WM

Wales fordert England: "Keiner will sich zum Deppen machen"

Ex-Nationalspieler Southall über das heiße Duell zwischen Wales und England

"Keiner will sich vor den Augen seiner Freunde zum Deppen machen"

Sprach mit dem kicker vor dem Duell zwischen Wales und England: Der walisische Ex-Nationaltorhüter Neville Southall.

Sprach mit dem kicker vor dem Duell zwischen Wales und England: Der walisische Ex-Nationaltorhüter Neville Southall. Getty Images

Aus Katar berichtet Jörg Jakob

Wales steht vor dem WM-Aus. Doch eine kleine Chance aufs Weiterkommen gibt es noch. Ein Sieg gegen England mit vier Toren Unterschied am Abend wäre ein Wunder. Dass die USA und der Iran sich unentschieden trennen und der Außenseiter gleichzeitig im britischen Bruderduell knapp gewinnt, erscheint realistischer. So oder so: Vor diesem emotional aufgeladenen Derby in Doha beschwören die Waliser den Spirit, sich auf jeden Fall mit Stil und Widerstandskraft verabschieden zu wollen.

Die Motivation als Grundlage für die Sensation

Ashley Williams, der die "Dragons" 2016 als Kapitän anführte, als sie bei der EM in Frankreich begeisterten (Aus erst im Halbfinale gegen Portugal), lässt an diesem Anspruch keinen Zweifel: "Zeigt der Welt, wie Wales wirklich ist!" Nationaltrainer Rob Page fordert diese Einstellung sowieso, eine "Leistung, nach der wir stolz auf uns sein können".  Williams und Page verfolgen den Hintergedanken, dass nur die Motivation, England zu schlagen, die Grundlage dafür schafft, dass eine Sensation in Katar noch möglich wäre.

Der hilflose Auftritt beim 0:2 gegen den Iran soll jedenfalls nicht die Erinnerung an die erst zweite walisische WM-Teilnahme nach 1958 prägen. Ein echtes Pfund, die Balance im Selbstwertgefühl wiederherzustellen, wäre ein Sieg gegen England im 103. Spiel seit 1879. Das letzte wirkliche Erfolgserlebnis gab es 1984. Mit 1:0 bezwangen die Waliser die Engländer. Torschütze damals: der spätere FC-Bayern-Angreifer Mark Hughes.

Neville Southall (insgesamt 92 Länderspiele) stand bei diesem Erfolg im Tor der Waliser. Der kicker sprach mit dem heute 64-Jährigen, der mit dem FC Everton je zweimal die englische Meisterschaft und den FA-Cup gewann sowie den Europapokal der Pokalsieger 1985.

Herr Southall, bei den Europameisterschaften 2016 und 2021 hat sich Wales gut präsentiert, sich anschließend für diese WM qualifiziert. Darüber werden Sie sich gefreut haben.

Ja. Es war ein anhaltender Erfolg, ein großartiger Ansturm in diesen Jahren.

Was lag dem zu Grunde?

2016 bedeutete eine Qualitätssprung, weil mehr walisische Nationalspieler als früher in den höchsten Ligen spielten, weil nun mehr bessere Spieler aus den Nachwuchsbereichen kommen. Dazu die individuelle Klasse Einzelner wie Gareth Bale und Aaron Ramsey.

Umso größer muss die Enttäuschung jetzt gerade sein.

Gegen den Iran hatten wir keinen Sieg verdient. Wenn du den Ball zu häufig hergibst, verlierst du gegen jeden Gegner. In einem Turnier läuft nicht immer alles glatt. Du musst dich wieder aufrappeln, akzeptieren, dass es ein schlechter Tag war und nach vorn schauen. Du brauchst den Spirit für das nächste Spiel. Schau niemals zurück!

Sie spielten in den sogenannten Home Internationals mit den vier britischen Verbänden häufiger gegen England, ehe dieses Turnier 1984 nach 100 Jahren und ihren Triumph über die Three Lions eingestellt wurde …

… du willst dich und dein Land immer möglichst gut repräsentieren. Das Turnier war immer eine schöne Sache nach der Saison. Aber am Ende wohl auch etwas eintönig, weil die Fans immer dieselben Spieler sahen.

Wie ist das Verhältnis zwischen Wales und England? Ist es zwar eine sportliche Rivalität, aber kein "Battle of Britan" wie zwischen Schottland und England?

Es herrscht immer eine spezielle Rivalität, obwohl viele Spieler, die sich gegenüberstehen, in der Premier League Teamkameraden sind oder sich zumindest von dort kennen.

Das Spiel hat somit Derbycharakter?

Ja, vor allem für Wales. Wenn du das kleine Land im Vereinigten Königreich bist, kann das im Fußball auch nerven. Der Teamgeist, der Zusammenhalt, die Stimmung, das alles ist für eine Mannschaft wie Wales besonders wichtig. Keiner in diesem Team will sich vor den Augen seiner Freunde zum Deppen machen.

"Wir sind immer noch hier" heißt es in der inoffiziellen Hymne "Yma o Hyd", die sowohl die walisischen Fans singen als auch die Mannschaft im Bus und vor dem Training. Gefällt Ihnen das Lied?

Ja, sehr natürlich! Dieser Song fasst alles zusammen, was Wales ausmacht, vor allem den Zusammenhalt. Es bedeutet allen Walisern unglaublich viel.

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