten haben: 1,5 Millionen für Carl Zeiss Jena und eine halbe Million Handgeld für Vogel. "Das Geld", erzählte Vogel später verschmitzt, "hätte ich schon gerne gehabt, aber ich wollte nie weg." Und außerdem: "Mein Vater hätte mich erwürgt, wenn ich abgehauen wäre."

Allerdings wäre der Papa vermutlich gar nicht hinterhergekommen, um Hand anzulegen, denn Vogel, den fast alle "Matz" nennen, war nicht nur bemerkenswert schussstark, sondern auch unverschämt schnell. Schneller war im Hause Vogel höchstens Eberhards Ehefrau Angela, die unter ihrem Mädchennamen Höhme 1968 DDR-Meisterin über 100 Meter wurde. Zu der Zeit war ihr späterer Ehemann längst eine große Nummer im DDR-Fußball und blieb es länger als alle anderen.

Sein linker Fuß war eine Waffe. Matz war Vollstrecker und Vorbereiter in einem, elegant und schnell.

Joachim Streich über Eberhard Vogel

Vogel, der am Samstag seinen 80. Geburtstag feiert, debütierte im Dezember 1962 mit gerade 19 für die Nationalmannschaft in Conakry gegen Guinea, und als er Schluss machte in Jena, am 30. Mai 1982 im Spiel beim Halleschen FC Chemie, da war er 39 und hatte die Bestmarke von Zwickaus Legende Alois Glaubitz geknackt. Vogels 440 Spiele in der DDR-Oberliga sind ein Rekord für die Ewigkeit, und seine 188 Tore übertraf nur einer, Joachim Streich (229). Streich, vor einem Jahr gestorben, hat zu Lebzeiten in den höchsten Tönen von Vogel geschwärmt: "Sein linker Fuß war eine Waffe. Matz war Vollstrecker und Vorbereiter in einem, elegant und schnell." 1964 und 1972 gewann Vogel Olympia-Bronze, 1967 wurde er mit dem FC Karl-Marx-Stadt Überraschungsmeister, 1969 DDR-Fußballer des Jahres und später mit Jena dreimal FDGB-Pokal-Sieger.

Eberhard Vogel: Tief- und Rückschläge blieben nicht aus

Er ging nie hausieren mit alldem, Selbstdarstellung ist dem Vater zweier Söhne, denen er seine Fußball-Leidenschaft vererbte, bis heute zuwider. Für besondere Momente war er trotzdem zuständig, da bündelte Matz Mumm, Technik und Schlitzohrigkeit. Im Juni 1964 verwandelte er in der Olympia-Qualifikation gegen die Sowjetunion im Ausscheidungsspiel auf neutralem Boden - in Warschau - eine Ecke von links mit dem linken Außenrist zum vorentscheidenden 3:1 (Endstand 4:1). Im November 1970 hämmerte er aus etwa 35 Metern Peter Shilton beim Länderspiel in Wembley den Ball ins Eck, und am Ende sprachen trotz des englischen 3:1-Sieges alle über Vogel.

EC-Finale 1981

Tief- und Rückschläge blieben nicht aus. Bei der WM 1974 erlitt der Linksaußen im zweiten Vorrundenspiel gegen Chile (1:1) einen Muskelfaserriss und verpasste das Prestige-Duell mit der Bundesrepublik (1:0), und 1976, als die DDR-Auswahl aus Montreal olympisches Gold mit nach Hause brachte, hatte ihn Trainer Georg Buschner nicht mitgenommen, obwohl er ihm das Ticket versprochen hatte. Das ärgert Vogel bis heute, und die Finalniederlage im Europacup der Pokalsieger 1981 gegen Dinamo Tiflis auch. "Dieses Endspiel", sagt Vogel, "hätten wir nie verlieren dürfen. Wir hatten sie doch schon im Sack."

Führung durch Gerhard Hoppe, dann: 1:1 Vladimir Gutsaev, 1:2 Vitali Daraselia drei Minuten vor dem Ende, Jenas Wunde verheilt nie. Wann immer sich Vogel und sein damaliger Trainer Hans Meyer seitdem begegnen, ist dieses Trauma Thema. In der 1. Runde kegelte Jena die AS Rom mit Falcao, Carlo Ancelotti und Bruno Conti raus, in der 2. Runde Valencia mit Mario Kempes. Und im Viertelfinale, gegen die damals in Englands 3. Liga angesiedelten Waliser von Newport County, stellte der von vielen Ausfällen geplagte Meyer den fast gleichaltrigen Linksaußen als Libero auf. "Es brannte lichterloh", hat Vogel später schmunzelnd erzählt, "ich war knapp 38. Da hab’ ich schon mehr mit dem Auge als mit dem Fuß gemacht." Es ging gut und bis ins Endspiel, und bis heute waren nur zehn Spieler in einem Europacupfinale jemals älter als Vogel (38 Jahre, 35 Tage), darunter nur ein Deutscher: Lothar Matthäus 1999 mit 38 Jahren und 66 Tagen.

Vogel auf Rang zwei: Die ältesten deutschen Spieler in einem Europapokal-Finale

Dass einer wie er, der von seinen Trainern Horst Scherbaum, Bingfried "Binges" Müller, Karoly Soos, Buschner und Meyer viel gelernt hatte, später selbst sein Wissen weitergab, lag nah. 1986 wurde Vogel mit den DDR-Junioren um Rico Steinmann, Matthias Sammer und Dirk Schuster U-18-Europameister, 1987 in Chile hinter den Jugoslawen um Davor Suker und Zvonimir Boban und dem von Berti Vogts trainierten DFB-Nachwuchs um Andreas Möller und Marcel Witeczek Dritter der U-20-WM.

Eberhard Vogel: "Fachlich stark, loyal, geradlinig und korrekt"

1989 kam die Berufung zur A-Mannschaft, als Co-Trainer von Eduard Geyer. "Fachlich stark, loyal, geradlinig und korrekt" hat Geyer Vogel erlebt und gescherzt: "Bei dem Namen kam gar kein anderer Co-Trainer infrage." Sie hätten gern länger miteinander gearbeitet, aber sehr bald gab es das Land nicht mehr und die Nationalelf auch nicht, und als es in der WM-Quali 1989 in Wien um alles ging, war die Mauer gerade gefallen. Matthias Sammer, Andreas Thom und Ulf Kirsten waren nicht ganz bei der Sache, Toni Polster schon, 0:3, dreimal Polster. Nach der Wende war Vogel Amateurcoach in Gladbach und Köln, er trainierte Hannover und führte Jena 1995 in die 2. Liga. Ende der 90er Jahre ging er als Nationaltrainer nach Togo, 2000 warf er mit dem Viertligisten 1. FC Magdeburg den 1. FC Köln, den FC Bayern und den KSC aus dem DFB-Pokal. Da stand er noch mal im Rampenlicht.

Mit den Ex-Mitspielern sitzt er donnerstags oft in Jena im Café, vor allem zu Harald Irmscher und Konrad Weise ist sein Kontakt eng. Am Samstag wird im Familienkreis gefeiert. "Wer glaubt", hat Vogel gesagt, "in der DDR wurde nur zweitklassiger Fußball gespielt, irrt sich." Er selbst ist der beste Gegenbeweis.

Steffen Rohr