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Jantscher im Interview: "Ich gehöre einer Gattung an, die ausstirbt"

Die Sturm-Legende spricht über ihren Abschied aus Graz

Jantscher im Interview: "Ich gehöre einer Gattung an, die ausstirbt"

Emotionaler Abschied: Jakob Jantscher.

Emotionaler Abschied: Jakob Jantscher. GEPA pictures

Herr Jantscher, Sie sind seit wenigen Tagen in Hongkong. Wie haben Sie sich in der Stadt und in der Mannschaft eingelebt?

Natürlich ist alles ein bisschen neu für mich. Ich musste mich zunächst einmal an die Zeitumstellung gewöhnen und am zweiten Tag wurde dann gleich einmal das Training aufgrund eines Taifuns abgesagt. Es war also sehr turbulent, aber meine ersten Eindrücke sind dennoch sehr positiv: Der Verein ist sehr professionell aufgestellt und auch das fußballerische Niveau ist sehr hoch.

In Asien werden Sie erstmals in Ihrer Karriere in der Champions League spielen. Welches Level erwarten Sie sich dort?

Die asiatische Champions League hat hier schon einen großen Reiz. Wir wollen mit Kitchee eine gute Rolle spielen. Das ist für mich auch etwas Neues, weil es mir in Europa ja nie gelungen ist, in der Gruppenphase zu spielen. Daher ist das für mich in Asien eine coole Erfahrung, die ich gerne mitnehme. Ich bin gespannt, wie das Level sein wird. Bei uns habe ich schnell gemerkt, dass wir fußballerisch auf einem sehr hohen Niveau unterwegs sind. Wir haben richtig gute Kicker in der Mannschaft, von denen auch ein paar in England gespielt haben. Was Taktik oder Intensität in den Matches anbelangt, kann ich aber noch nicht allzu viel sagen.

Sie haben in Ihrer Karriere - wenn man etwa an Ihr Engagement in Russland denkt - durchaus ungewöhnliche Stationen für einen österreichischen Fußballer durchlaufen. Was haben Ihnen diese Erfahrungen gebracht?

Ich habe immer gesagt, dass man im Fußball nie etwas planen kann. Man muss sich relativ spontan entscheiden, wenn sich eine Chance ergibt. Das war bei mir sehr oft der Fall. Natürlich ist es auch immer davon abhängig, was beim eigenen Verein passiert. Bei Sturm war es ja zum Beispiel so, dass ich nicht mehr allzu viel Spielzeit bekommen hätte. Dann habe ich mir Gedanken gemacht und in dem Moment ist das Angebot aus Hongkong gekommen. Grundsätzlich bin ich ein sehr offener Typ und daher hatte ich die Möglichkeit, mich bei all meinen Stationen weiterzuentwickeln. Natürlich sportlich, aber vor allem auch menschlich. Man muss sich ganz, ganz schnell an die kulturellen und sprachlichen Unterschiede anpassen. Natürlich geht man dann anders durchs Leben. Genauso ist es jetzt mit dem Abenteuer Asien. Ich war doch sehr lange in Europa aktiv und freue mich nun darauf, hier mein Können zu zeigen. Das ist eine sehr spannende und reizvolle Aufgabe, weil ich mit Kitchee voraussichtlich auch um Titel spielen werde. Ich kann hier also noch etwas erreichen - das finde ich sehr wichtig!

Es geht dem Verein darum, junge Spieler zu positionieren, damit man sie anschließend verkaufen kann. Das muss man (...) akzeptieren.

Jakob Jantscher

Kommen wir zu Ihrem Abschied von Sturm. Sie haben des Öfteren betont, dass Sie aus Ihrer Sicht nach wie vor das Potential für die Stammelf gehabt hätten. Haben Sie das Gefühl, dass das Leistungsprinzip für Sie nicht mehr gegolten hat?

Ja, das glaube ich schon. Aber Sturm hat das ja auch öffentlich so kommuniziert. Es geht dem Verein darum, junge Spieler zu positionieren, damit man sie anschließend verkaufen kann. Das muss man dann auch akzeptieren. Ich bin aber nach wie vor der Meinung, dass ich der Mannschaft hätte helfen können. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Sonst hätte ich das auch nicht öffentlich geäußert. Ich habe mir dann eben die Frage gestellt, ob ich meine Karriere mit einem Jahr auf der Tribüne beenden möchte. Für mich war klar, dass ich weiterhin Fußball spielen und das Maximum herausholen will. Daher habe ich mich dann für den Wechsel nach Hongkong entschieden.

Wie bewerten Sie den neuen Weg, den Sturm mit dem teuren Weiterverkauf junger Spieler eingeschlagen hat?

Dazu würde ich mich öffentlich nie großartig äußern, weil ich gar nicht in der Position dafür bin und jetzt ja auch bei einem anderen Klub spiele. Es stimmt aber, dass sich der Verein in diese Richtung entwickelt hat. Man sieht ja alleine an den Transfers, dass Sturm mittlerweile viele junge Talente aus dem Ausland holt. Ich glaube, dass man da ein bisschen aufpassen muss, weil nie ganz klar ist, wie sich das Ganze langfristig entwickeln wird. Aber die Verantwortlichen werden schon wissen, was sie vorhaben. Ich hoffe natürlich, dass es auch in Zukunft den einen oder anderen Spieler geben wird, der meinem Beispiel folgt und aus der Jugend den Weg in Kampfmannschaft schafft.

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Mit Ihnen verlor Sturm seine wohl größte Identifikationsfigur. Wie sehen Sie die Entwicklung, dass das Geschäft vor allem auf internationaler Ebene immer schnelllebiger wird und es kaum mehr Klub-Ikonen gibt?

Das finde ich sehr schade, weil ich denke, dass der Fußball von solchen Typen lebt. Der Fußball lebt von den Emotionen zwischen Fans und Spielern - und diese entstehen bei solchen Typen eben mehr. Es ist heute schon so, dass diese Spieler verschwinden und das wird in naher Zukunft sicher noch zunehmen. Der Fußball entwickelt sich viel zu rasant in eine Richtung, die aus meiner Sicht nicht die richtige ist. Es geht heutzutage vor allem um das Finanzielle. Nehmen wir das Beispiel Saudi-Arabien: Man kann verstehen, wenn ein 35-Jähriger dorthin geht, aber wenn ein 27-Jähriger am Höhepunkt seiner Karriere dorthin wechselt, weiß man, dass sich der Fußball in diese Richtung entwickelt. Die Spieler, die eine gewisse Zeit eines Vereins prägen, bleiben dafür immer länger in Erinnerung. Daher gehöre ich einer Gattung an, die ausstirbt. Das habe ich auch bei meinem Abschied aus Graz gespürt. Die Fans haben mich als einen von ihnen gesehen, weil ich seit meinem fünften Lebensjahr in die Gruabn gegangen bin. Da hat man eine ganz andere Verbindung zu einem Verein. Ich kenne viele aus der Kurve seit 18, 19 Jahren. Das sind nicht nur Fans, sondern richtig gute Freunde, die ich über die Hälfte meines Lebens kenne. Wie gesagt: Ich hoffe, dass wieder einmal ein Spieler aus dem Nachwuchs den Sprung in die Kampfmannschaft schafft. Das ist etwas, wovon Sturm lebt. Ich habe das selbst ja auch noch erlebt. Hannes Reinmayr war mein Trainer bei den Amateuren, Mario Haas mein Mitspieler. Das war für mich schon prägend, weil auch andere Spieler - wie zum Beispiel Jürgen Säumel, Klaus Salmutter und Christian Gratzei - die Jugendabteilungen durchlaufen haben und dann bei Sturm Profis wurden. Ich habe zu ihnen aufgeschaut und wollte genau das dann auch schaffen. Mein Wunsch wäre, dass das auch jetzt noch Spieler schaffen können.

Sie haben die Transferoffensive Saudi-Arabiens bereits kurz angesprochen. Welche Auswirkungen erwarten Sie auf den europäischen Klubfußball?

Ich glaube, das wird nicht allzu viel mit dem europäischen Fußball machen. Der europäische Klubfußball ist schlicht und ergreifend weit über jenen der anderen Kontinente zu stellen. Für mich ist eher die Frage, wie alt die Spieler sind, die nach Saudi-Arabien gehen. Man kann Cristiano Ronaldo nicht vorwerfen, dass er das macht, weil er für den europäischen Fußball extrem viel getan hat. Am Schluss seiner Karriere will er jetzt vielleicht noch ein paar Millionen verdienen (lacht). Ich halte es für schwierig, wenn das junge Spieler auf der Höhe ihres Schaffens machen. Denn dann entwickelt sich der Fußball noch mehr in die Richtung, dass die besten Spieler dort sind, wo es am meisten Geld gibt. Aber wir reden da schon wieder von Summen ... Der Fußball hat leider viel von dem verloren, was seine Sinnhaftigkeit ausmacht. Für mich war das immer der Wettkampf. Jetzt geht es eben darum, wie viel Geld man verdienen kann. Das finde ich schade.

Ich gehe zu 99,9 Prozent davon aus, dass ich zu Sturm zurückkehren werde.

Jakob Jantscher

War für Sie ein Wechsel nach Saudi-Arabien Thema?

Ich habe nie mit einem Verein aus Saudi-Arabien verhandelt. Mich hat Nestor El Maestro während seines Engagements in Saudi-Arabien einmal gefragt, ob ich kommen möchte. Aber da hat er mich nur angerufen und gemeint, dass er mich gerne in seinem Team hätte. Konkretes Angebot gab es keines.

Zurück zu Sturm. Mit Alexander Prass und Gregory Wüthrich sind zwei Stammkräfte überraschenderweise in Graz geblieben. Was kann das mit einer Mannschaft machen, wenn diese wechselwilligen Spieler nun doch weiterhin an Bord sind?

Ich glaube gar nichts. Es geht ja auch nicht darum, dass sie wechselwillige Spieler sind. Sie haben sich diese möglichen Transfers erarbeitet. Für mich war es sehr interessant, die Entwicklung dieser beiden Spieler zu beobachten. Daher finde ich es schade, dass sie diese Möglichkeiten jetzt nicht wahrnehmen konnten. Anderseits bin ich felsenfest davon überzeugt, dass "Gregy" und "Prassi" für Sturm nur sehr schwer zu ersetzen gewesen wären. Ich glaube, das wäre gerade in der Europa League ohne viel Vorbereitung der Ersatzleute sehr schwer geworden. Wir reden hier von zwei Spielern, die zwei, drei Jahre wirkliche Stützen waren.

Sie persönlich haben immer wieder betont, dass Sie zu Sturm zurückkehren möchten. Wie intensiv ist dieser Gedanke in Ihren Planungen verankert?

Ich bin fest davon überzeugt, dass ich zu Sturm zurückkehren werde - in welcher Funktion auch immer das dann sein wird. Ich habe mit Andreas Schicker (Geschäftsführer Sport, Anm.) bereits konkrete Gespräche geführt und das hat sich für mich sehr gut angehört. Noch ist das Zukunftsmusik, weil ich ja noch nicht weiß, wie meine Spielerkarriere weitergeht. Wenn ich die Möglichkeit haben sollte, noch vier oder fünf Jahre in Asien zu spielen, werde ich das machen. Ich werde versuchen, so lange wie möglich Fußball zu spielen. Alles andere werde ich danach entscheiden. Aber wie gesagt: Ich gehe zu 99,9 Prozent davon aus, dass ich zu Sturm zurückkehren werde.

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