Nationalelf

DFB: Sami Khedira exklusiv über Sportdirektoren-Diskussion

Ex-Nationalspieler sorgt sich um die DFB-Elf

Khedira zur Sportdirektoren-Diskussion: "So richtig konkret sind wir noch gar nicht geworden"

Sami Khedira hat klare Vorstellungen, welche Themen er als Sportdirektor beim DFB angehen würde.

Sami Khedira hat klare Vorstellungen, welche Themen er als Sportdirektor beim DFB angehen würde. IMAGO/osnapix

"Ich habe von vornherein gesagt, dass der DFB für mich immer interessant ist, allein schon deshalb, weil ich dem DFB viel zu verdanken und mit ihm sehr große Erfolge gefeiert habe. Daran hat sich nichts geändert, und es ist ja kein Geheimnis, dass wir das eine oder andere Mal auch gesprochen haben. Aber so richtig konkret und tief sind wir da noch gar nicht geworden", sagte der 77-malige Nationalspieler in einem Interview mit dem kicker (Montagausgabe). "Ich gehe auch davon aus, dass ich nicht der Einzige bin, mit dem sie reden", fügte er hinzu.

Für den 36-Jährigen müssen vor einer Einstellung zwei grundsätzliche Aspekte geklärt werden. "Das Wichtigste ist, mit welchem Team und in welcher Struktur ich arbeiten kann. Und welche Kompetenzen ich habe, um den Erfolg zu garantieren. Das sind die beiden Kernpunkte, die für mich ausschlaggebend sind, ob ich einen Job machen kann oder nicht. Erfolg ist ein Stück weit planbar, Misserfolg ebenso", so Khedira.

Inhaltlich hat Khedira klare Vorstellungen, wo er ansetzen würde. Die Krise des deutschen Fußballs ist aus seiner Sicht in erster Linie die Folge von jahrelangen Fehlern in der Nachwuchsarbeit.  "Wenn du nicht vernünftig ausbildest und nicht die richtigen Themen priorisierst, dann hast du ein entsprechendes Endprodukt bei den Profis. Wir haben eine Generation von Spielern, die alle gut passen können, die technisch und taktisch gut ausgebildet sind. Aber wir haben nicht mehr das Gesamtpaket wie in früheren Jahren", sagte Khedira und konkretisierte: "Damit meine ich, dass wir keine Führungsstrukturen und keine klaren Hierarchien auf dem Platz mehr haben. Da haben wir, nicht nur in der A-Nationalmannschaft, ein ganz großes Führungsproblem."

Der gebürtige Stuttgarter plädiert deshalb für andere Schwerpunkte in der Ausbildung, die er als "überprofessionalisiert" bezeichnet. "Es ist alles homogen strukturiert, dadurch bringt man nur die gleichen Spielertypen hervor. Ohne die Basics zu vernachlässigen, muss ich den Spielern auch transportieren: Wir wollen jedes Spiel gewinnen, jede Flanke muss sitzen, jeder Kopfball, jeder Torabschluss. Das ist Leistungssport, und je früher ich das verinnerliche, desto schneller wird es zur Gewohnheit."

Khedira "besorgt" über Situation in der Nationalmannschaft

"Besorgt" äußert sich Khedira zur Situation in der Nationalmannschaft, "weil einfach bestimmte Komponenten fehlen. Und die bekommst du in zehn Monaten auch nicht mehr hin." Konkret ergänzte der ehemalige Mittelfeldspieler: "Es wird mehrere Jahre dauern, bis wir wieder eine entsprechende Nummer 9 bekommen. Und wenn ich auf unsere Außenverteidiger blicke und sie mit Philipp Lahm vergleiche, dann ist das einfach nicht das Niveau, das wir in Deutschland hatten und auch brauchen, um Spiele gegen andere Nationen zu dominieren." Andere Nationen wie England und Frankreich "haben ihre Probleme vor zehn Jahren erkannt, entsprechend Strukturen und Inhalte geändert. Heute sind sie Top-Favoriten auf die Europameisterschaft im nächsten Jahr".

Die deutsche Nationalmannschaft ist das Aushängeschild, da müssen die Besten eingeladen werden.

Sami Khedira

An die Adresse von Bundestrainer Hansi Flick richtete Khedira den Appell, Spieler den Zugang zur Nationalmannschaft wieder zu erschweren und unabhängig vom Alter die Besten zu nominieren. "Wir haben vor vier, fünf Jahren mit der Philosophie angefangen, den jungen Spielern teilweise zu einfach die Möglichkeit zu geben, A-Nationalspieler zu werden. Da wurden ältere Spieler auf einem Top-Niveau - wie Jerome Boateng, Mats Hummels oder Thomas Müller - entsorgt, weil junge Spieler angeblich Platz zur Entfaltung benötigten. So etwas ist für mich ein fatales Zeichen", so Khedira: "Die deutsche Nationalmannschaft ist das Aushängeschild, da müssen die Besten eingeladen werden. Die Nationalmannschaft ist kein Experimentierfeld, um junge Spieler zu testen. Dafür haben wir eine U 21."

Unabhängig von den zuletzt schwachen Auftritten und unbefriedigenden Ergebnissen der Nationalelf hat Khedira die Hoffnung auf eine erfolgreiche Heim-EM noch nicht aufgegeben. "Die EM ist ein Charaktertest. In den nächsten vier Spielen gegen Japan, Frankreich, die USA und Mexiko geht es darum, eine Mannschaft zu finden, die Charakter und Persönlichkeit hat. Und die das Bewusstsein entwickelt, für Deutschland spielen zu wollen und dafür alles auf dem Platz zu lassen", fordert er: "Gelingt das, bin ich davon überzeugt, dass wir im eigenen Land auch wieder eine Euphorie entfachen können. Wenn wir aber glauben, dass wir die individuell besten Spieler des Landes auf den Platz bringen müssen, kann es schwer werden und böse enden."

Im kicker nimmt der Weltmeister nicht nur Stellung zur Misere im deutschen Fußball und den Problemen der Nationalmannschaft, er spricht auch über seine beruflichen Ziele. Das ganze Interview mit Khedira lesen Sie in der Montagausgabe des kicker oder ab Sonntagabend im eMagazin.

Oliver Hartmann

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