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Marco Grüll im Interview: "Ich kann mir vorstellen, noch länger bei Rapid zu bleiben"

Bester Rapidler in der kicker-Wertung

Grüll im Interview: "Ich kann mir vorstellen, noch länger bei Rapid zu bleiben"

Marco Grüll zeigte im Rapid-Trikot bislang starke Leistungen.

Marco Grüll zeigte im Rapid-Trikot bislang starke Leistungen. GEPA Pictures

Herr Grüll, Ihr Trainer Ferdinand Feldhofer sprach vor dem Spiel gegen Aufsteiger Austria Klagenfurt über "das größtmögliche Endspiel". Ist das Ihrer Meinung nach für den Anspruch Rapids genug?

Natürlich hätten wir uns gewünscht, nicht so ein Endspiel zu haben und die Qualifikation für die Meistergruppe früher zu schaffen. Im Fußball läuft es aber nicht immer nach Plan. Es gibt auch ab und zu schlechtere Phasen. Wichtig war, dass wir am letzten Spieltag des Grunddurchgangs noch das Endspiel gegen Klagenfurt hatten. Das hätte auch anders aussehen können. Wir haben es zum Glück noch aus eigener Kraft schaffen können. Das war das Wichtigste! Jetzt ist wieder alles offen. Salzburg ist natürlich schon weit vorne, daher wird es sehr schwer, heuer den Meistertitel zu holen. Von Platz zwei bis sechs ist es aber sehr eng. Da kann noch sehr viel passieren. Wir sind drei Punkte hinter dem Zweiten (Sturm Graz, Anm.). Vor drei Runden haben viele noch gesagt, dass es für Rapid mit der Meistergruppe eng werden wird. Jetzt sind wir dabei und es sieht alles nicht so schlecht aus. Im Endeffekt können wir in den zehn Spielen sicher auch noch Platz zwei erreichen.

Wie groß war die Erleichterung bei Ihnen nach dem 3:0-Erfolg über Klagenfurt?

Natürlich sehr groß. Wir haben uns vorgenommen, dass wir das Spiel gewinnen und haben das im Endeffekt sehr souverän erledigt. Natürlich ist es für uns als Mannschaft sehr wichtig, in der Meistergruppe zu spielen.

Wie schwierig war es, angesichts der großen Erwartungshaltung mit dem Druck umzugehen?

Wir waren vor dem Spiel schon unter Druck. Daran waren wir aber selbst schuld, weil wir zuvor in der Saison nicht konstant genug waren. Wir haben gewusst, dass wir die letzten zwei Spiele gegen die WSG Tirol und Austria Klagenfurt gewinnen müssen. Man hat in diesen beiden Partien gesehen, dass wir sehr gut mit dem Druck umgegangen sind. Aber natürlich wäre es mit mehr Siegen im Herbst entspannter und einfacher gewesen.

Ich habe einige Personen in meinem Umfeld, mit denen ich viel über Fußball spreche und benötige daher keinen Sportpsychologen.

Marco Grüll über externe Unterstützung.

Gegen Austria Klagenfurt waren mehr als 20.000 Zuschauer im Stadion. Welche Rolle haben die Fans in dieser Partie für Sie gespielt?

Mich pushen die Fans immer sehr. Sie haben uns als Mannschaft gar nicht gehemmt, ganz im Gegenteil. Man hat gesehen, dass wir extrem giftig waren. Das hat natürlich auch mit den Fans zu tun. Wenn der Spielverlauf dann auch noch passt, sind die Fans für eine Heimmannschaft immer sehr hilfreich.

Als Rapid-Spieler steht man immer unter besonderer Beobachtung. Wie stimmen Sie sich in mentaler Hinsicht grundsätzlich auf Matches ein?

Ich mache mir nicht viele Gedanken darüber, was auf dem Feld auf mich wartet. Ich will einfach meine bestmögliche Leistung abrufen. Es ist zwar jedes Spiel etwas anders, im Grunde genommen versuche ich aber, auf meine Stärken zu vertrauen und diese so gut wie möglich auf den Platz zu bringen. Mit Selbstvertrauen funktioniert das natürlich noch ein bisschen besser.

Nehmen Sie ab und zu auch Hilfe von außen an?

Ich persönliche nehme keine Hilfe von außen an. Ich habe einige Personen in meinem Umfeld, mit denen ich viel über Fußball spreche und benötige daher keinen Sportpsychologen. Ich finde es nicht schlecht, dass es dieses Angebot gibt. Persönlich brauche ich das allerdings nicht.

Zurück zum Sportlichen: In der kicker-Wertung liegen Sie mit einem Notenschnitt von 2,88 saisonübergreifend auf dem 14. Platz. Sie sind damit der beste Spieler Ihres Teams. Was bedeutet Ihnen individuellen Statistiken in einer Mannschaftssportart?

Im Endeffekt zählen nur die Ergebnisse als Mannschaft. Diese resultieren aber aus individuellen Leistungen. Mit einem Tor oder einem Assist hilft man seinem Team immer weiter. Das stärkt auch das Selbstvertrauen, woraus dann wieder Siege entstehen können.

Die kicker-Elf des 22. Spieltags

Obwohl Sie erst im vergangenen Sommer nach Hütteldorf wechselten, wurden Sie 2021 zum Rapidler des Jahres gewählt. Wie konnten Sie sich so schnell in Wien etablieren?

Die Mannschaft hat mich sehr gut aufgenommen. Ich habe mich hier sehr schnell eingefunden. Dennoch war es nicht selbstverständlich, dass es von Anfang an so gut gelaufen ist. Ich gebe immer Gas und hatte auch das Glück, dass ich gleich viele Spiele absolvieren durfte. Das habe ich am Anfang gut genutzt. Mir ist es dann auch gelungen, diese Leistungen mit Fortdauer der Saison zu bestätigen.

Im Gegensatz zu Rapid verpasste Ihr Ex-Verein Ried die Meistergruppe. Ein kleiner Wermutstropfen?

In erster Linie habe ich mich auf unser Spiel konzentriert. Ich habe aber noch einige Freunde in Ried und hätte ihnen daher ebenfalls den Sprung in die Meistergruppe gewünscht. Sie spielen eine sehr gute Saison und stehen nicht umsonst im Cupfinale. Es ist sicher sehr bitter, weil sie in Klagenfurt (beim 1:1-Unentschieden, Anm.) eine kleine Vorentscheidung verpasst haben. Sie werden in der Qualifikationsgruppe aber sicher eine gute Rolle spielen.

Sowohl Rapid als auch Ried kämpften am letzten Spieltag noch um den Einzug in die Meistergruppe. Gab es bei Ihnen im Saisonverlauf jemals Bedenken, mit dem Wechsel nicht zwingend einen Schritt nach vorne gemacht zu haben?

Nein. Der Schritt zu Rapid war definitiv der richtige. In sportlicher Hinsicht ist Rapid sicher um einiges größer als Ried. Ich habe hier auch international gespielt. Ich bereue es keineswegs, Ried verlassen zu haben. Das war für mich auf jeden Fall ein Schritt nach vorne. Rapid ist in Österreich sicher der größte Verein.

Man darf sich nicht gleich Wunderdinge von ihm erwarten.

Marco Grüll über Yusuf Demir.

Seit dem Winter spielen Sie mit Yusuf Demir zusammen. Bislang lief es für ihn seit seiner Rückkehr vom FC Barcelona noch nicht so rund. Worauf führen Sie das zurück?

Wir müssen nicht darüber reden, dass er ein großartiger Spieler ist. Er hat immer wieder ein paar gute Momente, aber die Umstellung war für ihn sicherlich nicht einfach. Barcelona hat nur den Ball und in Österreich sind die Spiele nun einmal kampfbetonter. Dennoch: Er ist ein junger Spieler und kann sich daher auch körperlich noch weiterentwickeln. Ich mache mir keine Sorgen um ihn. Er ist einfach noch sehr jung und will manchmal vielleicht etwas zu viel. Wir helfen ihm aber und sagen ihm auch, dass er nicht in jedem Spiel alles zerreißen muss. Man darf sich nicht gleich Wunderdinge von ihm erwarten. Er soll seine Freude am Fußballspielen beibehalten, dann kann er uns sicher enorm weiterhelfen.

Gemeinsam mit ihm könnten Sie auch dem österreichischen Nationalteam gegen Wales und danach gegen die Ukraine oder Schottland helfen. Welche Rolle spielen die WM-Play-offs bereits in Ihrem Kopf?

Aktuell noch keine. Ich konzentriere mich auf Rapid, will aber in den WM-Play-offs gerne dabei sein. Bis dorthin will ich hier gute Leistungen bringen.

Zum Ende des Interviews möchte ich noch über Ihre persönliche Zukunft sprechen: Gemäß eines Kurier-Berichts vom 24. Februar ist Sportdirektor Zoran Barisic bereits mit der Suche nach Ihrem Nachfolger beschäftigt. Wie stehen die Chancen, dass Sie Rapid über den Sommer hinaus erhalten bleiben?

Ich bin Spieler von Rapid und habe hier einen Vertrag bis 2024. Ich weiß noch nicht, was im Sommer passieren wird. Aktuell beschäftige ich mich noch überhaupt nicht mit einem Wechsel. Wenn etwas Interessantes kommen sollte, werde ich mir das in Ruhe anschauen. Ich kann mir aber vorstellen, noch länger bei Rapid zu bleiben.

Wohin soll die Reise in Ihrer Karriere für Sie generell noch gehen?

Ich mag es nicht, allzu weit in die Zukunft zu blicken. Wenn ich gut spiele, werden sich gewisse Dinge ohnehin von alleine ergeben.

Interview: Nikolaus Fink