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"Ich bin nirgends falsch abgebogen": Jürgen "Kuppe" Nöldner wird 80!

Zum Geburtstag des DDR-Auswahlspielers und kicker-Redakteurs

"Ich bin nirgends falsch abgebogen": Jürgen "Kuppe" Nöldner wird 80!

Geht noch immer mit der Zeit: Jürgen Nöldner.

Geht noch immer mit der Zeit: Jürgen Nöldner. picture alliance

Schreib was Schönes, sagt er am Ende des Gesprächs, "so viele runde Geburtstage kommen nicht mehr". Jürgen Nöldner hat mit seinem knäckebrot-trockenen Humor sich und andere immer ganz gern auf die Schippe genommen, er hat dem Leben - als Fußballer, als Journalist und als Mensch - stets eine gewisse Leichtigkeit abgerungen.

Manche sagen bis heute, er habe das Meiste mit links gemacht, als Spieler und auch später, aber das ist eine unzulässige Verknappung. "Ich habe mehr Tore mit rechts gemacht, als alle glauben", sagt er, darunter 1965 in der WM-Qualifikation gegen Österreich das schnellste Tor der DDR-Länderspielgeschichte. Ansonsten hielt er es zumeist mit Ferenc Puskas und dessen Bonmot: "Ein gutes linkes Bein ist besser als zwei schlechte rechte."

Spielersteckbrief Nöldner
Nöldner

Nöldner Jürgen

Ich habe immer ökonomisch gespielt. Man könnte auch sagen: schlau.

Jürgen Nöldner

Viel begabtere linke Füße als diesen hatte die DDR in ihren 40 Jahren nicht, Nöldner war Spielgestalter und Torjäger in einem. Lampenfieber war etwas für die anderen, er schoss als 18-Jähriger 1959 das erste Europapokaltor des Armeesportklubs Vorwärts Berlin im Landesmeister-Cup gegen die Wolverhampton Wanderers. In 30 Länderspielen glückten ihm 16 Treffer, in 285 DDR-Oberligapartien 88 Tore.

Das schöne Spiel diente nie dem Selbstzweck, überflüssige Meter waren nicht vorgesehen. "Ich bin nie einem Ball hinterhergerannt, der nicht mehr zu erreichen war", sagt Nöldner. "Ich habe immer ökonomisch gespielt. Man könnte auch sagen: schlau." Sein erster Spitzname war "Wiesel", weil er als flinker Steppke die Größeren auf dem Tuchollaplatz in Berlin-Lichtenberg narrte, aber bald nannten ihn alle "Kuppe". Warum, das weiß er bis heute nicht.

Feier im Sommer geplant - mit kürzerem "Schussbein"

Gewann mit der DDR die olympische Bronze-Medaille: Jürgen Nöldner (r.).

Gewann mit der DDR die olympische Bronze-Medaille: Jürgen Nöldner (r.). imago images

An diesem Montag wird er 80, "und ich halte es wie die Queen", sagt er mit Blick auf Corona. "Ich feiere im Sommer." Dann geht es mit Ehefrau Heidi, der Schwägerin und dem Neffen samt dessen Familie ins Stammhotel an die Ostsee nach Dierhagen auf Fischland-Darß. Die einst so geliebten Winter-Trips nach Florida und an die Algarve strich Nöldner schon vor Jahren. Bei einem Sturz kurz vor Weihnachten 2014 hatte er sich die Schulter und den Oberschenkel gebrochen. Er hat sich durch die Reha gekämpft, nur sein linkes Bein, "mein Schussbein", ist seit der Operation zwei Zentimeter kürzer.

Um sein Alter, 80 jetzt, "mach' ich mir keinen Kopf". Er nimmt es, wie es kommt, und ist mit sich im Reinen. "Ich bin nirgends falsch abgebogen", sagt er, "es hat alles gepasst." Es war und ist so viel drin in diesem Leben, dass es fast für zwei Leben reicht. Vater Erwin, ein Kommunist, wurde von den Nazis 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet. Sohn Jürgen landete über die Knabenmannschaften von Sparta Lichtenberg, Turbine Bewag und der 15. Oberschule beim ASK Vorwärts.

Titel über Titel und ein zu frühes Ende

Der Rest ist Geschichte: fünf Meistertitel, ein FDGB-Pokalsieg, der Bandwurm vor Olympia 1964 in Tokio und schließlich das Happy End mit Bronze, 1966 DDR-Fußballer des Jahres. Ende 1972, mit 31, hörte er auf - zu früh, wie viele fanden. 1971 war der Klub von Berlin nach Frankfurt/Oder umquartiert worden, die Pendelei mochte sich Nöldner nicht lange antun.

Der kicker als ständiger Begleiter

Die zweite Karriere - als Journalist - wurde ebenso zum Glücksfall wie die erste. Deutsches Sportecho, Chefredakteur der Neuen Fußballwoche, 1990 der Wechsel zum kicker, dessen Berliner Redaktion er von 1997 bis zum Ausscheiden 2006 leitete: Nöldner war Reporter in jenen Jahren, als Journalisten mehr erfuhren als heute, aber weniger posaunten. Er war auch da, zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Den kicker liest er noch immer intensiv, von hinten nach vorn, die "Sky"-Bundesliga-Konferenz ist Pflicht. Neben dem Fußball liebt er Westernfilme. "Spiel mir das Lied vom Tod", "Rio Bravo", "Zwölf Uhr mittags" - da kann er die Dialoge fast mitsprechen. Tom Hanks' soeben erschienenen Western "Neues aus der Welt" wird sich Nöldner bei Netflix streamen. Die Zeit geht voran, der Jubilar geht mit der Zeit. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

Steffen Rohr

Diese Spieler standen sowohl beim DFB als auch beim DFV auf dem Platz