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Fuhrmann stellt die Qualität des eigenen Kaders in Frage

Österreichs Trainerin hat zwei positive Erkenntnisse

Fuhrmann stellt die Qualität des eigenen Kaders in Frage

Trainerin eines Teams, das besser verteidigt als angreift: Irene Fuhrmann.

Trainerin eines Teams, das besser verteidigt als angreift: Irene Fuhrmann. IMAGO/Eibner

Aus Manchester berichtet Paul Bartmuß

Die schönste Szene aus österreichischer Sicht ereignete sich schon vor Beginn des Spiels. Als sich die ÖFB-Spielerinnen und ihre englischen Kontrahentinnen für die Hymnen aufstellten, waren Maria Plattner und Lisa Kolb mit dabei - obwohl sie ja nicht mit dabei waren.

Ihre Teamkolleginnen im Old Trafford hielten die Trikots mit den Nummern 5 und 13 bestens sichtbar in die Höhe und bewiesen damit den Teamgeist, den sie vor dem Turnier in jedem Interview betont hatten. Nur weil Plattner (Schlüsselbeinbruch) und Kolb (positiver Coronatest) nicht mehr im Aufgebot standen, waren sie also nicht raus aus dem Team.

Viel mehr positive Momente hielten die folgenden 90 Minuten für die Akteure von Trainerin Irene Fuhrmann allerdings nicht bereit. Zwar schafften sie es, die Passwege durchs Zentrum zuzustellen und die starken englischen Offensivkräfte zumeist in Schach zu halten - der Rückstand in der 16. Minute durch Beth Mead aber raubte früh die Hoffnungen auf eine Überraschung.

Im Angreifen ist Österreich längst noch nicht "sehr, sehr gut"

Fuhrmann bezeichnete sich selbst zwar als "sehr stolz auf die gezeigte Leistung", stellte aber auch treffend fest: "England hat dieses Spiel über viele Phasen dominiert."

Was Laura Wienroither vor dem Turnier angekündigt hatte, - nämlich, dass man "sehr, sehr gut im Verteidigen" sei -, bewahrheitete sich größtenteils. Was die Abwehrspielerin aber verständlicherweise nicht dazu gesagt hatte: Im Angreifen ist Österreich längst noch nicht sehr, sehr gut.

"Wir sind zu selten ins Angriffsdrittel gekommen", analysierte Fuhrmann. "In der ersten Halbzeit haben wir zu wenig den Raum hinter der Kette (Englands defensive Viererkette, Anm. d. Red.) attackiert. Da fehlten uns einfach die Geschwindigkeit und die Offensivspielerinnen für gewisse Räume."

Fakt ist, dass wir im Vergleich zu den Top-Nationen viel, viel weniger Fußballerinnen haben.

Irene Fuhrmann

Die 41-Jährige bewertet die Qualität des eigenen Kaders also offenbar kritisch - und legte auch gleich die Erklärung nach: "Fakt ist, dass wir im Vergleich zu den Top-Nationen viel, viel weniger Fußballerinnen haben. Wir geben alles mit dem, was wir haben. Aber am Ende fehlt da der letzte Punch." Das klang ernüchtert.

Frauen EM, 1. Spieltag

Tatsächlich war die in der deutschen Bundesliga so torgefährliche Nicole Billa kaum ins Spiel eingebunden, obwohl sich Laura Feiersinger und Sarah Zadrazil sichtlich bemühten. Für Feiersinger, die mit einer Verletzung an der Schulter ausgewechselt worden war, gab Fuhrmann schnell Entwarnung: Es sei "kein Problem".

Jobsharing mit Schnaderbeck

Anders gestaltet sich die Lage bei der Kapitänin. Viktoria Schnaderbeck, die seit Langem mit Knieproblemen hantiert, ließ sich ebenfalls vorzeitig vom Feld nehmen. "Wir haben vereinbart, dass sie ein Zeichen gibt, wenn sie spürt, dass es zum Problem werden könnte", sagte Fuhrmann auf kicker-Nachfrage. "Wir wissen, dass wir bei ihr sehr gut mit Be- und Entlastung arbeiten müssen. Wünschenswert wäre es natürlich, dass sie über 90 Minuten spielen kann."

Das Jobsharing-Modell (in diesem Fall mit Marina Georgieva) auf der Innenverteidigerposition könnte also auch in den kommenden Spielen praktiziert werden. Während der ersten Hälfte hatte sich Schnaderbeck einige packende Duelle mit Mittelstürmerin Ellen White geliefert - und diese meistens gewonnen.

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Gleiches Ergebnis, andere Werte

Zwei positive Erkenntnisse gab es dann doch noch. Die ÖFB-Trainerin lobte das "sehr faire Publikum" und sprach von einer "einzigartigen Kulisse". Sie wünsche sich öfter solche Bühnen.

Und: Das Spiel sei "bei weitem nicht so eindeutig" gewesen wie im vergangenen November. Damals, in der WM-Qualifikation, hatte man trotz des genauso knappen Resultats nur 28 Prozent Ballbesitz und 4:22 Torschüsse notiert. Diesmal lagen die Werte bei 41 Prozent und 8:16. So konnte Fuhrmann also doch eine Spur Optimismus mit in die Nacht nehmen.