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IFAB bereitet erneute Änderung der Handspielregel vor

DFB-Verantwortlicher Drees denkt wehmütig an alte Regelung

IFAB bereitet erneute Änderung der Handspielregel vor

Laut David Elleray, technischer Direktor des IFAB, widersprächen viele Entscheidungen beim Handspiel dem "Geist" der Regel.

Laut David Elleray, technischer Direktor des IFAB, widersprächen viele Entscheidungen beim Handspiel dem "Geist" der Regel. Getty Images

Wie der kicker bereits in seiner Ausgabe am Donnerstag exklusiv vermeldete, soll die Handspielregel für die kommende Saison erneut angepasst werden. Um ein Spielen des Balls mit der Hand als strafwürdig einzustufen, soll in erster Linie die Frage der Körperhaltung neu bewertet werden. Dabei soll der Faktor "Absicht oder nicht" wieder stärker in den Vordergrund rücken und ein abgespreizter oder über die Schulter erhobener Arm nicht mehr als Automatismus für einen Pfiff gelten. Wenn die Bewegung als natürlich einzustufen ist, soll sie nicht mehr geahndet werden. Der Vorstand des IFAB hat auf einer virtuellen Sitzung diese Änderung vorberaten.

David Elleray, Ex-Fifa-Schiedsrichter und Technischer Direktor des IFAB, sagte dazu: "Beim Handspiel herrschte zuletzt ein wenig Konfusion und es waren falsche Entscheidungen zu beobachten. Das lag jedoch nicht an der Regel, sondern an individuellen Fehleinschätzungen von Schiedsrichtern." 2019 habe man versucht, die Auslegung der Handspielregel für die Schiedsrichter zu vereinfachen. Manche Referees hätten aber den erweiterten Regeltext zu wörtlich genommen und nicht mehr nach dem "Geist" der Regel entschieden.

Elleray warnt vor zu hohen Erwartungen

Daher wolle man jetzt nicht wieder alles ändern, aber nachjustieren, damit die Schiedsrichter wieder stärker auf die Körperbewegungen der Spieler achten, die in manchen Szenen natürliche Bewegungen der Hände und Arme automatisch mit sich brächten. "Manche Leute wollen hundert Prozent Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit beim Handspiel, andere mehr Flexibilität und Menschenverstand bei der Beurteilung. Alles zusammen wird nicht möglich sein, da die Auslegung eines Handspiels immer auch eine subjektive Angelegenheit bleiben wird", warnt Elleray vor zu hohen Erwartungen an die geplanten neuen Regeln.

Drees: Unterschiedlichkeit der Pfiffe wird anwachsen

In einer ersten Reaktion bewertete der frühere Bundesliga-Schiedsrichter Dr. Jochen Drees, beim DFB derzeit Verantwortlicher für den Videobeweis, gegenüber dem kicker die angedachte Regelneufassung: "Ich kann die Unzufriedenheit der Fußballwelt verstehen. Im Moment ist das Handspiel sehr formell geregelt, ich kann nachvollziehen, dass das Spielern gegen den Strich geht. Die Schiedsrichter sollen wieder mehr Bewegungsfreiheit in ihren Entscheidungen bekommen. Ein größerer Interpretationsspielraum bedeutet aber automatisch, dass die Unterschiedlichkeit der Pfiffe wieder anwächst. Dennoch bin ich dafür, dass auf den Wunsch der Spieler eingegangen wird. Insgesamt fand ich die Regelung am besten, nach der ich selbst zu meiner aktiven Zeit noch gepfiffen habe: Wenn ein Handspiel klar absichtlich ist, dann ist es auch strafwürdig."

Testphase für zusätzliche Auswechselung bei Gehirnerschütterung

Für eine zusätzliche Auswechselung bei Verdacht auf Gehirnerschütterung bei einem Spieler wurde eine Testphase ab Januar beschlossen. Interessierte Konföderationen, Verbände und Wettbewerbsorganisatoren können sich für eine Teilnahme an dieser Testphase bewerben. Ziel ist es, die Hemmschwelle zu senken, Spieler bei einem Verdacht auf Kopfverletzungen aus dem Spiel zu nehmen. Das Wohl der Spieler solle im Vordergrund stehen. Sollte ein Spieler aus einem solchen Grund ausgewechselt werden, soll daher beiden Teams eine zusätzliche Auswechselung gestattet werden.

Fünf-Wechsel-Regel wird verlängert

Zu den Gesundheitsrisiken bei Kopfverletzungen, besonders Gehirnerschütterungen, hatte sich IFAB-Geschäftsführer Lukas Brud bereits gegenüber dem kicker klar geäußert: "Die Spätfolgen können sehr gravierend sein, bis hin zu einem deutlich höheren Demenzrisiko im Alter." Brud hatte sich in diesem Jahr bei weltweit anerkannten Neurologen informiert und statistische Erhebungen auch aus anderen Sportarten analysiert.

Schließlich verlängerte der IFAB-Vorstand die temporäre Erlaubnis von fünf Wechseln pro Team für nationale Wettbewerbe bis 31. Dezember 2021 und für internationale Wettbewerbe bis 31. Juli 2022. Wegen des durch die Corona-Pandemie eng getakteten Terminkalenders war diese Möglichkeit zur Entlastung der Spieler eingeführt worden. Die Verbände oder Organisationen entscheiden aber eigenständig, ob sie von dieser Regeländerung Gebrauch machen wollen.

csl/tr/sam