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Manfred Schmid: "Viele haben mir geraten, die Finger von der Austria zu lassen"

334. Wiener Derby: Der Austria-Trainer im Interview

Manfred Schmid: "Viele haben mir geraten, die Finger von der Austria zu lassen"

Manfred Schmid setzt bei der Austria auf die Jugend.

Manfred Schmid setzt bei der Austria auf die Jugend. APA/ERWIN SCHERIAU

17. Spieltag

Herr Schmid, der Auftritt Ihrer jungen Mannschaft macht den Austria-Fans gerade viel Freude. Glauben Sie, dass diese positive Stimmung bereits Einfluss bei der Investorensuche hatte?

Ich glaube schon, dass man das verknüpfen kann. Diese junge Mannschaft hat der Austria ein neues Gesicht gegeben. Das honorieren nicht nur die Fans, die eine Freude damit haben, das wirkt sich auch auf Sponsoren und Investoren aus. Es ist ja so, dass nicht nur viele Junge spielen, man sieht auch in jedem Spiel, wie sie alles für die Farben der Austria geben.

Wie war es bei Ihnen, als Sie im Sommer den Trainerjob übernommen haben, wollten Sie in erster Linie Ihrer Austria helfen oder war’s die Chance, endlich Cheftrainer zu werden?

Beides. Ich habe neben der Austria noch ein anderes Angebot gehabt, aber ich war mir sicher, dass ich der Austria in dieser Situation helfen kann. Ich habe skizziert, was ich entwickeln will: eine junge Mannschaft aus großteils eigenen Talenten mit einem hochprofessionellen Umfeld und Trainerteam. Das ist gelungen. Dass genug entwicklungsfähige junge Spieler da sind, habe ich gewusst, weil ich auch aus Köln immer einen Einblick gehabt habe. Ich habe in der Akademie immer noch gute Kontakte zu den Trainern gehabt.

Dennoch war das Risiko für Sie nicht gerade gering. Hätte es nicht gleich von Anfang an halbwegs geklappt, hätte es schnell geheißen: Eh klar, der war ja noch nie Cheftrainer.

Ich bin ein Typ, der in erster Linie das Positive sieht. Für meine erste Trainerstation ist das sicher keine leichte Aufgabe. Aber hätte ich auf die Leute gehört, hätte ich hier erst gar nicht antreten dürfen. Es hat nicht wenige gegeben, die mir geraten haben, die Finger von der Austria zu lassen, weil ich mich gleich bei meinem ersten Job verbrennen würde. Aber es hat sehr schnell sehr gut funktioniert und wir sind jetzt auf einem richtig guten Weg.

Ihr Co-Trainer Reinhold Breu hat sich schon als Sportdirektor in Luxemburg den Ruf eines Spieler-Entwicklers erworben. Wie groß ist sein Anteil daran, dass die Jungen so gut performen?

Mein ganzes Team macht eine sehr gute Arbeit. So viele junge Spieler brauchen schon eine besondere Betreuung, deshalb habe ich Cem Sekerlioglu dazu genommen, der schon 20 Jahre lang in der Akademie gearbeitet hat und die Jungs gut kennt. Ebenso Tormanntrainer Udo Siebenhandl und Videoanalyst Lorenz Kutschka-Lissberg, die ich aus dem Nachwuchs hochgezogen habe. Extrem weitergeholfen hat uns sicher Athletiktrainer Andi Biritz, der unter Adi Hütter schon in Frankfurt und bei den Young Boys Bern tolle Arbeit geleistet hat. Zum Glück wollte er zurück nach Österreich. Wir kannten uns bereits aus Deutschland und waren sofort auf einer Wellenlänge, welche Anforderungen der athletische Fußball heutzutage hat. Ich habe in Köln und Dortmund sicher auch eine andere Denkweise kennengelernt. Ich weiß, dass ein Riesentalent so schnell wie möglich nach oben muss. Deshalb habe ich keine Scheu, auch einen 17-Jährigen zu bringen, wenn er so weit ist. Natürlich haben die jungen Spieler am Anfang mit der Umstellung ihre Probleme gehabt, aber ich habe ihnen immer gesagt, dass sie die Früchte ernten werden, wenn sie das durchziehen. Huskovic ist das beste Beispiel. Er musste am Anfang in den Trainings sehr viel investieren und kam oft an seine körperlichen Grenzen. Wenn wir heute aber einmal nur ein Regenerationstraining machen, ist ihm das viel zu wenig, will er viel mehr machen. Der ist mittlerweile schon sehr weit. Und das sieht man auch im Spiel.

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Wie viel Luft nach oben hat die Mannschaft?

Ich versuche mich immer international zu vergleichen, da haben die Jungs schon noch Luft nach oben. Aber es ist auch ihre erste Saison. Eines ist klar: Wenn sie nicht die nötige Fitness haben, haben sie im Spiel auch nicht die Voraussetzungen, um ihre fußballerische Qualität auszuspielen. Aber mein Ziel ist es, dass unser Spiel noch viel intensiver wird.

Sie waren jahrelang das "Beiwagerl" von Peter Stöger, der "Laptop-Manni". Jetzt sind Sie ihm bei der Austria nachgefolgt. Wie viel Stöger steckt noch in der Austria?

Ich habe von Anfang an meine eigene Idee verfolgt und im taktischen Bereich viele Änderungen vorgenommen, auch was die Raumaufteilung betrifft. Wir wollen extrem flexibel sein und wenn man schaut, es gibt kaum ein System, das wir nicht schon gespielt haben. Peter und ich hatten super erfolgreiche und schöne Jahre. Aber der Fußball hat sich weiterentwickelt. Als wir 2013 mit der Austria Meister geworden sind, hatten wir eine andere taktische Ausrichtung als heute, aber uns wie heute am Spielermaterial orientiert, das war zu dieser Zeit richtig. Mit den Erfahrungen in Köln und Dortmund haben sich unsere Ausrichtungen aber stark geändert. Einfach, weil sich der Fußball seither verändert hat. Dazu hatte ich das Glück, eine Woche beim FC Bayern mit Hermann Gerland verbringen zu können. Wir haben uns eine ganze Woche lang fast ausschließlich über Fußball ausgetauscht, das war wie ein lehrreicher Trainerkurs für mich. Vieles davon möchte ich umsetzen, natürlich angepasst an unsere Möglichkeiten.

Von der Ferne sieht es so aus, als wäre das Verhältnis zwischen Ihnen und Peter Stöger abgekühlt. Täuscht das?

Es ist richtig, dass wir derzeit kaum Kontakt haben. Aber das liegt daran, dass ich in Köln war und er in Wien. Jetzt bin ich in Wien und er in Budapest. Wir hatten beide intensive Zeiten, aber es ist nie etwas zwischen uns vorgefallen. Ich weiß nicht, ob es viele Trainer in Österreich gibt oder geben wird, die das erlebt haben, was wir gemeinsam erlebt haben. Wir haben uns schon auch gerieben, aber wir haben immer mit einer Stimme gesprochen. Und wir haben sicher gegenseitig voneinander profitiert. Ich bin an sich schon ein kommunikativer Mensch, aber vom Peter konnte ich mir, was Menschenführung und Medienarbeit betrifft, schon einiges abschauen. Ein Beispiel: Wenn wir in die Spielerkabine gekommen sind, haben die Spieler immer ganz normal weitergeredet. Sie mussten nie das Thema wechseln, weil wir etwas nicht hören durften. Ich glaube, wenn du das als Trainerteam erreichst, weißt du, dass du richtig liegst.

Wir stehen in der Defensive mittlerweile richtig gut, sind, das sieht man auch an unseren vielen Unentschieden, nur schwer zu schlagen. Es hat jeder seine Rolle gefunden.

Manfred Schmid

Wollten Sie trotz der vielen Jahre als Co-Trainer überhaupt noch Cheftrainer werden?

Der Wunsch war immer da. Das hat auch der Peter immer gewusst. Dass ich nicht früher Cheftrainer geworden bin, haben auch die gemeinsamen Erfolge verhindert. Ich war ja immer wieder bei der Austria im Gespräch. Aber als Köln gerufen hat, wollte ich mir die Deutsche Bundesliga anschauen. Als dann Dortmund gekommen ist, habe ich mir gedacht, das ist eine Station, die ich einfach mitnehmen muss. Es war schon ein riesiger Unterschied zwischen der Austria und Köln. Aber der Unterschied zwischen Köln und Dortmund war noch einmal so groß. Es war unheimlich wichtig für mich als Trainer, einmal mit solchen Leuten zusammenzuarbeiten. Mit einem Schmadtke, einem Veh, Zorc oder Watzke. Das sind alles Experten, von denen ich unheimlich viel lernen konnte. Und dann war es selbstverständlich auch ein besonderer Eindruck, einmal vor Spielern wie Reus, Götze, Schürrle, vor Fußballweltmeistern, zu stehen und ihnen eine Idee zu vermitteln. Aber irgendwann wird auch das ganz normal.

Zurück zur Austria. Wenn Sie sehen, wie schwer sich Österreichs Europacup-Teams gerade in der Bundesliga tun, muss man dann nicht fast froh sein, dass die Austria gescheitert ist? Die Doppelbelastung hätte gerade so eine junge Mannschaft doch wohl überfordert.

Wir wären natürlich gerne im Europacup und Cup weitergekommen, aber die Vorbereitung war mit drei Wochen extrem kurz. Wir hatten kaum unsere Mannschaft beisammen, um etwas einstudieren zu können. Im Sommer sind 16 Spieler weg, am Anfang der Saison noch Wimmer und Pichler - der Umbruch war groß. Da haben wir noch keine Mannschaft auf dem Platz gehabt. Seither hat sich viel entwickelt. Wir stehen in der Defensive mittlerweile richtig gut, sind, das sieht man auch an unseren vielen Unentschieden, nur schwer zu schlagen. Es hat jeder seine Rolle gefunden. Das liegt auch an der Wertschätzung, die jeder einzelne Spieler bekommt. Denn natürlich denkst du als gestandener Profi am Anfang: Wie sollen wir da gewinnen, wenn wir nur mit 18-Jährigen spielen? Aber sie haben schnell gemerkt, die Jungs legen auf dem Platz alles rein. Jetzt sind wir eine zusammengeschweißte Truppe und wir haben auch schon eine richtig gute Streitkultur entwickelt. Das ist auch wichtig, dass die Spieler gewisse Dinge intern selber regeln, nicht immer der Trainer alles vorgeben muss.

Wie wichtig ist es, dass die Austria die Meisterrunde erreicht?

Die Meisterrunde wäre ein super Erfolg und würde dem Verein nicht nur Planungssicherheit bringen, sondern auch auf eine Europacup-Teilnahme hoffen lassen. Aber wir werden auch nicht zugrunde gehen, wenn wir es nicht schaffen. Wir haben Stand jetzt eine realistische Chance. Und wenn wir die letzten zwei Spiele vor der Winterpause noch gut hinkriegen, haben wir für die letzten vier Spiele im Frühjahr eine überragende Ausgangslage.

Und was erwartet uns im Derby?

Erst einmal tut es mir sehr leid, dass keine Zuschauer zugelassen sind, denn das wäre eine super Geschichte für unsere jungen Spieler. Rapid hat einen neuen Trainer, was für viele offene Fragen sorgt. Wir werden Rapid dennoch bestmöglich studieren, uns aber vor allem auf uns selbst konzentrieren. Wir erwarten eine leidenschaftliche Rapid, aber dass wir auch leidenschaftlich spielen, haben wir, glaube ich, in den letzten Runden gegen Top-Teams wie Salzburg und Sturm gezeigt.

Interview: Horst Hötsch