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DFB: Ilkay Gündogans schonungslose Bestandsaufnahme

Kapitän fühlt sich schuldig gegenüber Flick

Gündogans schonungslose Bestandsaufnahme

Spricht offen über die Probleme beim DFB: Ilkay Gündogan.

Spricht offen über die Probleme beim DFB: Ilkay Gündogan. IMAGO/Revierfoto

Rudi Völler saß am Montagabend neben dem 32-jährigen Mittelfeldstar des FC Barcelona auf dem Podium und legte sich ganz klar fest: "Natürlich bleibt er mein Kapitän." In dieser Funktion, verrät der Interimscoach, habe er Flick am Sonntag im Wolfsburger Mannschaftshotel Ritz Carlton "ganz wunderbar verabschiedet."

Und wie ein Kapitän sprach er auch während der Pressekonferenz. Über das, was war. Und das, was möglichst werden soll. Die Stimmung nach dem Desaster vom Samstagabend nahm Gündogan als einen "Mix aus Trauer, Frust und Enttäuschung" wahr. "Es geht dabei nicht nur um das Spiel, sondern um die Gesamtkonstellation. Ich als Spieler habe das Gefühl, Hansi im Stich gelassen zu haben. Und es geht einigen anderen ganz genauso. Wir alle haben seinen Tatendrang gespürt, konnten das aber nicht in Leistung ummünzen."

"Es geht um Basics"

Die Antworten auf die bohrenden Fragen, warum das so ist und was dieser Mannschaft fehlt, sind nach Ansicht des Kapitäns vielschichtig. Zum einen sagt er: "Wir dürfen uns nicht überschätzen, müssen selbstkritisch sein und uns hinterfragen. Jeder Einzelne muss für sich beantworten, ob er in der Vorbereitung auf Länderspiele aber auch generell die richtigen Dinge macht, um topfit in die Spiele zu gehen. Es geht um Basics."

Und es geht bei den Problemen ganz offensichtlich auch um den bedingungslosen Gruppengedanken. Dem Thema Zusammenhalt widmet sich der frühere Dortmunder vor der Partie an der ehemaligen Wirkungsstätte auffallend lange und tiefgehend. "Es geht nur als Kollektiv", leitet er ein und führt aus: "Das hat deutsche Mannschaften immer stark gemacht. Wir hatten nicht immer nur Weltklasse-Spieler, aber immer eine Weltklasse-Mannschaft. Jetzt haben wir immer noch viele Spieler auf Weltklasse-Niveau, schaffen es aber nicht, das gemeinsam auf den Platz zu bringen."

WOLFSBURG, GERMANY - SEPTEMBER 08: Hansi Flick, Head Coach of Germany and newly announced captain Ilkay gündogan talk with the media during a press conference  on September 08, 2023 in Wolfsburg, Germany. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Gündogan: "Habe das Gefühl, Hansi im Stich gelassen zu haben"

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Ist das deutsche Team keine Mannschaft und transportiert die Doku "All or nothing" die Realität über den Zustand der Gruppe vortrefflich nach außen? "Die besten Mannschaften sind die, die sich zu 100 Prozent vertrauen", sagt Gündogan und findet: "Die Grundstimmung bei uns ist immer positiv, aber das könnten wir noch besser machen, wir können eine noch bessere Einheit sein."

Als Beispiel nennt er seine Zeit bei Manchester City: "Ich habe letztes Jahr auch viele Fehler gemacht auf dem Platz, aber alle haben alles dafür getan, diese wettzumachen. Wir haben zuletzt in der Nationalmannschaft auch viele Fehler gemacht, und es geht darum, diese nicht einfach hinzunehmen, sondern sich dagegenzustemmen. Zwischenmenschliche Probleme gibt es überhaupt nicht, ich würde von Barrieren sprechen und von der Scheu Einzelner, sich innerhalb der Gruppe so auszuleben wie in ihrem Verein."

Es ist eine bemerkenswert ehrliche und schonungslose Bestandsaufnahme des Kapitäns. Und eine, die deutlich macht, dass die Probleme dieser Mannschaft mit dem Trainerwechsel allein nicht gelöst sind.

Sebastian Wolff

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