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Hamann über Salzburg, Bayern, Klose, Rangnick und das "visionäre" Bundesliga-Modell

Sky-Experte Dietmar Hamann im Interview

Hamann über Salzburg, Bayern, Klose, Rangnick und das "visionäre" Bundesliga-Modell

Didi Hamann stand dem kicker Rede und Antwort.

Didi Hamann stand dem kicker Rede und Antwort. imago images/Sven Simon

Herr Hamann, wenn die Bayern auch noch Konrad Laimer verpflichten, haben sie zusammen mit Upamecano, Sabitzer und Mané vier in Salzburg ausgebildete Spieler in ihren Reihen. Macht Salzburg einen besseren Job als die Bayern?

Salzburg macht seit Jahren einen ausgezeichneten Job. Mané, Haaland, Keita und wie sie alle heißen, nehmen Spitzenpositionen im europäischen Fußball ein. Sie sind in Salzburg sehr gut ausgebildet worden. Ich glaube, es wird sehr viel Wert auf Disziplin gelegt, es gibt sehr gute Trainer und ein ideales Modell mit dem FC Liefering, wo die jungen Spieler an die erste Mannschaft herangeführt werden. In München ist es schwerer als in Salzburg. Da müssen die Amateure erst wieder in die 3. Liga aufsteigen, das ist ein großes Problem. In der Regionalliga hilft dir die Mannschaft nichts, erst in der 3. Liga kriegst du auch wieder bessere Spieler. Was stimmt, ist, dass der Campus nicht wenig Geld kostet und der Erfolg derzeit überschaubar ist. Ich glaube, die U 19 war zuletzt Achter und die U 17 auch kaum besser.

Die Salzburger haben durch den Verkauf dreier von ihnen entwickelten Spielern 75 Millionen Euro eingenommen, die Bayern mussten für vorerst 120 Millionen Euro teuer fertige Spieler einkaufen. Liegt da kein Versäumnis vor?

Salzburg hat nicht den Anspruch, um den Champions-League-Titel zu spielen. Die genannten Ex-Salzburg-Spieler hätten sich in München auch nie so entwickelt, wie sie es in Salzburg getan haben. Deshalb ist die Frage hypothetisch. Mané war in Salzburg auch noch nicht der Spieler, der er jetzt nach sechs Jahren Liverpool ist. Es ist das erste Mal seit zehn Jahren, dass ein absoluter Weltstar in die Bundesliga kommt. Und das ist Mané als Afrika-Cup-Sieger und Afrikas ehemaliger Spieler des Jahres. Wir hatten schon auch Weltklassespieler, aber die sind es erst in der Bundesliga geworden. Für die Liga finde ich es gerade nach den Abgängen von Haaland und Lewandowski wichtig, dass Mané gekommen ist.

Sie sagen, dass die Ex-Salzburger in München sich nicht so entwickelt hätten. Weil die Durchlässigkeit nicht gegeben ist?

Das System ist nicht durchlässig genug. Ich habe zuletzt kritisiert, dass die Bayern um 17 Millionen Euro Marcel Sabitzer gekauft haben, der dann die dritte, vierte oder fünfte Wahl auf seiner Position ist. Gleichzeitig haben sie aber Angelo Stiller an Hoffenheim abgegeben. Man kann natürlich vorher nicht wissen, wie er sich entwickelt, aber zumindest probieren kann man es und dem Jungen eine Chance geben. Mit mir sind aus der A-Jugend damals sechs oder sieben Spieler hochgezogen worden, die es zwar nicht alle bei den Bayern geschafft haben, aber dann Bundesliga oder 2. Liga gespielt haben. Ich kann nicht beurteilen, wie gut die derzeitigen Jahrgänge sind, aber früher war die Durchlässigkeit schon eine höhere. Wir hatten aber auch Hermann Gerland, der gut gearbeitet hat und dessen Wort auch Gewicht hatte.

Die Top-Sommertransfers der österreichischen Bundesliga

Ein gewichtiges Wort ("Merkt euch diesen Namen!") hat Gerland vor einigen Jahren auch über Thorben Rein gesprochen. Jetzt spielt er in Lustenau.

Die Spieler brauchen Vertrauen vom Trainer. Oft ist ein Schritt zurück nichts Schlimmes. Aber die Schuld ist nicht immer bei den Trainern oder beim Verein zu suchen. Es liegt schon auch in der Verantwortung der Spieler. Sie müssen den richtigen Kopf auf den Schultern haben, sonst hilft ihnen das ganze Talent nichts. Wie viele Spieler habe ich schon gesehen, die in der Jugend zu den Besten gezählt haben und dann in die Bezirksligen verschwunden sind? Das ist heute nicht anders als vor 20 oder 30 Jahren.

Das heißt, die Fritz-Walter-Medaille ist noch kein Freibrief für die Profikarriere? Auch Rapid hat mit Nicolas Kühn ja noch einen damit ausgezeichneten Ex-Bayern-Spieler.

Mit 17, 18 geht's erst richtig los. Was vorher war, ist Vorgeplänkel. Dann kommt das erste Bier, die erste Freundin. Damit muss einer erst einmal klar kommen. Dass der Weg nach Österreich kein schlechter ist, hat man ja bei Steffen Hofmann gesehen, der doch gerade bei Rapid mit einer Sonderausstellung geehrt wird. Die Jungen müssen spielen - bevor sie das in der dritten, vierten Liga in Deutschland tun, sollen sie es lieber in der ersten Liga in Österreich versuchen!

Einen Ex-Bayer haben wir noch: Ihren ehemaligen Teamkollegen Miroslav Klose als Trainer in Altach. Hat er Sie auch überrascht?

Es ist seltsam. Alle, von denen ich gedacht habe, dass sie bestimmt einmal Trainer werden, sind keine geworden. Die, von denen ich es nicht gedacht hätte, haben die Trainerlaufbahn eingeschlagen. Zu Letzteren gehört auch Miro Klose. Ich habe ihn in den letzten Monaten ein paar Mal getroffen, er lebt das Trainersein Tag und Nacht. Magnin hat in Altach schon einen sensationell guten Job gemacht, aber das traue ich Miro auch zu. Es ist mutig, aber es ist gut, dass er's macht. Denn es gibt keine Abkürzung zum Bundesliga-Trainer in Deutschland. Du musst irgendwo anfangen. Und mir gefällt, dass er nicht wie andere Trainer sagen, sie brauchen jetzt einmal zwei oder drei Transferfenster, bis sie ihre Mannschaft beisammen haben. Miro sagt, er will die Spieler besser machen, die er dort hat. Natürlich wird's auch bei ihm ohne den einen oder anderen Neuen nicht gehen. Aber Miro war immer ein Teamplayer, auch wenn er noch so viele Tore geschossen hat. Da habe ich ganz andere gesehen. Ich ziehe den Hut vor ihm.

Und trauen Sie Ralf Rangnick zu, mit Österreich bei der EURO 2024 in Deutschland für Furore zu sorgen, wie ihm das vorschwebt?

Dafür muss er sich erst einmal qualifizieren! Ich glaube, für Österreichs Nationalteam hätte mit diesen Spielern in den letzten Jahren mehr herausschauen müssen. Was ich bei der Verpflichtung von Ralf Rangnick nicht verstanden habe, ist, dass man ihm zugestanden hat, nur sieben Tage im Monat für den ÖFB da sein zu müssen und den Nebenjob bei Manchester United machen zu dürfen. Das ist jetzt zwar hinfällig, aber da macht sich Österreich zu klein. Österreich ist nicht so ein Mini-Land, dass es sich auf einen Teilzeittrainer einlassen muss. Dafür habe ich kein Verständnis und deshalb bin ich trotz des guten Starts in einer schweren Gruppe eher skeptisch.

Wenn sogar dem Jugendtrainer wichtiger ist, was die Spieler ohne Ball machen als was sie mit dem Ball machen, wirst du irgendwann die Kinder verlieren.

Didi Hamann über den "Red-Bull-Stil"

Sie haben sich vor einiger Zeit auch als Kritiker des "Red-Bull-Stils" betätigt. Was sind Ihre Kritikpunkte?

Ich habe nichts dagegen, wenn Salzburg und Leipzig so spielen wie sie spielen. Was mir nicht gefällt, ist, dass sie bei der Verpflichtung von Spielern in erster Linie darauf schauen, was die Spieler ohne Ball machen. Wenn sogar dem Jugendtrainer wichtiger ist, was die Spieler ohne Ball machen als was sie mit dem Ball machen, wirst du irgendwann die Kinder verlieren. Und auf lange Sicht wirst du nur Erfolg haben, wenn du in der Lage bist, mit dem Ball ein Spiel zu kontrollieren. Bei Jesse Marsh hat man die Probleme ja gesehen, Nagelsmann hat sich schon etwas umgestellt. Du kannst dieses System des Balljagens mit jungen Spielern schon spielen, aber wenn Spieler wie Forsberg oder auch Nkunku einmal 25 sind, kannst du denen nicht mehr sagen, sie müssen jedem Ball hinterherlaufen. Deshalb bin ich gespannt, wie es mit dem Red-Bull-Fußball weitergeht.

Dafür sind Sie ein Fan des österreichischen Bundesliga-Modells mit der Punktehalbierung?

Ja, weil es das einzige Modell ist, das auch unsere Bundesliga wieder spannend machen könnte. Wenn die Bayern noch drei Mal Meister werden, haben wir diese Diskussion auch. Vielleicht schon nach ihrem nächsten Meistertitel. Der Modus muss den Sport nicht besser machen, aber spannender. Wenn es in den letzten vier oder fünf Runden um nichts anderes mehr geht, als wer den letzten Europacup-Startplatz kriegt und sonst alles entschieden ist, ist das nicht gut. Da waren die Österreicher Visionäre. Und ich bin überzeugt, dass noch einige Länder nach Österreich schauen werden.

Eine Ungerechtigkeit, wie sie Ihrem "Sky"-Kollegen Andi Herzog durch die Punktehalbierung widerfahren ist, als er mit der Admira absteigen musste, obwohl er über die Saison gesehen mehr Punkte gesammelt hatte als Altach, fürchten Sie nicht?

Dann wäre Klose jetzt nicht Trainer in Altach. So leid es mir natürlich für den Andi tut, aber davon lebt doch der Wettbewerb. Chancengleichheit gibt es sowieso nicht. Ich finde den Modus nicht unfair. Es gibt einen Grunddurchgang und danach geht es von vorne los. Ich finde es spannend und Österreich hat's unheimlich geholfen.

Interview: Horst Hötsch