Frauen

Kathrin Hendrich: "Das kannte ich nur aus dem Fernsehen"

Vor dem CL-Finale der Frauen zwischen Wolfsburg und Barcelona

Hendrich im Interview: "Das kannte ich nur aus dem Fernsehen"

Strebt nach ganz oben: Kathrin Hendrich.

Strebt nach ganz oben: Kathrin Hendrich. IMAGO/Michaela Merk

Sie ist schon fast eine Institution im deutschen Frauenfußball. 2015 gewann Kathrin Hendrich mit dem 1.FFC Frankfurt die Champions League, 2018 wechselte die inzwischen 31-jährige Nationalspielerin (57 Einsätze) zum FC Bayern und spielt seit 2020 in der Innen- oder Außenverteidigung des VfL Wolfsburg.

Was sagt Ihnen der 14. Mai 2015, Frau Hendrich?
Da müsste das Champions-League-Finale gewesen sein, oder? Da haben wir in Berlin mit dem 1.FFC Frankfurt gegen Paris Saint-Germain gewonnen (2:1; Anmerkung der Redaktion).

Stimmt. Das war damals ein Sieg des Außenseiters.
Ja, mit uns hatte keiner gerechnet, obwohl wir souverän ins Finale eingezogen waren. Gegen Bröndby IF hatten wir im Halbfinale mit 7:0 und 6:0 gewonnen. Gegen Paris hat aber niemand etwas von uns erwartet. Wir sind dann durch Celia Sasic in Führung gegangen, haben aber schnell den Ausgleich kassiert. Gewonnen haben wir durch ein Tor von Mandy Islacker in der Nachspielzeit. Und danach hatte Paris sogar noch Chancen. Ein Ball ist durch unseren Strafraum gesegelt und wir haben alle die Luft angehalten. Gut, dass danach Schluss war (lacht). Es war ein überragendes Erlebnis. Und das Finale war ja in Berlin, das war schon echt geil!

Haben Sie die Nacht in Berlin zum Tag gemacht?
Ja, wir waren in einem Club und sind erst ins Hotel zurückgegangen, als es schon wieder hell war.

Wir wissen, was gegen Barça wichtig ist. Die Sinne sind geschärft.

Kathrin Hendrich

War dieser Sieg der schönste Erfolg Ihrer Karriere?
Einer der schönsten. Für mich ist es nicht so, dass ein Sieg in der Champions League wichtiger ist als im DFB-Pokal. Jeder Titel ist gleich schön und jeder Titelgewinn ist etwas Besonderes. Besonders war 2015, dass das Finale im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark ausverkauft war mit 17000 Zuschauern. Ich hatte zuvor noch nie vor so vielen Zuschauern gespielt.

Am Samstag in Eindhoven werden 35 000 Zuschauer erwartet. Das Stadion ist ausverkauft. Sieht man auch daran, welche Entwicklung der Frauenfußball genommen hat?
Ich glaube, ein größeres Stadion wäre auch voll geworden. Aber der Austragungsort wurde ja schon lange vorher festgelegt. Schade. Ich glaube, es wären noch viel mehr gekommen. Es ist ja der Wahnsinn, vor wie vielen Zuschauern wir manchmal spielen. Diese HighlightSpiele machen viel Spaß!

Sind Sie nervöser, wenn Sie in den großen Stadien spielen? Oder ist es ein Stück weit Normalität geworden?
Normalität nicht. Es ist schon etwas Besonders. Aber ich bin nicht nervöser, wenn ich vor 30000 Zuschauern spiele oder nur 3000 da sind. Ich kann das gut ausblenden

Auch 2022 beim EM-Finale in Wembley?
Da kam schon viel zusammen. Zum einen die vielen Zuschauer, zum anderen die Historie des Stadions und die Bedeutung des Spiels. Wenn ich darüber nachdenke, in welchen Stadien ich in den letzten Monaten gespielt habe, ist das schon toll: Emirates in London, Camp Nou in Barcelona, Wembley … Das kannte ich vorher alles nur aus dem Fernsehen. (lacht)

Stichwort Camp Nou: Im vergangenen Jahr hat der VfL das Champions-League-Halbfinale gegen Barcelona verloren, ging im Hinspiel mit 1:5 unter. Woran hat es damals gelegen?
Wir haben nicht so gespielt wie sonst, haben Barça viele Räume gegeben. Dann lagen wir schnell 0:3 zurück und Barça wurde immer mutiger.

Schließen Sie aus, dass Sie noch mal so untergehen?
Ja. Wir haben viel daraus gelernt und gesehen, dass es so nicht funktioniert. Unsere Sinne sind geschärft. Wir wissen, worauf es gegen Barcelona ankommt. Wir dürfen nicht jedem Ball nachgehen, sondern müssen Räume schließen und kompakt stehen. Wenn du Barcelona Platz gibst, nutzen sie den eiskalt aus. Wir werden mit allen Mitteln versuchen, dagegenzuhalten.

Einen Titel konnte der VfL in dieser Saison schon im Empfang nehmen: Den DFB-Pokal.

Einen Titel konnte der VfL in dieser Saison schon im Empfang nehmen: Den DFB-Pokal. IMAGO/Sports Press Photo

Alexandra Popp hat gesagt, es sei von Vorteil, dass es diesmal nur ein Spiel auf neutralem Platz gegen Barcelona gebe, weil Barças Spielerinnen nicht so stark seien, wenn sie nicht zu Hause spielten.
Ich weiß gar nicht, ob das wirklich einen Unterschied macht. Aber ich gebe Poppi auch recht: In einem Spiel ist alles möglich, da kannst du einen Sieg auch mal erzwingen, wenn der Gegner vielleicht nicht so einen guten Tag erwischt hat. Aber das gilt auch für Barcelona

Können Sie mit der Außenseiterrolle gut leben?
Es ist ungewohnt für uns, weil wir ja sonst immer der Favorit sind und alle erwarten, dass wir gewinnen, sogar überzeugend gewinnen. In diesem Fall ist es mal anders. Und das ist kein Nachteil für uns. Ich würde aber nicht sagen, dass wir nichts zu verlieren haben. Wie haben etwas zu verlieren: ein Finale! Aber die Erwartungshaltung von außen ist diesmal nicht so groß. Wir wollen natürlich trotzdem gewinnen und hoffen, dass wir eine gute Tagesform erwischen.

Wie müde sind Sie nach dieser langen Saison?
Insgesamt sind wir alle sehr lange unterwegs. Und ich weiß nicht, wo ich ansetzen soll. Im vergangenen Jahr sind wir Doublesieger geworden, hatten drei Tage frei und schon begann die EM-Vorbereitung. Nach dem Finale in London hatten wir eine Woche frei und dann startete die Vorbereitung auf diese Saison, die nun auch schon wieder fast vorbei ist. Wahnsinn! Wo ist die Zeit geblieben? Klar sind wir müde, aber das wird Barcelona auch sein. Das ist auch normal am Ende einer Saison. Jetzt ist es extremer. Die Gründe dafür habe ich eben aufgezählt. Wir spielen ja sehr physisch, das zehrt auch an den Kräften. Aber ich hoffe, dass wir am Samstag trotzdem eine gute Leistung bringen. Müdigkeit darf keine Ausrede sein. Vieles ist auch Kopfsache.

Nimmt es den Druck, dass Sie in diesem Jahr schon Pokalsieger geworden sind?
Ja, schon. Natürlich erwartet man Titel von uns und wir erwarten sie ja auch. Aber das ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist immer harte Arbeit, die dahintersteckt.

Wie viel Urlaub haben Sie nach dem Finale bis zum Beginn der WM-Vorbereitung? 
Das sind knapp zwei Wochen. Aber ich gehe stark davon aus, dass wir Laufpläne bekommen werden. Nur auf der faulen Haut zu liegen, geht auch nicht.

Wie sehr ist die WM schon in Ihrem Kopf?
Sie ist schon präsent, wir werden ja auch darauf angesprochen. Aber noch liegt mein Fokus auf dem VfL Wolfsburg. Nach dem Urlaub gilt dann die volle Konzentration der WM.

Wie schwierig ist es auch mental für Sie?
Es ist schon sehr herausfordernd, weil wir ja viele Highlight-Spiele haben. Es ist wenig Zeit zwischen den Partien. Man muss in kleinen Schritten und Zielen denken. Aber das kenne ich ja. Und ich fahre gut damit.

Dieses Interview erschien zuerst in der kicker-Ausgabe Nr. 44 am 30. Mai 2023.

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