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Horst Eckel hinterlässt eine Lücke, die keiner schließen kann

Nachruf zum Tode des letzten "Helden von Bern 1954"

Horst Eckel hinterlässt eine Lücke, die keiner schließen kann

Horst Eckel wurde 1954 Weltmeister und feierte zwei Meistertitel mit Kaiserslautern.

Horst Eckel wurde 1954 Weltmeister und feierte zwei Meistertitel mit Kaiserslautern. imago images/Herbert Bucco

Horst Eckel erzählte immer gerne von diesen speziellen 50er Jahren, von der Zeit also, die als "Nachkriegszeit" bezeichnet wird. Und es war immer eine Freude, ihm zuzuhören. Der Pfälzer liebte eine Erzählweise, die anschaulich, präzise und doch voller Mitgefühl war. Und wenn man ihn traf, war er sich seiner besonderen Verantwortung als Zeitzeuge stets bewusst, auch unter vier Augen. Kein noch so klug geschriebenes Geschichtsbuch hätte ihn ersetzen können. Nun sind die "Helden von 1954" alle gestorben. Dass auch Eckel nicht mehr da ist, hinterlässt eine Lücke, die keiner schließen kann.

Der Vollblut-Sportler war schon seit vielen Jahren das Gesicht des ersten deutschen WM-Sieges geworden, als Sönke Wortmann 2003 "Das Wunder von Bern" drehte, machte Eckel als Ratgeber im Hintergrund mit. Andere Spieler von 1954 waren zum Teil früh gestorben, oder hatten sich - wie der Essener Torjäger Helmut Rahn - schon lange zurückgezogen von einem Ereignis, das viele Jahrzehnte lang die Menschen zutiefst berühren sollte und nicht nur den deutschen Fußball für immer veränderte.

WM-Finale 1954

Eine sportliche Großtat lädt ein ganzes Land neu auf

Es gibt bekannte Historiker, die betonen, dass diese sportliche Großtat ein ganzes Land neu aufgeladen habe, in einem positiven Sinne. Und dass dieser Sieg gegen die großen Favoriten aus Ungarn den eigentlichen Gründungsmythos der Bonner Republik darstellt. "Nach der Niederlage im Krieg waren wir wieder wer", sagte auch Eckel. Und er ließ nie einen Zweifel daran, dass sein Nationalstolz nichts, aber auch gar nichts mit Nationalsozialismus zu tun hatte. War doch auch sein geliebter, älterer Bruder Hans im Krieg gefallen.

Horst Eckel im Endspiel gegen seinen Widersacher Nandor Hidegkuti.

Horst Eckel im Endspiel gegen seinen Widersacher Nandor Hidegkuti. imago images/Ferdi Hartung

Fanatisch nur auf dem Platz

Fanatisch war er nur auf dem Platz. "Wir haben die Ungarn Jahre später immer wieder getroffen", erzählte Eckel dem kicker vor seinem 75. Geburtstag. "Die ersten drei Mal haben sie kein Wort mit uns gesprochen. Man stelle sich das mal vor: Sie saßen nur da, ganz geknickt. Langsam haben sie sich geöffnet. Dann erst haben wir gemerkt, dass sie fast alle gut Deutsch konnten. Die Zeit nach der Niederlage in Bern muss für sie schrecklich gewesen sein. Sie wurden schlecht behandelt, wie Verräter."

Die Zeit nach der Niederlage in Bern muss für sie schrecklich gewesen sein. Sie wurden schlecht behandelt, wie Verräter.

Horst Eckel über die ungarischen Endspielgegner von 1954

In der Schweiz war Eckel der "Benjamin" - und ein schlauer Dauerbrenner

Geboren wurde Eckel am 8. Februar 1932 in Vogelbach, rund 30 Kilometer westlich von Kaiserslautern gelegen. Er war mit 22 Jahren der jüngste Spieler von Bundestrainer Sepp Herberger beim Turnier in der Schweiz. Der hagere Außenläufer wurde deshalb auch "Benjamin" genannt. Nur er und sein Mentor Fritz Walter spielten bei diesem Turnier immer, was auch damit zu tun hatte, dass beide auf dem Feld ein eingespieltes Gespann waren, zudem gehörten sie zu den fünf Spielern des 1. FC Kaiserslautern, die 1954 im deutschen Kader standen.

Horst-Eckel-Tor auf dem Betzenberg

All fünf 1954er-Weltmeister des FCK vor dem Horst-Eckel-Tor auf dem Betzenberg: Fritz Walter, Ottmar Walter, Werner Kohlmeyer, Werner Liebrich und eben Horst Eckel. imago images/Jan Huebner

Eckel galt als zweikampfstark, sein Ehrgeiz war bekannt, seine Einstellung auch: Wer ihm vertraute, dem gab er sein Vertrauen zurück. Man muss verlässlich sein im Leben und auf dem Platz, der eine läuft für den anderen, und vor allem: nie aufgeben, bis zum Schluss! Das sind Werte, die Horst Eckel von Sepp Herberger zu hören bekam, die er selber immer hochhielt, und die den deutschen Fußball bekannt machten. Die Ungarn führten ja auch 2:0, doch am Ende siegten die Deutschen 3:2. Der Kampf hatte sich gelohnt. Zugleich war der Mittelfeldspieler technisch aber durchaus versiert und mit Verstand unterwegs; während eines Spiels gehörte er zu denen, die stets mitdachten.

Feinmechaniker Eckel meldete sozialistischen Vollzeitprofi Hidegkuti ab

Der "Windhund", so sein zweiter Spitzname ob seiner läuferischen Fähigkeiten, erhielt deshalb im Berner Finale von Herberger eine Sonderaufgabe zugewiesen, die zu den spielentscheidenden Maßnahmen gehörte: Eckel sollte den ungarischen Mittelstürmer Nandor Hidegkuti, der sich immer wieder ins Mittelfeld zurückfallen ließ, bekämpfen, sicherlich, immer fair, aber auch unerbittlich. Horst Eckel schaffte das "weitestgehend", wie er es ausdrückte, wohlwissend, dass die ungarischen Spieler in der Regel bei Militär angestellt waren und täglich trainieren konnten. Sie waren sozialistische Vollzeitprofis, während ein Mann wie Eckel als Feinmechaniker bei den Pfaff-Werken in Kaiserslautern arbeitete und die Woche lediglich zwei Trainingseinheiten beim FCK absolvieren konnte. Der Rest war bei ihm freiwillig, nach Feierabend bolzte er mit Langläufen Kondition, um auch international mithalten zu können.

Deutscher Meister mit 19 - Herberger vertraut den Gedemütigten aus der Pfalz

Nachdem der gelernte Stürmer mit 17 zum 1. FC Kaiserslautern gewechselt war, lief er 1951 als 19-Jähriger im Finale um die deutsche Meisterschaft gegen Preußen Münster auf. Mit Erfolg. Eckel zog daraus viel Selbstvertrauen, absolvierte 214 Oberliga-Spiele, schoss dabei 64 Tore. Noch dreimal stand er in einem solchen Endspiel. Einmal, 1953 gegen den VfB, ging er erneut als Sieger vom Platz. 1954, ausgerechnet vor der WM, gab's ein 1:5-Debakel gegen Hannover 96.

Im Herzen der FCK-Fans: Horst Eckel.

Im Herzen der FCK-Fans: Horst Eckel. imago images/Thomas Frey

Doch trotz aller Kritik blieb Herberger stur und nahm seine fünf Pfälzer in die Schweiz mit. Insgesamt absolvierte Eckel 32 Länderspiele, auch bei der WM 1958 in Schweden nahm er teil und wurde Vierter. Im November 1958, beim 2:2 gegen Österreich in Berlin, mit erst 26 Jahren, beendete Eckel seine Länderspielkarriere. Zwei Jahre später stoppte er auch seine Laufbahn beim FCK, wechselte aus beruflichen Gründen zum Drittligisten SV Röchling Völklingen. Dort leitete er den Betriebssport, dort beendete er mit 34 seine aktive Zeit.

WM 1954 - Das Wunder von Bern

Zweite Karriere als Lehrer und Fußball bis über 80

Sein zweiter Lebensabschnitt hatte längst begonnen. Eckel beschritt den zweiten Bildungsweg, studierte Sport in Trier und unterrichtete schließlich ab 1970 Sport, Kunst und Werken an Realschulen in Morbach und Kusel. Fußball spielte er in diversen Promi-Teams bis ins hohe Alter von über 80 Jahren, auch Tischtennis und Tennis gehörten lange Zeit zu seinem täglichen Alltagsprogramm.

Als Fritz Walter 1997 aus gesundheitlichen Gründen als Repräsentant der Sepp-Herberger-Stiftung zurückgetreten war, wurde Eckel dessen Nachfolger. In dieser Funktion besuchte er Gefängnisse, versuchte er, langjährige Insassen in zahllosen Gesprächen auf ein neues Leben vorzubereiten. Bis zuletzt wohnte Horst Eckel in seinem Geburtsort Vogelbach, er hinterlässt seine Frau Hannelore, mit der er 64 Jahre verheiratet war, zwei Töchter und zwei Enkelkinder.

Günter Wiese

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