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Jasmin Eder im Interview:  "Wir müssen uns international nicht verstecken"

Wiens "Sportlerin des Jahres" 2021 hat wieder viel vor

Jasmin Eder im Interview: "Wir müssen uns international nicht verstecken"

SKN-Kapitänin Jasmin Eder.

SKN-Kapitänin Jasmin Eder. GEPA pictures/David Bitzan

Mit einem 9:0-Testspielsieg gegen SV Neulengbach ist Österreichs Frauen-Serienmeister SKN St. Pölten Dienstagabend erfolgreich ins Jahr 2022 gestartet. Kapitänin Jasmin Eder und ihre "Wölfinnen" spüren in der Bundesliga mit Sturm Graz erstmals seit Jahren echte Konkurrenz im Nacken.

Im Nationalteam warten auf Eder und Co. schwere Herausforderungen in der WM-Qualifkation und eine Hammergruppe bei der EM mit Gastgeber England als Auftaktgegner, Nordirland und Norwegen.

Im Interview mit dem kicker verrät Wiens "Sportlerin des Jahres" 2021 die größten Trümpfe des SKN St. Pölten und vom ÖFB-Frauennationalteam und gibt auch jungen Spielerinnen ein paar Tipps mit auf den Weg.

kicker: Frau Eder, 2020 wurde die Bundesliga coronabedingt nicht fertig gespielt, 2021 ist der SKN schon in der Champions-League-Quali ausgeschieden. Wird 2022 aus SKN-Sicht erfreulicher?

Jasmin Eder: Das stimmt. Es waren jedoch auch durchaus erfreuliche Momente in den letzten beiden Jahren dabei, wie zum Beispiel die Champions-League-Saison 2020. Wir sind jedenfalls hochmotiviert, arbeiten an uns und wollen jetzt, bevor wir überhaupt an die Champions League denken, unsere Aufgaben in der heimischen Liga bestmöglich erledigen, um am Ende als Meister dastehen zu können. Wenn wir dann im Qualifikationsmodus performen und auch ein bisschen Glück haben, könnte das ein sehr cooles Jahr werden.

Was macht Sie da so sicher?

Ich war vergangene Woche ein wenig angeschlagen und bin deswegen für eine kurze Phase ein bisschen mehr in die Beobachterrolle gefallen. Da ist mir Folgendes noch einmal richtig bewusst aufgefallen: Jeder einzelne, vom Vorstand, unserem Trainer- und Betreuerteam, bis hin zu jeder einzelnen Spielerin, gibt hier jeden Tag Vollgas und bringt sich komplett für den Erfolg des Teams ein. Und genau das macht uns stark. Genau das wird uns dieses Jahr auch wieder stark machen. Ein gewisses Quäntchen Glück muss man sich erarbeiten.

Künftig möchte der SKN auch bei den Frauen mit dem VfL Wolfsburg kooperieren. Wie finden Sie das als ehemalige Deutschland-Legionärin und wie können beide Seiten profitieren?

Ich finde es gut, wenn Austausch passiert und man von einander lernen kann. Wolfsburg ist seit vielen Jahren in Deutschland sowie international einer der Topklubs und bringt ganzheitlich sehr viel Know-how mit. Ich denke, wir müssen uns aber auch nicht verstecken. Ganz im Gegenteil: Wir machen auch auf der internationalen Bühne Schritte nach vorne, haben ein sehr zielstrebiges Team mit einem Top-Trainerstab, einem guten Mix aus erfahrenen Spielerinnen und Talenten mit einer richtig coolen Teamkultur. Abgesehen davon ist unsere Infrastruktur hier in St. Pölten auch vielen deutschen Klubs weit voraus. Dieses Paket kann für die ein oder andere junge deutsche Leihspielerin, die sich altersbedingt beim VfL vielleicht noch nicht durchsetzen konnte, ein nächster guter Entwicklungsschritt sein. Eine solche Leihe stellt natürlich für beide Seiten eine vielversprechende Möglichkeit dar.

Die Top-Wintertransfers der österreichischen Bundesliga

Nach einem internationalen Testspiel bei ZNK Pomurje in Slowenien geht es für Sie erstmals seit Jahren mit dem SKN in ein Trainingslager ins Ausland, in die Türkei. Wie finden Sie das?

Ich freue mich auf die Woche mit dem gesamten Team. Ich bin sicher, dass wir super Bedingungen vorfinden, neben dem Training genug Zeit haben werden, für uns klare Ziele und Visionen zu definieren und gut zu regenerieren.

Sie haben mit dem SKN seit 2015 die Liga mit einer Ausnahme immer mit zweistelligem Punktevorsprung gewonnen. Aktuell liegen Sie gleichauf mit Sturm Graz an der Spitze. Wird es ein Zweikampf?

Die Antwort auf diese Frage wird sich wahrscheinlich in den ersten Wochen der Meisterschaft herauskristallisieren, je nachdem, wie konstant beide Mannschaften ihre Siege heimfahren. Es wäre natürlich sehr spannend, wenn sich die Meisterschaft im direkten Duell entscheidet. Ich freue mich auf diese Aufgabe!

Was zeichnet Sturm aus?

Sturm hat eine junge, frech spielende, dynamische Mannschaft mit ein paar richtig guten Einzelspielerinnen. Die Mannschaft hat eine beachtliche Hinrunde hingelegt. Im Hinblick auf den steigenden Anreiz bzw. auf den Konkurrenzkampf innerhalb der Liga sind solche Entwicklungen natürlich echt positiv.

Vor allem das Länderspieljahr bietet große Herausforderungen. Gegen England in Wembley vor 75.000 Zuschauern zum EM-Auftakt werden Sie wohl unbedingt dabei sein wollen?

Natürlich! Ich wäre komplett fehl am Platz, wenn ich nicht alles daran setzen würde, bei diesem Highlight mit von der Partie zu sein und mich bestmöglich zu präsentieren, um auch auf Spielminuten zu kommen.

Wir werden viel Zeit und Energie in die Teamarbeit stecken. Das ist unsere größte Waffe.

ÖFB-Teamspielerin Jasmin Eder

Gegen die Engländerinnen hat das ÖFB-Team in der WM-Quali in Sunderland ja nur knapp mit 0:1 verloren. Was können Sie  davon mitnehmen?

Meiner Meinung nach haben wir in Sunderland eine wirklich ordentliche Leistung gebracht und wieder einmal gemerkt, dass wir an einem guten Tag im Stande sind, solche Topnationen vor Herausforderungen zu stellen und sie zu ärgern. Es wurde uns aber auch wieder aufgezeigt, dass wir in der Offensive unsere Chancen effizient zu Ende spielen müssen, wenn wir da auch einmal etwas ernten wollen und im Umkehrschluss natürlich auch, dass solche Teams nicht viel liegen lassen und wir in der Defensive sehr stabil agieren müssen.

Mit dem Nationalteam rücken Sie ja dann auch Mitte Februar voraussichtlich ins Trainingslager nach Marbella ein. Was werden da die Schwerpunkte sein?

Fuhrmann Eder Oefb Frauen

Teamchefin Irene Fuhrmann und Mittelfeldspielerin Jasmin Eder am "Tag der offenen Tür" der ÖFB-Frauenakademie 2020.  GEPA pictures/Walter Luger

Ich schätze die Schweiz und Rumänien als wirklich gute Testspielgegner ein. Beide Teams werden uns vor unterschiedlichste Herausforderungen stellen und wir werden aus den Spielen und der Reflexion daraus sehr viel auf unseren Weg zur Euro und für die laufende WM-Quali mitnehmen können. Die Trainings dazwischen werden wir dazu nutzen, gewisse Details auszumerzen. Ansonsten werden wir wie immer sehr viel Zeit und Energie in die Teamarbeit stecken. Das ist unsere größte Waffe.

Sie spielen nun schon über ein Jahrzehnt auf höchstem Niveau Fußball. Was würden Sie ambitionierten, jungen Mädchen als Tipps geben?

Schwierig (überlegt). Ich habe bis jetzt so viel im und vom Fußball lernen dürfen, dass es unmöglich ist, alles in eine Botschaft zu stecken. Ich würde es so versuchen: Egal, wie hoch du spielen wirst, vergiss nie, warum du begonnen hast. Weil du unglaublichen Spaß am Fußballspielen hast. Das darfst du dir nie nehmen lassen. Bring dich ein, gib jeden Tag dein Bestmögliches, sei mutig und glaub' an dich, hab' Spaß bei dem, was du machst, sei bodenständig und vergiss nie, wo du herkommst. Dann kann dir der Fußball so viel geben. Egal, wie viele Titel du am Ende deiner Karriere gesammelt hast. Und jeder Titel ist natürlich ein Riesen-Highlight und eine Belohnung, keine Frage - aber ich denke, das Wertvollste, das man als Spielerin, als Mensch mitnimmt, sind die Momente mit seinem Team, die vielen unterschiedlichen Erfahrungen, die man fürs Leben mitnimmt und vor allem die Bekanntschaften und Freundschaften mit den Menschen, die einen auf diesem Weg begleiten. Der Fußball kann einem so viel geben, wenn man auch bereit ist, zu geben.

Können Frauen in naher Zukunft hierzulande vom "Profi-Fußball" leben?

Ich hoffe es und ich würde es mir wirklich sehr wünschen. Jede Spielerin, die je in Österreich gespielt hat, hat einen kleinen Teil dazu beigetragen, dass es die Spielerinnen, die nach ihnen kommen, ein klein wenig besser haben werden. So summiert sich das und wir gehen seit Jahrzehnten Schritt für Schritt vorwärts. Wann der Zeitpunkt kommen wird, dass in Österreich flächendeckend Frauen vom Fußball leben können und sich ausschließlich darauf konzentrieren können, steht noch in den Sternen. Je früher, desto besser. Aber wenn, dann sollte auch alles auf gesunden Beinen stehen und nachhaltig sein.

Interview: Thomas Schöpf