Champions League

Fünf Anekdoten zum Finale dahoam zwischen Bayern und Chelsea

Trashtalk, Poolparty und Rummenigges T-Shirt

Fünf Anekdoten zum Finale dahoam: "Das war unter der Gürtellinie"

Bayern gegen Chelsea - ein Spiel, das sich selbst FCB-Verantwortliche heute noch regelmäßig anschauen.

Bayern gegen Chelsea - ein Spiel, das sich selbst FCB-Verantwortliche heute noch regelmäßig anschauen. picture alliance/Getty Images

Am 19. Mai 2012 verliert der FC Bayern das Champions-League-Finale 2012 gegen Chelsea mit 3:4 im Elfmeterschießen. Doch so nüchtern hat noch nie jemand betrachtet, was sich damals in München ereignete. Fünf Anekdoten zum tragischen, fiesen, einzigartigen "Finale dahoam".

Die Ecke oder: Bayerns ziemlich wertloses 20:1

Philipp Lahm übersprungen: Didier Drogba nach seinem plötzlichen Ausgleichstor.

Philipp Lahm übersprungen: Didier Drogba nach seinem plötzlichen Ausgleichstor. Getty Images

Thomas Müller, der die hochüberlegenen Bayern erst Minuten vorher in Führung geköpft hatte, ist gerade ausgewechselt worden, da rollt der Ball nach einem Zweikampf zwischen Diego Contento und dem eingewechselten Fernando Torres Richtung Torauslinie. Jerome Boateng kann die Ecke per Grätsche nicht mehr verhindern, es ist Chelseas erste im Spiel. Nach 120 Minuten wird das Eckenverhältnis 20:1 für Bayern lauten.

"And now goal", ruft David Luiz Bastian Schweinsteiger zu, als sich Juan Mata für die Hereingabe bereit macht. Er schlägt eine Ecke, die so perfekt ist, dass man eigentlich "ungefähr 50 Versuche" dafür brauche, erinnerte sich Philipp Lahm gerade im "Guardian". Über den kleinen Kapitän fliegt der Ball hinweg, Didier Drogba, von Frank Lampard freigeblockt, köpft unhaltbar ein. Und David Luiz läuft wieder an Schweinsteiger vorbei und sagte grinsend: "Sorry."

Der Elfmeter oder: "Du wirst verschießen. Du wirst definitiv verschießen"

"Wow, richtig geraten": Petr Cech lässt Arjen Robbens Elfmeter nicht über die Torlinie.

"Wow, richtig geraten": Petr Cech lässt Arjen Robbens Elfmeter nicht über die Torlinie. picture alliance

John Obi Mikel gehört nicht zu den Auffälligsten in diesem Spiel, vom kicker erhält er später die Note 4. Doch wäre er heute Champions-League-Sieger, wenn er in der 93. Minute von München nicht sofort reagiert hätte? Drogba hatte Franck Ribery plump gefoult - Elfmeter für Bayern. "Ich bin direkt zu Arjen Robben gelaufen", erzählt Mikel später, "und habe gesagt: 'Ich sag's dir, du wirst verschießen. Du wirst definitiv verschießen.'" Robben habe ihn nicht beachtet - und dann verschossen. "Wow", denkt Mikel, damals gerade 25 geworden, "ich habe richtig geraten."

Spätestens jetzt ist allen Chelsea-Profis klar: Irgendwer will nicht, dass die Bayern dieses Finale gewinnen. Lahm ärgert sich noch heute über Mikels Trashtalk: "'And now goal', das ist etwas Positives. Aber 'Du wirst verschießen' ist unter der Gürtellinie", findet er auch mit dem Abstand von acht Jahren. "Es widerspricht dem Fairplay."

Das Elfmeterschießen oder: Cechs lohnenswerter Acht-Stunden-Marathon

Gleich ist Bastian Schweinsteiger "wie paralysiert": Petr Cech pariert zum dritten Mal an diesem Abend einen Elfmeter.

Gleich ist Bastian Schweinsteiger "wie paralysiert": Petr Cech pariert zum dritten Mal an diesem Abend einen Elfmeter. Getty Images

Petr Cech weiß heute noch ganz gut, was er am Vorabend seines 30. Geburtstag gemacht hat - Chelsea zum Champions-League-Sieger nämlich. Nach Robbens Elfmeter in der Verlängerung pariert er beim finalen Showdown auch gegen Ivica Olic und Bastian Schweinsteiger, der danach derart "verzweifelt, enttäuscht, wie paralysiert" ist, dass er bei der Medaillenvergabe an der ausgestreckten Hand von Bundespräsident Joachim Gauck vorbeiläuft. Die Bayern hatten zwischenzeitlich 3:1 geführt.

Obwohl Toni Kroos und Anatoliy Tymoshchuk aus elf Metern nicht antreten wollten, David Alaba gesperrt fehlte, und Müller, eigentlich sicherer Schütze, nicht mehr auf dem Platz war (einer von nur vier Wechseln in diesem Finale), wusste Cech genau, was zu tun ist, seine Mühen hatten sich gelohnt. Wie alle anderen Chelsea-Torhüter hatte er sich im Vorfeld ein Video angesehen, das alle Elfmeter aller Bayern-Profis seit 2007 beinhaltete und 2:43 Stunden dauerte. Und "ich habe es dreimal angeschaut", verrät Cech, als er die 30 längst überschritten hat.

Die Chelsea-Party oder: John Terry auf der Berliner Mauer

Als wäre er dabei gewesen: John Terry genießt nach dem Schlusspfiff den Moment mit Frank Lampard - im Trikot natürlich.

Als wäre er dabei gewesen: John Terry genießt nach dem Schlusspfiff den Moment mit Frank Lampard - im Trikot natürlich. Getty Images

Für diesen Aufzug wird sich John Terry noch Jahre später regelmäßig verteidigen müssen: Er, der rotgesperrte Kapitän, nimmt mit Trikot, Stutzen, Schienbeinschonern, ja sogar Stutzen-Tape die Champions-League-Trophäe entgegen, tanzt hemmungslos mit den Kollegen auf dem Münchner Rasen. Es dauert nicht lange, bis ihn Twitter-Nutzer in Bilder vom Mauerfall oder der Mondlandung schneiden, in voller Montur versteht sich.

Doch die Party soll noch ein wenig wilder werden. "Einige Spieler haben in ihren Anzügen auf der Dachterrasse geschlafen", erinnert sich Mikel an die stundenlangen Feierlichkeiten im Hotel, an denen auch Besitzer Roman Abramovich teilnimmt. Immer mehr Leute landen im Pool. Abramovich auch? "Keine Chance", sagt Mikel. "Wer würde sich das trauen?"

Rummenigges T-Shirt oder: Daheim ist dahoam

Da trug er Anzug und Krawatte: Karl-Heinz Rummenigge bei seiner Bankettansprache nach dem "Finale dahoam".

Da trug er Anzug und Krawatte: Karl-Heinz Rummenigge bei seiner Bankettansprache nach dem "Finale dahoam". Getty Images

Es ist das vielleicht kurioseste Geständnis, das von diesem Abend überliefert ist. "Jedes Jahr im Sommer", erzählt Karl-Heinz Rummenigge einige Jahre später, "schaue ich mir in meinem Ferienhaus die Niederlage des FC Bayern im 'Finale dahoam' an." Er entdecke immer wieder neue Details. Das soll erden, ihm helfen, "die Bodenhaftung zu behalten".

Rummenigge treibt das masochistische Spiel sogar noch weiter. "Das T-Shirt, das ich daheim (dahoam, d. Red.) am liebsten trage, ist das vom Finale dahoam." Inzwischen weiß er ja längst, was diesem Finale alles entsprang: bestimmt das Triple nur ein Jahr später und mindestens ein bisschen auch der WM-Titel 2014, als Schweinsteiger blutend und mit Freudentränen ... aber das ist eine andere Geschichte.

Jörn Petersen

"Finale dahoam" 2012: Das machen die Protagonisten heute