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Kemme als Turbine-Präsidentin? "Da werden die Türen von innen zugehalten"

Ehemalige Potsdamerin im Interview

Kemme als Turbine-Präsidentin? "Da werden die Türen von innen zugehalten"

Ehemalige Nationalspielerin: Tabea Kemme engagiert sich auch nach ihrer aktiven Karriere im Frauen-Fußball.

Ehemalige Nationalspielerin: Tabea Kemme engagiert sich auch nach ihrer aktiven Karriere im Frauen-Fußball. picture alliance

Inwiefern muss der Frauenfußball aus Ihrer Sicht denn weiterentwickelt werden, Frau Kemme?
Wir müssen ein Bewusstsein dafür bekommen, welches Potenzial wir liegenlassen. In meinem Studium tausche ich mich viel mit Kollegen aus dem Männerbereich aus, im Vergleich sieht man, wie sehr wir im Frauenfußball unserem Potenzial nicht gerecht werden. Dabei können sich alle gegenseitig so viele Impulse geben. Dafür wäre aber auch wichtig, dass mehr Frauen in den Entscheiderpositionen der Vereine und der Verbände sitzen, da wird noch zu sehr im Sinne und aus der Sicht des Männerfußballs entschieden. Frauen in Führungspositionen erhöhen nachweislich die Wahrscheinlichkeit, zukünftigen Herausforderungen mit neuen Lösungen zu begegnen, strukturelle Schwächen schneller zu erkennen und Handlungsmuster zu hinterfragen, die sie nicht selbst etabliert haben. Da sehe ich es als meine Pflicht an, etwas zu bewegen.

Es kommt immer dasselbe Argument, was überhaupt keinen inhaltlichen Bezug hat: Sie ist zu unerfahren und zu jung. Und da bin ich in Deutschland kein Einzelfall.

Tabea Kemme

Warum sind denn vergleichsweise wenige Ex-Spielerinnen in den Frauen-Fußball eingebunden?
Das kann ich anhand meiner eigenen Position erklären: Bei Turbine Potsdam sollte ich eine Botschafter-Position bekommen, aber es entspricht nicht meinem Wertebild, Sympathisanten und Sympathisantinnen des Frauenfußballs Botschaften zu vermitteln, wenn ich nicht an die derzeitige Situation glaube. Deswegen habe ich die analysiert, mein Konzept vorgestellt und mich angeboten. Aber da werden die Türen trotz aller vorgetragenen Kompetenzen und Inhalte von innen fest zugehalten und es kommt immer dasselbe Argument, was überhaupt keinen inhaltlichen Bezug hat: Sie ist zu unerfahren und zu jung. Und da bin ich in Deutschland kein Einzelfall.

Wie war es in England?
Da wird zumindest vom Verband die Gleichberechtigung der Männer- und Frauenteams transparent nach außen gelebt, die Frauen spielen beispielsweise bei Abstellungsperioden der Männer durch die Verbände in den großen Stadien und haben daher eine viel größere Präsenz in der Sportwelt und dadurch auch höhere Zuschauerzahlen.

Der Blick in die Strukturen des Männerfußballs ist für mich eine Horizonterweiterung.

Tabea Kemme

Sie haben für die Frauen des FC Arsenal gespielt. Auch in Deutschland gibt es viele erfolgreiche Frauenteams bei Vereinen mit Männer-Bundesliga-Mannschaften, auch Borussia Dortmund steigt jetzt verstärkt ein. Wie beurteilen Sie das?
Da bin ich absolute Befürworterin. Die Möglichkeiten für die Spielerinnen sind ganz andere, die reinen Frauenvereine können natürlich längst nicht das bieten, was es bei Bayern München oder dem VfL Wolfsburg gibt. Der Blick in die Strukturen des Männerfußballs ist für mich eine Horizonterweiterung und der Austausch mit den Verantwortlichen erfordert ein klares Handeln, um den Athletinnen eine bestmögliche Förderung zu bieten. Deswegen begrüße ich auch die Kooperation von Turbine mit Hertha BSC.

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Interview: Patrick Kleinmann