Tennis

Angelique Kerber im Interview: "Das ist bei mir alles eine Wundertüte"

Deutsche Spitzenspielerin schraubt eigene Erwartungen nach unten

Kerber im Interview: "Das ist bei mir alles eine Wundertüte"

Muss sich im Hotelzimmer auf die Australian Open vorbereiten: Angelique Kerber.

Muss sich im Hotelzimmer auf die Australian Open vorbereiten: Angelique Kerber. imago images

Angelique Kerber, am Montag sind Sie 33 Jahre alt geworden und haben trotz Quarantäne in Ihrem Zimmer getanzt und positive Energie verströmt. Aber war ihr 'Bubble-Geburtstag' nicht der merkwürdigste, den Sie bislang erlebt haben?

Angelique Kerber (33): Es war auf jeden Fall ein spezieller Geburtstag, den ich so schnell nicht vergessen werde. Normalerweise spiele ich bei den Australian Open an meinem Geburtstag und die Fans singen oder wir gehen schön essen, wenn ich spielfrei habe. Dieses Mal war es anders, aber ich habe mir den Tag so schön wie möglich gestaltet, indem ich mit vielen Freunden über Facetime gesprochen habe und genügend Zeit hatte, alle lieben Nachrichten zu beantworten. Ich habe versucht, es so zu sehen, dass ich den Geburtstag gefühlt eng mit meinen Freunden verbracht habe, auch wenn sie Tausende Kilometer weg sind.

Womit vertreiben Sie sich die viele Zeit in der Quarantäne? Haben sie ein Buch dabei, laufen Serien in Dauerschleife?

Soweit es geht, versuche ich ein bisschen Struktur in meinen Alltag zu bringen und mir jeden Tag kleine Ziele zu setzen. Neben Netflix-Serien lese ich auch einige Bücher, telefoniere mit Freunden und mache meine Workouts. Die können natürlich nicht das Training auf dem Tennisplatz zur Vorbereitung auf ein Grand-Slam-Turnier ersetzen. Ich habe es aber akzeptiert und versuche jetzt, das Beste draus zu machen und positiv zu bleiben. Es passieren momentan viel wichtigere Dinge auf der Welt. Millionen von Menschen kämpfen täglich mit den Folgen der Pandemie, und hier steht der Sport ganz klar an zweiter Stelle. Wichtig ist, dass wir die Pandemie hoffentlich so schnell es geht in den Griff kriegen.

Es ist eine organisatorische Herkulesaufgabe.

Angelique Kerber zur Vorbereitung in Quarantäne

Es gibt aktuell dennoch Diskussionen um die Strenge der Quarantäne. Halten Sie die Vorgehensweise der Veranstalter für angemessen, und fühlen Sie sich ausreichend versorgt, unter anderem mit Trainingsutensilien?

Die Veranstalter vor Ort versuchen, alles so gut wie möglich für uns hinzubekommen. Es ist eine organisatorische Herkulesaufgabe mit ständig neuen Herausforderungen. Die Regierung hat sehr harte Quarantäneregeln, die wir alle befolgen müssen, und das hat auch seine Berechtigung. Wir haben Equipment bekommen und versuchen, uns bestmöglich auf den Saisonstart vorzubereiten und fit zu bleiben.

Zum Thema: 47 Tennisprofis betroffen - Auch Kerber in strikter Quarantäne

Wie muss man sich Ihre Einheiten im Hotelzimmer vorstellen?

Dank einer Durchgangstür in meinem Zimmer kann ich meinen Trainer und Physio sehen. Von daher bin ich also nicht komplett alleine und kann meine Fitnesseinheiten im Hotelzimmer mit meinem Team absolvieren. Ich habe ein paar Hanteln bekommen, einen Medizinball und im Vorfeld schon ein Laufband organisiert. Ich versuche mich so gut wie möglich fit zu halten, aber insgesamt ersetzt es nicht die Einheiten auf dem Tennisplatz.

Am 8. Februar starten die Australian Open. Sehen Sie trotz ihrer strikten Quarantäne eine Chance auf ein erfolgreiches Turnier oder ist der Nachteil gegenüber anderen Spielerinnen zu groß, die auf dem Platz trainieren können?

Ich habe die letzten zwei Monate so hart trainiert, wie schon lange nicht mehr. Es war eine der besten Vorbereitungen der letzten Jahre, in der ich mit viel Herzblut und Schweiß an meine Grenzen gegangen bin. Jetzt muss ich aber realistisch sein und mir eingestehen, dass ich nach zwei Wochen Quarantäne im Hotelzimmer nicht viel vom Saisonstart erwarten kann. Ich akzeptiere die Situation, wie sie ist und versuche das Beste draus zu machen. Jetzt ist aber nicht der Zeitpunkt, um große Ziele zu formulieren.

Was geht am meisten verloren, wenn man zwei Wochen nicht auf dem Platz ist? Das Gefühl für die Schläge, die Fitness, steigt die Verletzungsgefahr?

Alles, was Sie gerade genannt haben, trifft zu. An erster Stelle die Fitness, die Muskeln, die man sich über Wochen aufgebaut hat. Die größte Herausforderung ist aber natürlich, dass man den Schläger nicht in der Hand hält, keine Wiederholungen in den Schlägen hat und keine Matchpraxis sammeln kann. Auch die Rituale, die Abläufe, die wir über Monate erarbeitet haben, fehlen. Wir haben im Team alles von A bis Z gemacht, auch weil wir durch die Verschiebung der Australian Open mehr Zeit hatten als gewohnt. Jetzt verliert man von allem etwas. Ich versuche natürlich, mit den gegebenen Möglichkeiten, alles soweit es geht aufrechtzuerhalten, auch wenn es eigentlich nicht möglich ist.

Ich bin mir nicht sicher, ob mir die Erfahrung aktuell so viel hilft.

Angelique Kerber

Wie sehr kann Ihnen Ihre Erfahrung helfen?

Sicherlich bringe ich die Erfahrung von vielen Grand-Slam-Turnieren mit. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob mir das aktuell so viel hilft, da ich in solch einer Situation noch nie war. Nach der Quarantäne werde ich sehen, wie ich mich fühle und was sich bis zum Start der Australian Open noch aufholen lässt. Es wird spannend, das ist alles bei mir momentan eine Wundertüte.

Wenn wir den Blick weiten über die Australian Open hinaus. Welche Ziele haben Sie sich vorgenommen für die Saison?

Mein Fokus liegt, wie immer, auf den großen Turnieren. Insgesamt kann man aktuell aber nicht im Voraus planen, deswegen habe ich mir Etappenziele gesteckt und zunächst alles auf diese Australian Open gesetzt. Es ist ein Herzensturnier für mich, da ich hier 2016 meinen ersten Grand Slam gewonnen habe. Weiter zu planen, ist momentan schwer. Aber ich hoffe, dass wir die Pandemie unter Kontrolle bekommen und dann auch die ganzen sportlichen Highlights, die für dieses Jahr geplant sind, erfolgreich durchgeführt werden können.

Ist es aktuell die größte mentale Herausforderung in Ihrer Karriere?

Ich glaube, ich hatte schon einige. Ich habe ein gutes Team um mich herum, das mir hilft, mich unterstützt, mich motiviert. Aber natürlich gehört die Situation zu den schwierigsten Herausforderungen. Ich habe damit gerechnet, fünf Stunden am Tag trainieren und mich vorbereiten zu können und nicht zwei Wochen in Quarantäne zu sein. Natürlich ist es eine Herausforderung, aber wer mich kennt, weiß, dass ich das Beste daraus machen werde.

Was werden Sie als erstes unternehmen, wenn Sie aus der Quarantäne raus sind?

Ich glaube, wir fahren zuerst an den Strand von St. Kilda, da gibt es superschöne Restaurants. Das wird wohl unser erster Ausflug, wenn ich hier rauskomme.

Interview: SID