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High-Tech aus Deutschland

Mehr als nur ein brachialer Feuerstuhl

High-Tech aus Deutschland

Andersen vor Pedersen

Beschleunigung wie in der Formel 1: Andersen vor Pedersen.

Die Schlagwörter sind eingängig: Beschleunigung wie ein Formel 1-Bolide - aber keine Bremsen. Doch ein Speedway-Motorrad ist mehr als nur ein brachialer Feuerstuhl; in den Prototypen, die in der WM und damit auch beim Grand Prix in der Veltins-Arena Auf Schalke am 11. Oktober zum Einsatz kommen, steckt mehr Technik, als man auf den ersten Blick glauben möchte.

Bei den Tunern mischen auch zwei Deutschsprachige in der Weltspitze mit. Der Schweizer Marcel Gerhard bereitet die Motoren für den Tabellendritten Greg Hancock sowie für Tomasz Gollob und Scott Nicholls vor. Der Bayer Klaus Lausch zeichnet für die Motoren des schwedischen Shooting Star Fredrik Lindgren verantwortlich. Und bis inklusive letzten Jahres arbeitete Anton Nischler noch für Bjarne Pedersen; jetzt liegt die Priorität von Nischler allerdings beim letztjährigen Wild Card-Fahrer Christian Hefenbrock und bei Langbahn-Weltmeister Gerd Riss.

Lindgren ist der einzige Fahrer, der noch auf JRM-Motoren setzt – jene Marke, die nach der Wende und dem Fall des Eisernen Vorhangs aus dem Jawa-Konzern im tschechischen Diwisow hervorgegangen ist. Der Rest des Feldes fährt mit GM-Aggregaten – benannt nach ihrem Erbauer, dem Italiener Guiseppe Marzotto. "Vom Material her sind die beiden Marken fast identisch", weiß Lausch. "Es gibt inzwischen auch nur einen Typ von Jawa - und der ist absolut spitzenmäßig. Aber irgendwann zwischendrin hat Jawa zu wenig entwickelt, deswegen ging der Trend zu GM."

Die Motoren sind 500 Kubikzentimeter groß. Sie haben nur einen Zylinder und in den meisten Fällen auch nur eine Nockenwelle. Lediglich der Norweger Rune Holta, der unter polnischer Flagge um den achten Platz und damit um den Verbleib in der WM 2009 kämpft, experimentiert mit einer Twin Cam-Technik wie im Moto Cross mit zwei oben liegenden Nockenwellen. Der Däne Fleming Graversen hat diesen klobigen Motor für Holta entwickelt, aber bislang hat er sich noch nicht durchgesetzt.

Die ohc-Motoren leisten je nach Einstellung 60 bis 70 PS. Ihre optimale Leistung geben sie bei Drehzahlen von 9500/min frei; ihr maximales Drehmoment von 56 Nm stemmen sie bei 8000/min auf die Kurbelwelle. Beim Start lassen die Fahrer die Motoren kurz sogar bis auf 13 500/min hochjubeln; damit erreichen sie Kolbengeschwindigkeiten von 35 m/s. Die Motor-Innereien sind dann höheren Belastungen ausgesetzt als in einem Formel 1: Dort liegen die Kolbengeschwindigkeiten nur bei 28 m/s.

"Die Beschleunigung ist auf jeden Fall höher als nur Porsche-mäßig."

Klaus Lausch

Die Speedway-Maschinen, die nur 77 Kilogramm auf die Waage bringen müssen, kommen selbst auf den kurzen Geraden in der Arena Auf Schalke noch auf Top-Speeds von knapp 120 km/h. "Das ist noch relativ langsam", ordnet Lausch ein. "Wir reden hier von einer Geraden von 50 Meter. Da ist die Endgeschwindigkeit nicht so gravierend wie auf einer 1000 Meter-Langbahn. Aber trotzdem ist die Beschleunigung Auf Schalke beeindruckend. Denn die Fahrer kommen in den engen Kurven ja fast zum Stillstand. Da haben sie vielleicht noch 40 km/h drauf. Die Beschleunigung ist auf jeden Fall höher als nur Porsche-mäßig."

Die Basisabstimmung erarbeiten die Fahrer im Training, das in Gelsenkirchen am Nachmittag des 10. Oktober stattfinden wird. "Dabei kommt viel auf den Fahrer und sein Gefühl an", sagt Lausch. "Von digitalen Datenaufzeichnungen, die früher verwendet wurden, ist man komplett wieder weggekommen. Denn von der theoretischen Idealvorstellung, die technisch vielleicht am besten wäre, weichen die Vorlieben des Fahrers teilweise sehr stark ab - weil er individuelle Eindrücke und Vorlieben hat, wie er mit dem losen Geläuf und den ständig wechselnden Grip-Verhältnissen am besten umgehen möchte. Da ist sehr viel auf Erfahrungswerten aufgebaut - und es kommt unheimlich viel auf den Fahrer persönlich an."