Champions League

"Hinsetzen und genießen": Arsenal huldigt Özil

Anführer einer wiedererstarkten Elf

"Hinsetzen und genießen": Arsenal huldigt Özil

"Er macht immer das Richtige im richtigen Moment": Mesut Özil riss gegen Neapel zu Begeisterungsstürmen hin.

"Er macht immer das Richtige im richtigen Moment": Mesut Özil riss gegen Neapel zu Begeisterungsstürmen hin. imago

Ob es Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo heimlich im Arm zuckte, ist nicht überliefert. Trotzdem war die Aufforderung, die die "AS" nach Özils Auftritt am Dienstagabend formulierte, irgendwie berechtigt: "Wenn es irgendwo einen besseren als Özil gibt, soll er bitte die Hand heben." Die Madrider Presse weint dem einstigen Real-Spielmacher mehr als eine Träne hinterher. "Özil", klagte die "Marca", "warum bist du bloß weggegangen?"

Das müssen sich wohl die Madrider Klubverantwortlichen fragen lassen - in London interessierte das nach der Champions-League-Gala gegen Neapel allerdings niemanden. Selbst Arsene Wenger, am Dienstag auf den Tag genau 17 Jahre als Arsenal-Trainer im Amt, tat etwas, was er sonst lieber meidet: Er neigte zu Superlativen.

Spielersteckbrief Özil
Özil

Özil Mesut

Spielersteckbrief Ramsey
Ramsey

Ramsey Aaron

Spielersteckbrief Giroud
Giroud

Giroud Olivier

Spielersteckbrief Flamini
Flamini

Flamini Mathieu

"Ich weiß nicht, wann wir das letzte Mal so gut waren", schwärmte Wenger. "Allemal zuhause war es eine der besten Halbzeiten, die wir seit langem gespielt haben - seit dem letzten Mal gegen Barcelona hier, bin ich versucht zu sagen." Jener 2:1-Sieg gegen die Katalanen datiert vom Februar 2011.

Ich habe mich wohlgefühlt, das hat man gesehen.

Mesut Özil

Und so ist Arsenal sowohl in der Premier League als auch in der Königsklasse souveräner Spitzenreiter. Seit dem peinlichen 1:3 gegen Aston Villa am ersten Spieltag haben die Gunners alle zehn Pflichtspiele gewonnen (gegen West Brom im Ligapokal erst im Elfmeterschießen). Die Krise, bis zum Saisonauftakt steter Begleiter, hat sich aus Nordlondon verabschiedet und denkt offenbar nicht an eine baldige Rückkehr.

Und alles nur wegen ihm, Mesut Özil? Einem 24-Jährigen, der nach Schlusspfiff befand, dass sein erstes Tor für Arsenal "immer" etwas Besonderes sei? Die "Times" brachte es auf den Punkt: Ein Spieler mache zwar keine Mannschaft, aber wenn dieser Spieler so gut sei wie Özil, könne er ein ganzes Team verändern.

Wenger sieht "alles, was du von einem großartigen Spieler sehen willst"

Und wahrhaftig, das hat Özil getan: Aaron Ramsey, früher Mittelfeldarbeiter ohne große Ambitionen nach vorne, hat das Toreschießen entdeckt, leitete Özils Führungstor gegen Napoli glänzend ein. Auch Olivier Giroud, Arsenals einzige, vor Saisonstart kritisch beäugte Sturmspitze, trifft plötzlich nach Belieben. "Mesut", sagte der Franzose, "war unglaublich heute Abend - wie immer. Es ist wirklich leicht, ihn auf dem Platz zu finden. Er macht immer das Richtige im richtigen Moment."

Wenger lobte Özils Auftritt im ersten Durchgang, in dem dieser auch noch Girouds Tor zum 2:0 unwiderstehlich vorbereitete, in den Himmel. "Da war alles, was du von einem großartigen Spieler sehen willst: individuelle Klasse, Zusammenspiel, Abschlussstärke, der finale Ball." Seine Empfehlung an die Journalisten: "Einfach hinsetzen und genießen."

Ohne Flamini könnte Özil nicht derart glänzen

Doch wie das eben so ist im Verhältnis Defensiv- zu Offensivspieler: Bei aller Lobpreisung für Wirbler Özil muss ein anderer Sommerneuzugang auf großformatige Fotos in den englischen Gazetten verzichten - obwohl er sie ebenfalls verdient hätte. Mathieu Flamini, der ablösefrei vom AC Mailand zurück zu Arsenal wechselte, koordiniert die Defensivarbeit, als wäre er nie weggewesen. Er ist der Spieler, der der Künstlerfraktion um Özil den Rücken freihält, ohne den sie nicht derart glänzen könnte. Wie der deutsche Nationalspieler hatte der 29-Jährige am Dienstag 94 Ballkontakte - 75 seiner 78 Pässe fanden den Mitspieler (Özil: 68 von 75).

Özil lässt Arsenals Todesgruppe erscheinen wie einen Spaziergang im Park.

"Mirror"

Arsenal, das ist derzeit nicht zu übersehen, glaubt wieder an sich. Eine Mannschaft, die nicht mehr weiß, wie man Titel gewinnt, in der Weltstars rar geworden sind, spielt mit einem Selbstbewusstsein auf, das die Fans träumen lässt - davon, dass man mit den ganz Großen wieder mithalten kann, dass trotz des begrenzten Kaders diese Saison mehr herausspringen kann als die ewige Qualifikation für die Champions League. Und Özil ist der Anführer dieser wiedererstarkten Elf.

In der Vorsaison, die Arsenal als Last-Minute-Vierter in der Liga und Achtelfinalist in der Champions League beendete, war übrigens Theo Walcott wettbewerbsübergreifend Arsenals Topscorer mit 21 Toren und 14 Assists. Derzeit fehlt er verletzt.