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Frauen-Bundesliga: MSV Duisburg und seine US-Amerikanerinnen

Von Sünderinnen und Allesspielerinnen

Jetzt sind es wieder fünf: Duisburgs amerikanische Warum-nicht-Momente

American Dream? Brooke Denesik (2. v. li.) und Kaitlyn Parcell (Mi.) lösten ihre Verträge auf, Natalie Muth (li.), Samantha Jerabek (2. v. re.) und Allie Hess (re.) laufen auch in der Rückrunde in Zebrastreifen auf.

American Dream? Brooke Denesik (2. v. li.) und Kaitlyn Parcell (Mi.) lösten ihre Verträge auf, Natalie Muth (li.), Samantha Jerabek (2. v. re.) und Allie Hess (re.) laufen auch in der Rückrunde in Zebrastreifen auf. imago images

Eigentlich war es ja nur folgerichtig. Hätte man tippen müssen, welche Bundesliga-Spielerin die nächste Ampelkarte sehen würde, man wäre wohl an ihrem Namen hängen geblieben. Nach sieben Spieltagen hatte Natalie Muth vom MSV Duisbug schließlich schon zum ersten Mal gelbgesperrt aussetzen müssen. Ihre beachtliche Bilanz bekam nun, beim 1:4 gegen Bayer 04 Leverkusen einen roten Tupfer. Erst Ballwegschlagen in der ersten Halbzeit, dann ein grobes Tackling gegen Loreen Bender kurz vor Ende. In der Sünderinnen-Kartei liegt die 25-Jährige damit alleine an der Spitze.

"Ich glaube, das ist mein Spielstil", sagt Muth lächelnd zum kicker - wohlgemerkt noch vor ihrem Platzverweis. "Bei jedem Team, für das ich gespielt habe, habe ich wegen einer Gelbsperre mindestens ein Spiel verpasst." Ihren Stil will sie aber nicht ändern, sagt sie: "Es ist wichtig, dass wir kämpfen, gerade angesichts des Tabellenstands."

Letzter ist ihr Team, der MSV Duisburg, keinen einzigen Bundesliga-Sieg haben die Zebras in der gesamten Jahreshälfte eingefahren. "Wir haben alle Puzzleteile, die es braucht", gibt sich Muth sicher und verweist auf die ordentlichen Partien in der Saisonvorbereitung. "Wir müssen einfach geduldig sein. Unsere Zeit wird kommen."

Der Klub kam ziemlich frühzeitig auf mich zu, ich war auch etwas überrascht.

Natalie Muth über ihre Vertragsverlängerung

Trotz der enttäuschenden Bilanz mit zwei Punkten aus zehn Partien fehlen nur vier Punkte zum rettenden zehnten Platz, den RB Leipzig belegt. Die Frauenfußball-Stadt, die Alexandra Popp, Marina Hegering, Martina Voss-Tecklenburg oder Inka Grings hervorgebracht hat, steht vor dem Sturz in die Bedeutungsarmut.

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"Wir brauchen eine bisschen bessere Kompaktheit, eine etwas bessere Verbindung zwischen den Mannschaftsteilen", erklärt Muth, wenn man sie fragt, woran es krankt. "Wir arbeiten daran die ganze Zeit im Training." Sichtbare Erfolge stellen sich noch nicht ein, dennoch band sich Muth im November nach gerade einmal acht Einsätzen langfristig an den MSV. "Der Klub kam ziemlich frühzeitig auf mich zu, ich war auch etwas überrascht", sagt Muth. "Aber sie wollen schon jetzt das Team weiter aufbauen und stärken."

Der Haken: Der neue Vertrag gilt nur für die Bundesliga. Die Muth bei deren Debüt ohne Gnade empfing - mit einem 0:9 gegen die TSG Hoffenheim. Beim Stand von 0:5 wurde sie eingewechselt. Heute kann sie über den Start lachen: "Am Ende des Spiels kam eine Teamkollegin zu mir und sagte: 'Willkommen in der Bundesliga!'"

Parcell und Denesik verabschiedeten sich im Dezember

Die Mittelfeldspielerin war in der Hinrunde eine von gleich fünf US-Amerikanerinnen im Kader der Zebras. Plötzlich allerdings blieben nur noch drei übrig: Mitte Dezember teilte das Kellerkind jeweils knapp mit, dass die Verträge mit Außenverteidigerin Kaitlyn Parcell (26) und mit Abwehr-Allrounderin Brooke Denesik (27) aufgelöst worden seien. Inzwischen füllten die Zebras ihr US-Kontingent wieder auf und verpflichteten Taryn Ries sowie Haley Thomas. Da waren es wieder fünf.

Mit Denesik hatte Muth derweil schon in Kasachstan zusammengespielt, für BIIK Kazygurt, sie hatte Muth die Bundesliga aus spielerischen Gründen empfohlen. "Der deutsche Spielstil liegt mir besser als der spanische", bestätigt Muth, die Deutsch in der High School gelernt hat, heute. "Mit 17 oder 18 reiste ich zum ersten Mal nach Europa, für drei Wochen Deutschland. Seitdem habe ich immer gesagt: Ich will dahin zurück und würde da am liebsten spielen. Ich bin froh, dass es geklappt hat."

Erst im Sommer kam Muths WG-Kollegin dazu: Samantha Jerabek (24) von den VCU Rams aus Virginia. Die Stürmerin absolvierte eine torreiche Saisonvorbereitung und durfte nach sieben Jokereinsätzen kürzlich erstmals in der Bundesliga starten, Mitte Dezember gegen Werder Bremen (0:2).

Stürmerin, Mittelfeldspielerin, Verteidigerin? Hess ist alles

Die letzte US-Amerikanerin nimmt die wohl wichtigste Rolle im Team von Thomas Gerstner ein: Allie Hess, die gar zu einer von drei MSV-Kapitäninnen bestimmt worden war. Auf welcher Position die 27-Jährige für die Zebras aufläuft, lässt sich gar nicht so leicht beantworten. Als Mittelstürmerin, zentrale Mittelfeldspielerin und als Innenverteidigerin kam Hess in dieser Saison zum Einsatz.

Die Umstellung von Woche zu Woche fällt ihr nicht leicht. "Gerade weil es bei mir die entgegengesetzten Rollen sind - ganz vorn oder ganz hinten", sagt Hess zum kicker. "Als Angreiferin spielst du riskant, als Verteidigerin genau das nicht."

Als ihre Lieblingsposition bezeichnet die 1,77 Meter große gelernte Angreiferin inzwischen das zentrale Mittelfeld. "Innenverteidigung ist jetzt etwas ganz Neues für mich. Ich vermute, der Trainer hat mich dort aufgestellt, weil ich grundsätzlich überall im Zentrum spielen kann und Stärken in Luftduellen und beim Kopfball habe."

In kurzer Zeit von gar keiner Spielpraxis in die Bundesliga

Hess bringt eine kuriose Vita mit: Zwischen 2018 und 2021 lief sie überhaupt nicht für einen Klub auf, hartnäckige Knöchelprobleme raubten ihr Ambitionen und Spaß. "Mein Körper war in einem Zustand, in dem er keinen Fußball mehr ertrug", sagt sie rückblickend. Auch heute sind die Probleme nicht ganz verflogen: "Wenn ich morgens aufwache, sind die ersten Sekunden immer recht hart. Aber man gewöhnt sich dran."

Wie es Hess schaffte, binnen kurzer Zeit von null Spielpraxis in die Bundesliga durchzustarten, ist ihr ein bisschen selbst ein Rätsel: "Ich hätte auch nicht gedacht, dass das geht." Neben ihrem Studium arbeitete sie in der Uni als Trainerin, spielte nur nebenher. "Dann kam aber Kansas City Current auf mich zu - und es war ein Warum-nicht-Moment. Mein Körper fühlte sich zu dem Zeitpunkt gut an, also habe ich es versucht."

Trotz wenig Einsatzzeit bei Kansas City habe ihr Coach sie etwas später angesprochen: "Der MSV Duisburg aus Deutschland sucht eine Stürmerin. Hast du Interesse?" Hess, die bis dahin ihr ganzes Leben im US-Bundesstaat Missouri verbracht hatte, dachte nach: "Für mich war das wieder ein Warum-nicht-Moment. Ich habe mich gefragt: Warum soll ich es nicht machen? Es hat alle meine Anforderungen erfüllt: eine komplett neue Kultur und ein guter Klub in einer starken Liga." Hess verließ ihre vielzitierte Komfortzone.

Entscheidungsträger beim MSV: Trainer Thomas Gerstner (li.) und Lizenzabteilungsleiter Dario Mlodoch.

Entscheidungsträger beim MSV: Trainer Thomas Gerstner (li.) und Lizenzabteilungsleiter Dario Mlodoch. IMAGO/Nico Herbertz

Die Eingewöhnung in Deutschland sei leicht gefallen. "Als ich herkam, gab es hier schon ein paar echt sympathische Amerikanerinnen. Das hat vielleicht das Fundament gelegt", sagt Hess lächelnd und meint Kelsey Vogel, Meg Brandt, Savanah Uveges und Brenna Ochoa. Alle längst wieder weg. Zwei andere verpasste sie zeitlich nur knapp, eine weitere ist schon wieder zurück in Arizona. Dass die Zebras im College-Fußball zuschlagen, hat inzwischen schon Tradition. Streifen zieren nicht nur das MSV-Trikot, sondern auch die US-Flagge.

Nachhaltigen Eindruck hinterlassen wie Hess haben zugegebenermaßen die wenigsten. Oft bleibt es bei kurzen Stationen. "In der jüngsten Vergangenheit kam es zu Auflösungen von Verträgen aus privaten Gründen, und es war rein zufällig, dass dabei zwei Amerikanerinnen betroffen waren. Es gab keine vorherige strategische Planung bezüglich der Vertragsdauer in diesen Fällen", sagt Dario Mlodoch, Lizenzabteilungsleiter der MSV-Frauen, dem kicker.

Die Brücke über Capelli Sport zum US-amerikanischen Markt ist für uns von unschätzbarem Wert.

Dario Mlodoch

Aber steckt generell eine Strategie hinter den vielen US-Akteurinnen in Zebrastreifen? "Zu der Zeit, als wir in der 2. Bundesliga spielten und den sofortigen Aufstieg in die 1. Bundesliga anstrebten, haben wir tatsächlich eine strategische Herangehensweise verfolgt", sagt Mlodoch. "Damals gestaltete sich die Rekrutierung deutscher Spielerinnen mit sofortiger Bundesliga-Qualität als herausfordernd."

Daher habe sich das Netzwerk von Partner und Ausrüster "Capelli Sport" als "äußerst hilfreich" erwiesen, um talentierte US-Amerikanerinnen zu gewinnen: "Die Brücke über Capelli Sport zum US-amerikanischen Markt ist für uns von unschätzbarem Wert."

Grüppchenbildung will man vermeiden

Birgt eine solche Fokussierung auch Gefahren? Sowohl Hess als auch Muth legen Wert darauf, dass die amerikanische Gruppe sehr gut ins gesamte Team integriert ist. "Generell habe ich nicht das Gefühl, dass es Grüppchen innerhalb des Teams gibt. Mit den Deutschen spreche ich genauso viel wie mit den Amerikanerinnen", sagt Muth.

Auch Mlodoch ist sich dieses Themas bewusst. "Zur Vermeidung einer übermäßigen Dominanz des amerikanischen Einflusses im Kader wurden Verträge zu diesem Zeitpunkt teilweise kurzfristig gestaltet oder auch aufgelöst", sagt der MSV-Funktionär. Aktuell verfolge man "keine spezielle Strategie" bezüglich weiterer US-Zugänge, aber man setze weiterhin auf das "bewährte" Netzwerk von "Capelli Sport".

Die Deutschen sind alle super in Englisch.

Natalie Muth

Und wie ist es, Kapitänin zu sein, ohne die Sprache zu sprechen? "Ich verstehe es ja etwas. Um mit der Schiedsrichterin zu sprechen, reicht es", sagt Führungskraft Hess. Die 27-Jährige schätzt sich selbst als "ziemlich laut" ein, "egal, ob auf dem Platz oder abseits davon. Ich bin so etwas wie die Erzieherin, die Mum. Mir ist es wichtig, dass alle ihren Wert kennen". Und außerdem: Am Ende des Tages sei Fußball die Universalsprache: "Ich denke nicht, dass es in irgendeiner Form hemmt, dass ich eine andere Sprache spreche."

Chefcoach Gerstner macht alle Ansagen in der Kabine auf Deutsch, Co-Trainer Nick Fisher übersetzt. "Aber um ehrlich zu sein: Unter allen Teams, für die ich in meiner Karriere gespielt habe, ist das das am besten englischsprechende", lobt Muth, die schon etwas herumgekommen ist. In Spanien, bei Levante Las Planas, sei sie hingegen die einzige Englischsprechende gewesen. Aber hier sei das kein Problem: "Die Deutschen sind alle super darin."

Jetzt muss nur noch die fußballerische Verständigung noch besser klappen.

pab

Die Kapitäninnen der Frauen-Bundesliga 2023/24