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Jürgen Heil im Interview: "Da geht es darum, dass man die Eier hat, um so zu spielen"

Hartberg-Profi blickt zurück

Jürgen Heil im Interview: "Da geht es darum, dass man die Eier hat, um so zu spielen"

Jürgen Heil blickt positiv voraus.

Jürgen Heil blickt positiv voraus. GEPA pictures

Wie bereits im vergangenen Jahr erlebt der TSV Hartberg auch heuer nicht die einfachste Saison und steckt nach dem Grunddurchgang im Tabellenkeller fest. Nach dem Trainerwechsel zu Markus Schopp zeigten die Oststeirer im Frühjahr aber schon eine bessere Seite von sich und konnten wichtige Punkte für den kommenden Abstiegskampf sammeln.

Vize-Kapitän Jürgen Heil absolviert mittlerweile seine achte Saison für die Hartberger und erlebte bereits die erste erfolgreiche Zeit unter Cheftrainer Schopp mit. Im Interview mit dem kicker spricht der routinierte Mittelfeldspieler über die ersten Partien unter dem ehemaligen Nationalteamspieler, seine Rolle in der Mannschaft und wie er die Gesamtentwicklung des Vereins sieht.

Herr Heil, mit einem 2:2-Unentschieden gegen den LASK hat sich Ihr Team mit einem Achtungserfolg in die Länderspielpause verabschiedet. Aufgrund des Spielverlaufs hätte man sogar gewinnen können. Sind Sie dennoch glücklich über den Punktgewinn oder trauern Sie einem möglichen Sieg hinterher?

Eine sehr schwierige Frage. Es sind gemischte Gefühle. Einerseits ist man wieder einmal stolz auf die Leistung, aber andererseits weiß man, dass man keinen Sieg mitgenommen hat. Wenn man sich das Spiel über 90 Minuten ansieht, ist es ein gerechtes Remis, aber wenn du so kurz vor Schluss noch 2:1 führst, tut es natürlich weh, dass wir nicht die drei Punkte geholt haben. Im Großen und Ganzen überwiegt aber schon, dass wir am richtigen Weg sind. Das gibt uns einen Push für den Start des unteren Play-offs.

Gegen die Linzer konnte man in gewissen Phasen bereits sehr gut die Entwicklung unter Markus Schopp sehen. Wie viel vom Fußball, den er gerne spielen lassen möchte, ist bereits sichtbar?

Ein Grundgerüst ist da. Wir bekommen von Woche zu Woche mehr Sicherheit. Jeder, der etwas Ahnung vom Fußball hat, sieht, dass wir uns in dieser Idee wohlfühlen und sicher auch noch wachsen müssen. Wenn wir so spielen wollen, müssen wir alle sehr mutig auftreten und da liegt es an jedem Spieler, dass er sein Herz in die Hand nimmt. Da geht es darum, dass man nicht nur davon redet, sondern das auch auf den Platz bringt und auch die Eier hat, um so zu spielen.

Die Verpflichtung von Markus Schopp hat im Verein für viel Euphorie und Aufschwung gesorgt. Wie viel Push hat seine Rückkehr für das Frühjahr gegeben? Wie wichtig war diese Entscheidung?

Es war bereits abzusehen, dass sich bei uns etwas tun wird über den Winter. Es war schon eine sehr schwierige Phase zum Schluss des Herbsts, wo wir an unserer Qualität gezweifelt haben. Es war dann extrem wichtig, dass du einen Trainer kriegst, der eine Richtung und eine klare Idee vorgibt und wo jeder mitzieht. Das haben wir mit Markus Schopp sicher bekommen. Da weiß jeder, was er zu tun hat. Daher war es ein ganz entscheidender Punkt, dass der Verein diesen Schritt gemacht hat, weil wir doch schon innerhalb der Truppe ein wenig Probleme hatten. Nicht außerhalb vom Platz, aber am Platz war im Herbst schon spürbar, dass wir vielleicht nicht mehr die Einheit sind, die wir schon einmal waren. Jeder hat irgendwie sein eigenes Süppchen gekocht und das geht halt nicht. Da haben wir nicht die Einzelspieler, mit denen man so etwas auffangen kann. Wir müssen immer vom Kollektiv kommen und deshalb ist es schon wichtig, dass wir da jetzt eine klare Linie haben.

Was zeichnet die Arbeit von Markus Schopp aus? Wie schafft er es, die Mannschaft zu erreichen?

Er sieht in gewissen Spielern etwas, was andere Trainer vielleicht nicht sehen. Er traut den Spielern extrem viel zu, gibt dir als Profi einfach ein sehr gutes Gefühl und dadurch wirst du bestärkt. Das ist allein von der menschlichen Seite schon sehr wichtig. Viele andere Trainer setzen im Abstiegskampf auf einen anderen Ansatz, wo eher Sicherheit im Vordergrund steht und du mehr das Gefühl hast, dass der Coach uns gewisse Dinge vielleicht gar nicht zutraut. Das ist bei ihm aber ganz anders. Er weiß natürlich, von wo wir gekommen sind, weiß aber auch, dass wir besser sind, als wir das im Herbst gezeigt haben.

Wenn man sich die ganzen Spiele anschaut, waren wir in keiner Partie die schlechtere Mannschaft. Von dem her ist das Fazit positiv.

Jürgen Heil

In den ersten sechs Spielen seit seiner Rückkehr gab es zwei Siege, ein Remis und drei Niederlagen. Welche Frühjahrsbilanz ziehen Sie nach den ersten Auftritten?

Eigentlich eine gute. Ich glaube, wir haben unser schlechtestes Spiel gleich in der ersten Runde gemacht. Das haben wir zwar gewonnen gegen Ried, aber das war auch das erste von den sechs Spielen, wo noch nicht alles so gefestigt war. Wenn man sich die ganzen Spiele anschaut, waren wir in keiner Partie die schlechtere Mannschaft. Von dem her ist das Fazit positiv, aber irgendwie hat man auch wieder gemischte Gefühle, weil man mehr Punkte aus diesen Spielen mitnehmen muss.

Mit einem Punkt Vorsprung auf das Tabellenende startet man nun in das untere Play-off. Wie schätzen Sie die Ausgangslage Ihrer Mannschaft ein?

Es liegen alle Mannschaften innerhalb von sechs Punkten. Wir starten bei Null, denn für jeden Verein ist von Platz sieben bis Platz zwölf alles möglich. Natürlich wollen wir das Thema Abstieg so schnell wie möglich abhaken, aber wir wissen auch, dass das nicht so einfach sein wird. Natürlich haben wir gegen den WAC und Ried jetzt gewonnen, aber das werden wieder ganz andere Spiele, wenn es um alles geht. Da müssen wir zeigen, ob wir unsere Idee auf den Platz bringen können. Dort heißt es, sich nicht zu verstecken, denn mit Angst wird man nicht viel erreichen.

Orientiert man sich nach dem schwierigen Herbst zunächst nach unten oder spekuliert man sogar mit den oberen Plätzen in der Qualifikationsgruppe?

Ich glaube, es wäre nach dem Herbst von uns vermessen zu sagen, dass wir Siebenter oder Achter werden wollen. Dass es möglich ist, glaube ich absolut, weil die Qualität da ist. Wir haben die Qualität, dass wir um die oberen Plätze mitspielen können, aber die Frage ist, ob wir das auf den Platz bringen. Daher wird es am Anfang einfach nur darum gehen, dass wir die Punkte machen und dann wird man eh sehen, wohin die Reise führt. Können wir uns nach oben orientieren oder kämpfen wir bis zum letzten Spieltag gegen den Abstieg.

Dafür hat man sich in der Winterpause sowohl quantitativ als auch qualitativ verstärkt, hat unter anderem Donis Avdijaj zurückgeholt. Wie bewerten Sie die ersten Auftritte Ihrer neuen Teamkollegen? Wie viel Stärke hat man durch sie dazugewonnen?

Von der individuellen Qualität haben wir uns im Winter mit Sicherheit verstärkt. Vor allem im offensiven Bereich. Da sind schon sehr gute Kreativspieler dabei, die der Verein holen konnte. Ich glaube aber, dass bei den Spielern noch mehr Potential drinnen ist. Da hat sowieso jeder den Anspruch an sich selbst, dass er noch mehr auf den Platz bringt. Es sind ja auch vor allem Spieler, die zuvor keine leichte Zeit bei ihren ehemaligen Vereinen hatten und daher war klar, dass sie ein, zwei Spiele brauchen werden. Im Endeffekt sieht man aber, dass sie uns weiterhelfen und je mehr Spiele sie kriegen, desto mehr Selbstvertrauen bekommen sie und dann wird das mit der Zeit noch besser werden.

Das sind die Trainer der österreichischen Bundesligisten

Sie haben sich im vergangenen Jahr im Sommer gegen einen Transfer und für eine Vertragsverlängerung in Hartberg entschieden. Nun erleben Sie erneut einen Abstiegskampf mit Ihrer Mannschaft. Wie viel Vertrauen haben Sie weiterhin in dieses Projekt?

Die Frage im Sommer damals war, ob ich mich für einen neuen Weg entscheide oder ob ich mich hier in Hartberg noch weiterentwickeln kann. Von dem her ist das richtig gut aufgegangen, weil ich den Anspruch hatte, dass ich auch schon in meinem Alter absoluter Stammspieler bin und eine Führungsperson innerhalb der Mannschaft sein möchte. Wenn man mit 25 Jahren Vize-Kapitän bei einem Erstligisten ist, geht das absolut in die richtige Richtung. Ich lerne extrem viel dazu und übernehme immer mehr Verantwortung. Das ist auch wieder ein Prozess, wo man schauen muss, was man machen kann und was gar nicht passt. Da habe ich in den vergangenen Jahren von den Führungsspielern viel gelernt und jetzt sehe ich mich in der Verantwortung, dass ich in der Mannschaft vorangehe. Ich will nicht nur am Platz laut sein, sondern auch Spieler zur Seite nehmen und ihnen Mut zusprechen. Daher ist das voll aufgegangen. Klar, die sportliche Situation ist keine einfache, aber das kann dir in Hartberg immer passieren. Wir sind trotzdem der kleinste Verein in der Bundesliga. Das darf man auch nicht vergessen.

Wie beurteilen Sie dahingehend die generelle Entwicklung des Klubs? Herrscht Enttäuschung darüber, dass man die erfolgreicheren Zeiten von früher nicht bestätigen konnte oder sieht man das mit den Gegebenheiten ohnehin realistisch?

Natürlich ist man enttäuscht. Wir haben uns vergangene Saison und auch heuer viel mehr vorgenommen, weil wir wissen, dass es möglich ist, um die Europacupplätze mitzuspielen. Das ist insgeheim in jedem Spieler unserer Mannschaft drinnen. Denn die, die es schon die Jahre davor erlebt haben, wissen, dass es mit einem klaren Plan und einer guten Idee sehr weit nach oben gehen kann. Dann ist man natürlich sehr enttäuscht, wenn es nicht so läuft, wie man sich das vorstellt. Da muss aber jeder Spieler bei sich sich selbst anfangen, warum das so ist. Da darf man nicht immer Ausreden suchen und sagen: 'Der Trainer ist oasch, alles ist oasch und der Verein ist so klein.' Jeder entscheidet sich für den Weg hierher und dann muss er halt auch zu 100 Prozent dazu stehen.

Da muss ich auch den Hut vor ihm ziehen, weil andere bestimmt noch das Halbjahr durchgezogen und erst im Sommer aufgehört hätten. Aber es bringt uns ja als Mannschaft nichts, wenn er nicht mehr mit 100 Prozent dabei ist.

Jürgen Heil über das Karriereende von Rene Swete

Mit Rene Swete verabschiedete sich der langjährige Stammtorhüter und Kapitän vor Beginn der Frühjahrsvorbereitung in den Ruhestand. Sie sind sehr gut mit ihm befreundet. Wie überraschend kam diese Entscheidung?

Der Zeitpunkt war eher überraschend. Der Rene ist einer meiner besten Freunde geworden und ich habe es daher mitgekriegt, dass er sich schon länger die Frage gestellt hat, wie lange er das noch machen will. Daher war schon abzusehen, dass es nicht mehr allzu lange gehen wird und wenn er sich entscheidet, dass es aus ist, ist es aus. Da muss ich auch den Hut vor ihm ziehen, weil andere bestimmt noch das Halbjahr durchgezogen und erst im Sommer aufgehört hätten. Aber es bringt uns ja als Mannschaft nichts, wenn er nicht mehr mit 100 Prozent dabei ist. Daher freut es mich auch, dass er es gemacht hat, weil es ihn mental zum Schluss schon etwas belastet hat.

Welche Auswirkungen hatte diese Entscheidung auf Sie und Ihr Team, wenn man den Kapitän so unerwartet verliert?

Natürlich hat es uns alle kalt erwischt, weil er uns leider auch nichts früher sagen konnte, da sich der Verein nach einem neuen Torhüter umgesehen hat. Da wollte niemand, dass es rauskommt und daher hat er auch uns länger nichts sagen können. Als wir es dann erfahren haben, war es natürlich ein Schock für alle, weil der Rene in der Mannschaft sehr beliebt war. Es geht gar nicht so sehr darum, was er für ein Fußballer oder eine Führungsperson innerhalb der Mannschaft war, sondern da geht dir der Mensch einfach brutal ab. Das hat uns natürlich getroffen, aber es war nicht richtig lange Thema, weil du es nicht ändern kannst. Es ist, wie es ist und in der Mannschaft haben es alle verstanden.

Raphael Sallinger macht als neue Nummer eins bisher einen guten Job. Wie sehr hat er sich diese Chance verdient?

Bei vielen anderen Bundesligisten hätte der Salli vermutlich schon vorher gespielt. Er hatte hier einfach ein wenig das Pech, dass der Rene halt Kapitän und unumstrittene Nummer eins war. Dass der Salli aber eine unglaubliche Qualität als Torhüter hat, haben wir schon länger gewusst. Es ist ja nicht so, dass wir ihn ins kalte Wasser geschmissen haben, sondern wir haben genau gewusst, dass wir uns auf dieser Position von der Qualität her nicht verschlechtern werden.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich keiner bin, der sich an Scorerpunkten misst. Weil ich nie der Spieler war, der die entscheidenden Akzente setzt.

Jürgen Heil

Im vergangenen Jahr waren Sie noch der zweitbeste Scorer Ihrer Mannschaft. Heuer stehen Sie bei zwei Assists, aber keinem Tor. Sehen Sie das selbstkritisch oder ist das vor allem ihrer veränderten Rolle im Team geschuldet?

Ich muss ehrlich sagen, dass ich keiner bin, der sich an Scorerpunkten misst. Weil ich nie der Spieler war, der die entscheidenden Akzente setzt. Natürlich ist es schön, wenn du Scorerpunkte hast, aber ich habe heuer eine defensivere Rolle gespielt. Vor allem im Herbst. Da bin ich gar nicht in die Aktionen im letzten Drittel gekommen. Natürlich erwarte ich von mir immer mehr. Jeder, der mich kennt, weiß, wie ehrgeizig ich bin und dass mich manche Sachen wurmen, über die andere gar nicht nachdenken. Wenn man meine vergangene Saison mit der heurigen vergleicht, fällt das natürlich auf, aber ich persönlich will nur so gut wie möglich der Mannschaft helfen. Das wird bei mir immer im Vordergrund stehen.

In der Qualifikationsgruppe geht es nun vor allem ums Punktesammeln. Kann man da überhaupt weiterhin einen spielerischen Ansatz verfolgen oder wäre das zu riskant?

Es wäre fatal, wenn wir uns jetzt im Abstiegskampf verstellen würden. Für uns waren die sechs Runden auch schon Vorbereitung auf das untere Play-off. Daher werden wir an unserer Grundidee nicht viel verändern, weil wir gesehen haben, dass wir damit erfolgreich sein können. Je mutiger du auftrittst, desto mehr Punkte kannst du einfahren. Wenn man ängstlich ist, geht es meist schlecht aus im Leben.

Interview: Maximilian Augustin

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