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Jaissle im Interview: "Ich habe mir abgewöhnt, irgendwelche Karrierepläne zu schmieden"

Der Salzburg-Trainer lässt seine Zukunft offen

Jaissle im Interview: "Ich habe mir abgewöhnt, irgendwelche Karrierepläne zu schmieden"

Zukunft ungewiss: Matthias Jaissle.

Zukunft ungewiss: Matthias Jaissle. FC Red Bull Salzburg via Getty Images

kicker: Herr Jaissle, Sie haben mit Salzburg das Double geholt und in der Champions League das Achtelfinale erreicht. Wie bewerten Sie Ihre erste Saison?

Matthias Jaissle: Die Saison war für uns natürlich sehr erfolgreich. Das hätten uns in dieser Form wohl nur wenige zugetraut. Das Resümee fällt daher sehr positiv aus. Es macht mich auch ein Stück weit stolz, dass wir als Verein so gewachsen sind und uns so gut entwickelt haben.

Salzburg holte auf nationaler Ebene 17 der letzten 18 Titel. Wie schwer bzw. wie leicht ist es, mit dem finanziell schlagkräftigsten Verein in Österreich zu dominieren?

Wir wissen natürlich, dass wir uns in den vergangenen Jahren den Anspruch erarbeitet haben, in Österreich immer der Favorit zu sein. Trotzdem sind die Erfolge für uns alles andere als selbstverständlich. Wenn man sieht, was hier jeder in seinen Job investiert und mit welcher Leidenschaft und Akribie alle Vereinsmitarbeiter dabei sind, ist das nach wie vor etwas Besonderes. Für uns sind Titel in Österreich kein Selbstläufer. Da steckt verdammt harte Arbeit und viel Einsatz dahinter.

Was macht Salzburg besser als die anderen Teams in Österreich?

Das müssen andere beurteilen. Ich mag es vor allem in der Öffentlichkeit nicht, Vergleiche zu ziehen. Ich kann aber sagen, dass es zum Beispiel Sturm Graz in dieser Saison sehr gut gemacht hat und konstant auf einem hohen Niveau unterwegs war. Wir haben den Fokus jedoch komplett auf uns gerichtet. Wir haben eine sehr dominante und erfolgreiche Saison gespielt. Das war in dieser Konstanz für uns nicht zu erwarten. Wir hatten im Sommer einen großen Umbruch und mussten die Saison daher mit einer der jüngsten Mannschaften der Vereinsgeschichte bestreiten. Wir haben ursprünglich mit größeren Leistungsschwankungen und Einbrüchen gerechnet. Diese sind glücklicherweise aber ausgeblieben.

In der Champions League setzte es gegen Bayern München letztlich ein klares Aus. Was fehlt Salzburg noch, um mit den besten Mannschaften der Welt mithalten zu können?

Wir sollten unsere Demut und Bescheidenheit beibehalten. Damit fahren wir seit vielen Jahren gut. Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir uns etwa mit dem großen FC Bayern vergleichen. Es war alles andere als selbstverständlich, in diesem Jahr in das Champions-League-Achtelfinale einzuziehen. Wir haben ja sehr lange gebraucht, um uns überhaupt einmal für die Champions League zu qualifizieren. Das haben wir jetzt ein paar Mal in Folge geschafft. Dennoch tun wir gut daran, die Dinge richtig einzuordnen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir auch in der kommenden Saison wieder eine Topmannschaft auf dem Platz haben werden.

Matthias Jaissle über den Umbruch im Sommer

Wie nach jeder Saison sind auch heuer wieder einige Abgänge zu erwarten. Wie soll es gelingen, in der kommenden Spielzeit trotzdem eine schlagkräftige Truppe zu stellen?

Es ist richtig, dass der Erfolg Begehrlichkeiten weckt. Dessen sind wir uns bewusst. Das war auch schon bei meinem Amtsantritt im Sommer so. Dieser Weg wird aber auch in Zukunft konsequent verfolgt werden. Das ist einfach die Philosophie von Red Bull Salzburg. Es ist keine Überraschung, dass uns der eine oder andere Spieler im Sommer verlassen wird. Ich bin trotzdem davon überzeugt, dass wir auch in der kommenden Saison wieder eine Topmannschaft auf dem Platz haben werden. Stephan Reiter (kaufmännischer Geschäftsführer, Anm.) und Christoph Freund (Sportdirektor, Anm.) haben das schon in der Vergangenheit überragend gemacht und werden das auch diesmal wieder gut machen.

Sie waren auch beim Youth-League-Finale der Salzburger gegen Benfica Lissabon vor Ort. Welche Spieler haben Sie dort gesehen, die Ihrer Mannschaft schon in der kommenden Saison weiterhelfen können?

Der eine oder andere Spieler wird mit Sicherheit eine Chance erhalten. Wir können aber noch nichts vermelden, da die finale Kaderplanung für die kommende Saison noch nicht abgeschlossen ist. Wir werden das dann in aller Ruhe machen. Klar ist aber, dass auch bei unserem Kooperationsverein Liefering einige interessante Spieler dabei sind.

Wie wertvoll ist die Zusammenarbeit mit Liefering für Salzburg?

Für uns ist das natürlich eine gute Konstellation. Der konsequente Weg und die stringente Philosophie zahlen sich aus. Aufgrund meiner Vergangenheit (Jaissle war im ersten Halbjahr 2021 als Liefering-Trainer tätig, Anm.) bin ich da auch immer mit einem Auge dabei.

Die kicker-Elf des 30. Spieltags

Sie selbst haben im April gemeint, dass es bezüglich eines Verbleibs in Salzburg gut aussieht. Ist das immer noch der Fall?

Diese Frage müssen Sie stellen, oder? (lacht) Es ist die gleiche Konstellation wie damals: Ich beschäftige mich nicht damit. Ich habe hier einen laufenden Vertrag und fühle mich in Salzburg sehr wohl. Dementsprechend mache ich mir um dieses Thema gar keine Gedanken.

Dennoch: Gibt es Angebote aus dem Ausland?

Damit setze ich mich aktuell wirklich nicht auseinander. Vielleicht glauben Sie mir das nicht, aber wir haben auch in dieser Saison noch weitere Ziele. Ich denke da beispielsweise an einen neuen Punkterekord für den Meister. Deswegen spielen Gedanken um meine Zukunft überhaupt keine Rolle.

Ihre Spielerkarriere endete aufgrund zahlreicher Verletzungen bereits im Alter von 25 Jahren. Inwieweit helfen Ihnen die Erfahrungen als Spieler bei Ihrer Trainertätigkeit?

Ich profitiere davon in vielerlei Hinsicht. Ich habe mir abgewöhnt, irgendwelche Karrierepläne zu schmieden. Die wurden damals über den Haufen geworfen und demzufolge mache ich das heute als Trainer auch nicht mehr. Ich habe immer den Anspruch, das Beste aus der aktuellen Situation zu machen. Zudem konnte ich für den Umgang mit den Spielern einiges mitnehmen. Da geht es um Verletzungen, Rückschläge und auch die Dankbarkeit für den Beruf. Es ist nicht selbstverständlich, Profifußballer zu sein, sondern ein Privileg. Dafür sensibilisiere ich meine Spieler auch regelmäßig .

Sie haben Ihre Profilaufbahn bei Hoffenheim unter Ralf Rangnick begonnen. Was konnten Sie von ihm lernen?

Sehr viel. Ich bin bereits dort zum ersten Mal mit der Art von Fußball, den wir jetzt auch in Salzburg spielen, in Berührung gekommen. Seine Klarheit und Detailversessenheit haben mir ebenfalls imponiert. Es war schon sehr inspirierend, im Alter von 18 Jahren einen Trainer zu haben, der ganz genau weiß, welchen Fußball er sehen möchte. Da gab es keine Fragezeichen in den Köpfen der Spieler. Der Plan war immer klar. Dementsprechend hat er mich als Spieler und Trainer geprägt, da er mich ja auch nach Leipzig holte.

Uns und unserer Art von Fußball wird viel Sympathie entgegengebracht.

Jaissle über Kritik an Red Bull

Rangnick ist nun der Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft. Was halten Sie von der Entscheidung des ÖFB?

Ich halte das für eine sehr gute Lösung. Ich kann dem Verband nur gratulieren und wünsche sowohl Ralf Rangnick als auch der Nationalmannschaft alles erdenklich Gute für die kommenden Aufgaben.

Im Zuge dieser Entscheidung wurde von Klagenfurt-Coach Peter Pacult auch die Bezeichnung "RB-Stil" kritisiert. Was verbinden Sie mit diesem Begriff?

Das ist der Fußball, der hier in Salzburg auf den Platz gebracht wird. Wir wollen mutig, frech und offensiv unterwegs sein. Das Ganze soll dann natürlich auch mit hohem Pressing verbunden sein, damit beim Gegner viel Stress entsteht. Nach Ballgewinnen wollen wir zielstrebig vor das Tor kommen. Die Tugenden, die wir hier verkörpern, sind sicherlich typisch dafür. Dennoch ist es nicht überall das Gleiche. Die DNA und die Basis sind da, die Handschriften und Ideen der Trainer sind aber unterschiedlich. Man kann das anhand unserer Saison auch ganz gut erkennen.

Nichtsdestotrotz sieht sich Salzburg von "Fußballromantikern" aufgrund des finanziellen Startvorteils nach wie vor mit Missgunst konfrontiert. Inwieweit können Sie das nachvollziehen?

Ich sehe das ganz anders. Uns und unserer Art von Fußball wird viel Sympathie entgegengebracht. Das hat man auch in der Champions League gesehen. Wir haben aus ganz Europa tolles Feedback bekommen. Daher kann ich das nicht groß kommentieren. Ich teile diese Sicht nicht und habe bislang nur gute Erfahrungen gemacht.

Interview: Nikolaus Fink