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Markus Katzer: "Wir haben doch alle den Fußball-Manager inhaliert"

Der Vienna-Sportdirektor im Interview

Markus Katzer: "Wir haben doch alle den Fußball-Manager inhaliert"

Vienna-Mastermind Markus Katzer.

Vienna-Mastermind Markus Katzer. GEPA pictures

Herr Katzer, nehmen Sie uns doch kurz mit auf Ihre Reise mit der Vienna. Als Sie 2015 nach Ihrer Profikarriere als Spieler eingestiegen sind, waren Sie eigentlich Spielervermittler.

Richtig, und das war Gold wert. Nicht nur, weil ich mir ein Netzwerk aufbauen konnte, sondern weil ich auch das Geschäft von der anderen Seite kennengelernt und dabei gelernt habe, kreative Lösungen zu finden. Das hilft mir als Sportdirektor sehr. Aber ich habe auch relativ schnell gesehen, dass Spielervermittler nicht das ist, was ich auf Strecke machen will. Dafür war es mir zu sehr geldorientiert. Ich habe nichts gegen Geld, aber in dieser Branche geht es nur darum. Bei der Vienna war ich zuerst Spieler, dann Spielertrainer und als ich dann 2018 das Angebot bekommen habe, Sportdirektor der Vienna zu werden, habe ich keine Sekunde überlegt.

Zu diesem Zeitpunkt war die Vienna in der 2. Landesliga, ideal, um das Geschäft von der Pike auf zu lernen und mitzuwachsen?

Genau. Beim ältesten Klub Österreichs gleich als Sportdirektor einzusteigen, diese Möglichkeit hätte ich so schnell bei keinem anderen Klub bekommen. Da hätte ich vielleicht als U-15-Trainer angefangen und wäre vielleicht irgendwann Jugendleiter geworden.

Woher kam die Überzeugung, die Fähigkeiten zu einem guten Sportdirektor zu haben? Der gute, alte Fußball-Manager auf dem PC wird's ja nicht gewesen sein?

Wir haben doch alle den Fußball-Manager inhaliert, ich wahrscheinlich noch extremer. Aber ich war immer im Strategischen zuhause, in der Spielerberatung habe ich dann gelernt, weniger auf das System oder das Spiel selbst zu achten, dafür haben wir einen Trainer, sondern auf die Fähigkeiten der einzelnen Spieler. Abzuschätzen, was für Potential ein Spieler hat, was kann aus ihm einmal werden, was wird er einmal wert sein.

Solche Spieler gehen aber selten in die 2. Landesliga.

Wir haben in der Regionalliga, aus der wir ja 2017 wegen eines Insolvenzverfahrens absteigen mussten, schon eine gute Mannschaft gehabt. Aber das war schon eine Herausforderung. Wenn ich einen Profi brauche, rufe ich ihn an, die kennen und respektieren mich alle, aber im Amateurbereich habe ich die Spieler selbst nicht so gekannt. Und Infos über Amateure zu bekommen, ist viel schwieriger als im Profibereich. Da musste ich mich erst einmal zurecht finden. Aber ich habe Mittel und Wege gefunden und wir haben immer unsere Etappenziele erreicht.

Gebremst durch Corona allerdings.

Wir waren schon vor zwei Jahren Tabellenführer in der Wiener Liga, als die Meisterschaft wegen Corona abgebrochen wurde. Wir haben alles versucht, aufsteigen zu dürfen, aber das Reglement hat es nicht zugelassen. Im zweiten Jahr war wieder Corona, aber es war mehr als die Hälfte gespielt und wir konnten aufsteigen. Nur: Das letzte Spiel war am 2. Juli, wir hatten eine Woche frei, eine Woche Vorbereitung und am 18. Juli ist das erste Pflichtspiel im Cup gegen Kapfenberg angestanden. Mit acht neuen Spielern, von denen einige gar keine Vorbereitung hatten, weil sie erst kurz vor Transferschluss zu uns gekommen sind. Und Transferschluss ist im Amateurbereich am 15. Juli. Ich habe also nicht wie jetzt drei Monate Zeit gehabt, eine Mannschaft zusammenzustellen, sondern zwei Wochen!

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Wie konnten Sie dennoch so viele namhafte Spieler mit Bundesliga-Erfahrung überzeugen?

Die Strategie war, mit routinierten Spielern in die Meisterschaft zu gehen, vorne mitzuspielen und im Jänner noch einmal Spieler dazuzuholen. Warum sie gekommen sind? Weil sie mich gut kennen und schätzen, weil sie wissen, dass die Vienna mittlerweile ein gutgeführter Klub mit Potential ist und weil sie die Perspektive gesehen haben, in die 2. Liga aufzusteigen. Das haben wir relativ gut und ohne große Troubles geschafft. Obwohl's nicht so einfach war, wie es vielleicht ausschaut. Mit Stripfing gab es eine zweite Mannscahft, die unbedingt aufsteigen wollte. Dazu kommt, dass sich alle anderen Mannschaften gegen die Vienna besonders anstrengen und noch 20 Prozent extra rausholen. Aber jetzt sind wir wieder dort, wo die Vienna hingehört. Weil, dass die Vienna in einer Profiliga spielt, will eigentlich jeder.

Trotzdem, kann die Vienna so gut zahlen, dass sie 13 ehemalige Bundesliga-Spieler im Aufstiegs-Kader hat?

Da ging es sicher nicht nur um Geld. Darauf habe ich schon geachtet. Wenn es den Spielern nur ums Geld geht, wäre es ihnen egal, ob sie es in der 2. oder 3. Liga verdienen. Sie haben mit dem Gang in die Regionalliga schon auch Risiko genommen, aber sie haben gewusst, dass sie deutlich mehr verdienen können, wenn wir den Aufstieg schaffen. Wobei die Gehälter dem Gehaltsschema in der Regionalliga angepasst waren und jetzt dem der 2. Liga.

Behalten Sie den Weg mit ehemaligen Bundesliga-Spielern, die großteils über 30 sind, bei oder muss sich in der 2. Liga die Kaderstruktur ändern?

Vom Aufstiegskader hat Jiri Lenko seine Karriere beendet, Mario Konrad wird weiter unterklassig spielen, Wostry, Schimandl und Jusic verlassen den Klub. Der Plan ist, keinen Spieler über 25 zu verpflichten, wir wollen schon eine andere Altersstruktur in den Kader bringen. Wenn wir dann im August noch einen Platz frei haben, schließe ich auch nicht aus, einen 27-Jährigen zu holen. Aber die langfristige Strategie ist, ein Ausbildungsverein zu werden. Mit dem Grundgerüst, das wir haben, sollten wir aber genug Qualität haben, um nicht abzusteigen.

Wie groß sind die Ambitionen für den nächsten Aufstieg?

Es gibt Überlegungen, aber die bleiben noch intern. Wir haben kein Problem, einmal eine Zeit lang in der 2. Liga zu spielen. Wir stehen nicht unter Druck. Dass unser Hauptsponsor UNIQA einen langen Atem hat, hat er schon bewiesen, sonst hätte er uns nicht von der 5. in die 2. Liga begleitet.

Und Roland Schmid, der bei der Vienna eingestiegen ist, nachdem er nicht Rapid-Präsident wurde, ist besonders motiviert?

Bei ihm ist es vielleicht ähnlich wie bei mir. Ich war auch enttäuscht, als ich von Rapid weg musste, obwohl man mir eigentlich einen neuen Vertrag versprochen hatte. Aber er sieht sicher auch, wie viele Chancen sich überall auftun. Er sieht, wie leiwand es sein kann, bei einem Verein etwas zu gestalten, etwas selbst aufzubauen. Das ist bei großen Vereinen nicht so leicht. Die Vienna ist ein großer Verein oder besser, wird wieder einer werden, wenn es so weitergeht.

Es war ein reinigender Prozess, das kann ich sagen. Es war sicher gut für den Verein, sich langsam, Schritt für Schritt wieder nach oben zu orientieren

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Was müsste dafür in der Infrastruktur passieren, die mehr als 100 Jahre alte Hohe Warte galt immer als besonders teuer in der Erhaltung?

Natürlich ist die Anlage pflegeintensiv, aber das ist nichts, was wir nicht hinkriegen. Die Infrastruktur für die 2. Liga zu adaptieren, war minimal. Für die Bundesliga wären die Anforderungen dann schon andere. Da brauchst du eine Rasenheizung, 5.000 überdachte Sitzplätze, in Wahrheit bräuchten wir ein neues Stadion, weil es auf allen Seiten geschlossen sein muss. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

Die Vienna ist, was Kader und Sponsoren betrifft, so gut aufgestellt, wie seit Jahrzehnten nicht. War der tiefe Fall rückblickend sogar ein Glücksfall?

Es war ein reinigender Prozess, das kann ich sagen. Es war sicher gut für den Verein, sich langsam, Schritt für Schritt wieder nach oben zu orientieren, Liga für Liga Sponsoren dazuzugewinnen. Und der lange Weg hat uns auch zusammengeschweißt. Das Präsidium kennt mich seit sieben Jahren, da gibt es keine bösen Überraschungen mehr.

Die Vienna war nie ein Zuschauermagnet. Mit welchem Zuschauerschnitt rechnen Sie in der 2. Liga?

Wir haben etwas, was andere nicht haben. Bei uns gibt es keine Aggressivität, zu uns kann die Familie mit den Kindern kommen. Wir würden nicht einmal Security und Polizei brauchen, wenn es nicht vorgeschrieben wäre. Die 7.500, die jetzt beim "Derby of Love" waren, heben natürlich den Zuschauerschnitt ordentlich an. Aber wenn gegen Stripfing 3.500 kommen, rechne ich schon damit, dass das auch in der 2. Liga möglich sein muss. Es kommt natürlich auch auf den sportlichen Erfolg an.

Für den sportlichen Erfolg hat in den vergangenen zwei Jahren ein junger Trainer mit prominentem Namen gesorgt. Wie sind Sie auf Alexander Zellhofer, den Sohn Ihres ehemaligen Rapid-Trainers Georg Zellhofer, gekommen?

In Wahrheit hat er sich bei uns vorgestellt und vorerst die U 18 und U 23 übernommen. Nach einem Jahr war ich fasziniert davon, wie er aufgetreten ist und wie seine Mannschaften gespielt haben. Ich habe seine glasklare Handschrift gesehen und wie einfach er Dinge erklären kann. Ich wollte auch ein Zeichen setzen und zeigen, dass die Vienna ein Verein ist, der gewillt ist, den Trainer nach Möglichkeit intern nachzubesetzen. Es war vielleicht eine mutige Entscheidung, einem 26-Jährigen das anzuvertrauen, aber es war die richtige, wie die zwei Aufstiege beweisen.

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