Int. Fußball

Janelt im Interview: "Es gab Anfragen aus der Bundesliga"

Ehemaliger Zweitliga-Profi in der Premier League

Janelt: "Es gab Anfragen aus der Bundesliga und anderen großen Ligen"

Vitaly Janelt bestritt für den VfL Bochum über 50 Zweitliga-Spiele, ehe er nach England wechselte.

Vitaly Janelt bestritt für den VfL Bochum über 50 Zweitliga-Spiele, ehe er nach England wechselte. IMAGO/Sportimage

Herr Janelt, laut Ihrem Trainer Thomas Frank sind Sie nicht die beste Verpflichtung der Klubgeschichte des FC Brentford. Können Sie damit leben?

Ja, sicher. Ich kann mir ja denken, wen er gemeint hat.

Die "beste Verpflichtung der Klubgeschichte" ist laut Frank ein gewisser Christian Eriksen.

Das ist auch keine Überraschung.

Eriksen unterschrieb im Januar bei Brentford, weil er in der Serie A bei Inter aufgrund seines eingesetzten Defibrillators nicht mehr spielen durfte.

Das war ein Segen für uns. Mit seiner Erfahrung, mit seiner Qualität tut er uns gut, das sieht jeder. Er ist für alle eine Bereicherung, und es ist kein Zufall, dass wir mit ihm in der Startelf jedes Spiel gewonnen haben. Ich bin total happy, dass ich zusammen mit ihm auf dem Platz stehe.

Gegen Newcastle (0:2) debütierte Eriksen Ende Februar für eine halbe Stunde, schon in der Woche darauf stand er beim 3:1 in Norwich in der Startelf. Was macht ihn so gut, dass es seitdem bestens läuft?

Seine Beidfüßigkeit ist brutal. Neulich hat er eine Flanke geschlagen, die schaffst du eigentlich nur auf der Playstation - und er macht das mit dem schwachen Fuß! Seine Präsenz auf dem Platz löst etwas aus, dazu seine Ruhe am Ball, du kannst ihn in jeder Situation anspielen. Christian hat nicht mal Druck, wenn er Druck hat.

Er hat sich top integriert und ist ein ganz angenehmer Kerl, nicht im Ansatz arrogant.

Vitaly Janelt über Christian Eriksen

Sprich: Eriksen ist jetzt wieder primär der Fußballer Eriksen und nicht mehr nur die Feel-Good-Story nach dem Drama bei der EM?

Und er möchte das auch so. Nach seiner Vorstellung am ersten Tag hat er direkt gesagt: "Jungs, macht euch keine Sorgen. Wenn ihr irgendwelche Fragen habt, kommt zu mir, ich erkläre gerne alles. Aber lasst uns hier Fußball spielen." Er hat sich top integriert und ist ein ganz angenehmer Kerl, nicht im Ansatz arrogant.

Sie selbst tragen einen nicht unwesentlichen Teil zur Erfolgsstory bei. Erst kürzlich haben Sie ihren Vertrag bis 2026 verlängert und einen Tag später einen Doppelpack beim sensationellen 4:1-Sieg bei Klubweltmeister Chelsea erzielt.

Die 48 Stunden waren nicht so verkehrt. (schmunzelt) Wir waren schon seit Januar in Gesprächen, wollten uns aber erstmal aufs Sportliche konzentrieren. Und als es wieder besser lief, haben wir den Vertrag finalisiert. Sagen wir mal so: Der Freitag und der Samstag haben großen Spaß gemacht.

Sie sind im Oktober 2020 vom VfL Bochum zum damaligen Zweitligisten nach West-London gewechselt. Wie kam es so früh schon zur Vertragsverlängerung?

Ich habe damals "nur" bis 2024 unterschrieben und dann einen sehr großen Beitrag zum Aufstieg geleistet. Und es ist eigentlich meistens so, dass man zwei Jahre vor Vertragsende schaut, in welche Richtung es geht: Verlängern oder verkaufen? Ich habe signalisiert, dass ich mich sehr wohl fühle und verlängern möchte. Inzwischen haben viele Leistungsträger verlängert.

Weil Christian Nörgaard sich in der Vorsaison verletzt hatte, durften Sie sich schnell beweisen, inzwischen nennt Sie ihr Teamkollege Ivan Toney mit einem Augenzwinkern "Ronaldinho". Wie haben Sie die bislang rund anderthalb Jahre erlebt?

Vor zwei Jahren hätte wohl niemand - nicht mein alter Verein, mein jetziger Verein, meine Familie, meine Freundin oder ich - mit dieser Entwicklung gerechnet. Mein Berater hatte da ein gutes Gespür. Jetzt ist das Irreale real geworden, würde ich sagen. Alleine der Aufstieg mit diesen kribbelnden Play-offs war ein verrücktes Erlebnis. Da herrschte so ein Druck im entscheidenden Spiel, es ging um hunderte Millionen Euro. Jetzt das Jahr in der Premier League, mit den Aufs und Abs. Es ist alles dabei, und es macht großen Spaß.

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Brentford wird ziemlich sicher die Klasse halten, trotz eines im Ligavergleich kleinen Budgets mit vergleichsweise wenig Transferausgaben. Wie ging das?

Wir holen Spieler mit Entwicklungspotenzial, so war es ja bei mir auch. Der Großteil der Mannschaft hat letztes Jahr schon zusammengespielt, bei uns weiß jeder, was er auf dem Platz zu tun hat. Jeder macht seinen Job, keiner ist arrogant. Selbst Ivan (Toney, bester Torjäger, d. Red.) geht die Wege und verteidigt im eigenen Sechzehner.

Zwischen Anfang Januar und Anfang März gewann Brentford kein einziges Ligaspiel, rutschte auf Platz 17 ab. Wie ist der Klub mit dieser Krise umgegangen?

Unser Torwart (David Raya) war lange ausgefallen, Ivan hat zwischenzeitlich gefehlt. Wir können unsere Leistungsträger natürlich nicht eben so ersetzen. In der schwierigen Phase haben wir aber zusammengehalten, und gegen Norwich hatten wir dann Anfang März eine Art Endspiel, haben es - auch dank einer Systemumstellung aufs 4-3-3 - gewonnen und einen Lauf hingelegt. Manchmal braucht es einfach das eine Erfolgserlebnis.

Sie agieren mal als Sechser, mal auf der Acht. Wo sieht Sie der Trainer am liebsten?

Ich bin ein klassischer Sechser, kein Eins-gegen-eins-Spieler. Ich komme mehr über meine Power, meine Physis und Ballverteilung. Gerade meine Power kommt mir auf der Acht aber ab und zu auch zugute; dass ich tiefe Laufwege mache und in die gefährliche Zone gehe. Ich bekomme für die Position ein immer besseres Gefühl.

Das 2:0 zum Auftakt gegen Arsenal, ein 3:3 gegen Liverpool oder das 4:1 bei Chelsea: was waren die Höhepunkte in der bisherigen Saison?

Ich könnte jedes Spiel nehmen, aber das 2:0 gegen Arsenal würde ich hervorheben. Die Euphorie damals, das Flutlicht zum Auftaktspiel, ein Derby und dann die Stimmung. Da hat alles gepasst.

Ich denke mal, dass er mich auf dem Schirm hat.

Vitaly Janelt über Hansi Flick

Beim 3:3 gegen Liverpool, als Sie ebenfalls trafen, war Hansi Flick vor Ort. Er wird sicherlich auch Ihren Doppelpack gegen Chelsea registriert haben.

Ich habe ihn zufällig getroffen, als wir im Februar bei Arsenal gespielt haben. Da ist er mir im Tunnel über den Weg gelaufen, und wir haben kurz gequatscht.

Über Ihre Chancen in der Nationalmannschaft?

Es war eher ein bisschen Smalltalk, wie es ihm ging und warum er überhaupt vor Ort war. Und weil Bernd Leno bei Arsenal auf der Bank saß, musste es ja eigentlich wegen mir sein. Das hat er mir auch bestätigt. Leider habe ich ausgerechnet in dem Spiel das erste Mal, als ich fit war, nicht von Anfang an gespielt, wurde aber früh eingewechselt.

Gab es seitdem Kontakt zum Bundestrainer?

Nein, aber ich denke mal, dass er mich auf dem Schirm hat.

Was würden Sie sagen, wenn im Sommer trotz der jüngsten Vertragsverlängerung ein Bundesligist anklopft?

Ich bin da ganz entspannt. Was kommt, das kommt, aber ich warte nicht auf ein Angebot. Es gab vor der Verlängerung Anfragen aus der Bundesliga und anderen großen Ligen. Momentan bin ich glücklich in Brentford.

Mario Krischel