Champions League

Lauterns Barça-Trauma: "Nicht vergessen, nur verdrängt"

Legendäres Europacup-Duell 1991

Kaiserslauterns Barça-Trauma: "Nicht vergessen, nur verdrängt"

Jubel nach einem Tor gegen Barcelona - mit auf dem Rasen: Lauterns Guido Hoffmann (re.).

Jubel nach einem Tor gegen Barcelona - mit auf dem Rasen: Lauterns Guido Hoffmann (re.). imago images (2)

1991 hatte sich der 1. FC Kaiserslautern als deutscher Meister für die den Europapokal der Landesmeister, die heutige Champions League, qualifiziert. Nachdem in der ersten Runde der bulgarische Vertreter Etar Veliko Tarnovo bezwungen worden war, trafen die Pfälzer im Achtelfinale auf den großen FC Barcelona. Nach einer 0:2-Niederlage im Hinspiel spielten sich die Roten Teufel zwei Wochen später vor euphorischen Fans auf dem Betzenberg in einen Rausch, führten kurz vor Schluss mit 3:0 - kassierten dann jedoch den späten Nackenschlag durch José Bakeros Treffer zum 1:3, der den Gästen zum Weiterkommen reichte.

Guido Hoffmann (55) bestritt insgesamt 69 Pflichtspiele für den FCK, gewann mit den Pfälzern die Meisterschaft (1991) und den Pokal (1990). Bei den legendären Spielen gegen Barça stand der damals 25-Jährige jeweils 90 Minuten auf dem Rasen. Im Interview mit dem kicker blickt er zurück auf das Drama vom 6. November 1991.

Herr Hoffmann, haben Sie den Betzenberg jemals lauter erlebt als nach dem Treffer zum 3:0, der zum Weiterkommen gereicht hätte?

Nein, das war sicher ein einzigartiger Moment. Auch was vor dem Spiel los war, die Stimmung, die Bengalos, einzigartig. Kurz darauf habe ich den Betzenberg aber so leise erlebt wie nie zuvor …

… als der Treffer von José Bakero in der 90. Minute alle Träume zerstörte.

Es war totenstill im Stadion. Nicht mal die Spanier hat man jubeln gehört, das war wirklich der Wahnsinn. Aber es hat nur einen kleinen Moment gedauert, dann war die ursprüngliche Atmosphäre wieder zurück. Das ist einfach die Mentalität des Vereins und der Leute in Kaiserslautern, innerhalb von wenigen Momenten umswitchen zu können. Das sieht man ja heute noch. Es war aber generell die Stimmung rund um dieses Spiel, die ich nie vergessen werde. Ich kann mich noch ganz genau an den Abend vor dem Spiel erinnern.

kicker vom 7. November 1991

"Drei tolle Tore reichten nicht" - Die kicker-Titel-Seite vom 7. November 1991. kicker

Erzählen Sie bitte.

Es ist ja üblich, dass man vor solchen Spielen ein Abschlusstraining im Stadion macht. Wir waren fast fertig, als gerade die Spieler von Barcelona ins Stadion kamen - mit Lackschuhen und Designeranzug. Die amüsierten sich und dachten, das sei das Trainingsstadion. Das war natürlich eine extra Portion Motivation für uns. Wir wollten es allen und uns selbst beweisen, dass wir zu Recht in diesem Wettbewerb und deutscher Meister waren. Dass es dann so unglücklich läuft, das sind die Geschichten, die der Fußball eben schreibt.

Eine Geschichte, die auch 30 Jahre später in der Pfalz noch jeder Fußballfan kennt. Was ist das für ein Gefühl, noch heute regelmäßig darüber zu sprechen?

Es ist häufig sogar das Erste, was in Gesprächen mit Fans zur Sprache kommt (lacht). Auf der einen Seite ist es etwas überraschend für mich, dass es immer noch so ein großes Thema ist und nicht vergessen wird, auf der anderen Seite ist es auch etwas beängstigend: Ist in den 30 Jahren nichts anderes passiert? (lacht) Für den Verein war es eine tolle Sache, überhaupt in der Champions League zu spielen, und allein damit einer der Höhepunkte. Für mich persönlich war gerade das Hinspiel leider kein Höhepunkt.

Sie hatten beim Stand von 0:2 vor dem leeren Tor den Anschlusstreffer auf dem Fuß. Ist in dem Moment der Jubel von über 60.000 Spaniern im Camp Nou auf sie eingeprasselt?

Man schämt sich, nein, vielmehr würde ich sagen, man ist selbst enttäuscht von sich, dass man diese Gelegenheit nicht genutzt hat. Das gute daran, wenn man überhaupt etwas Gutes an der Situation finden konnte, war, dass die Mannschaft und auch ich in dem Spiel trotzdem noch gute Aktionen hatten.

Wie lange hat Sie die vertane Chance danach nicht losgelassen?

Natürlich behält man so etwas länger im Kopf, als wenn ich den Ball reingemacht hätte. Es gab sicherlich auch vereinzelt Bemerkungen aus dem Umfeld, aber die hielten sich doch in Grenzen. Jedenfalls habe ich das für mich so wahrgenommen. Nach einigen Tagen ging der Fokus dann natürlich wieder auf die Bundesliga, auf das nächste Spiel. Aber es ist bis heute nicht vergessen, nur verdrängt.

kicker vom 7. November 1991

"Ein Patzer in letzter Minute" - Auf einer Doppelseite arbeitete der kicker das Spiel auf. kicker

Welches Gefühl hat Sie auf der Heimreise von Barcelona begleitet?

Natürlich die große Enttäuschung, das Tor, das wichtige Auswärtstor nicht gemacht zu haben. Aber wir wussten: Die müssen auch erstmal nach Kaiserslautern kommen. Mit unseren Fans im Rücken können wir was reißen. So ist es dann ja auch gekommen - zumindest fast.

Sie sind im Besitz des Trikots, das bei den meisten Fans in Kaiserslautern wohl beim Anblick eine Mischung aus Wut und Trauer auslöst …

… generationenübergreifend (lacht).

Die Rede ist von Bakeros Trikot, dem aus dem Hinspiel in Barcelona. Hat es denn seinen Ehrenplatz behalten, auch nachdem er im Rückspiel die Sensation verhindert hatte?

Natürlich. Das waren ja auch für mich unvergessene Spiele als Fußballer. Aber kein Trikot, was ich in meiner Karriere getauscht habe, hat einen Ehrenplatz. Alle hängen zusammen auf gleichen Kleiderbügeln.

Hat es lange gedauert, bis die Enttäuschung nach dem Ausscheiden dem Stolz über das Erreichte gewichen ist?

Es hat vielleicht länger gedauert als nach den vergebenen Möglichkeiten im Hinspiel, weil damit ja klar war, dass man aus dem Wettbewerb raus war. Aber wir konnten uns ja nicht hängen lassen, die Bundesliga hat ja nicht wegen uns pausiert.

Interview: Moritz Kreilinger

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