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Florentino Perez: Galaktischer ohne Gefühl für die Basis

Wieso der Real-Boss an der Super League scheiterte

Florentino Perez: Galaktischer ohne Gefühl für die Basis

König bei den Königlichen: Doch das "Volk" versteht Florentino Perez nicht.

König bei den Königlichen: Doch das "Volk" versteht Florentino Perez nicht. imago images

Der Aufstieg des aus bescheidenen Verhältnissen stammenden Florentino Perez begann mit einer Pesete. Für diesen symbolischen Preis kaufte er in den Achtziger Jahren ein Bauunternehmen auf, mit dem sein steiler Aufstieg begann. Seit 1997 führt er den Baukonzern ACS an - und der gewiefte Unternehmer wurde steinreich. Laut Forbes-Liste ist der 74-Jährige mit einem Vermögen von 2,1 Milliarden Euro der neuntreichste Spanier.

Auch als Fußball-Funktionär sollte der gebürtige Madrilene schnell von sich Reden machen. Einen ersten Anlauf als Real-Präsident nahm er schon 1995, doch er verlor die Wahl denkbar knapp. Perez wäre nicht Perez, hätte er einfach aufgegeben. Im Jahr 2000 stach er den favorisierten Lorenzo Sanz aus, die Königlichen waren schon damals in finanzielle Schieflage geraten. 2005 wurde er mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt, in der Zwischenzeit gelang es ihm, den Klub zu sanieren. Unter anderem verkaufte er das alte Trainingsgelände für 487 Millionen Euro, im Gegenzug ließ er mit der "Ciudad Deportiva" ein hochmodernes Trainingszentrum erbauen und renovierte das Santiago Bernabeu.

Der Vater der Galaktischen

Doch Perez verbindet man nicht mit Umbaumaßnahmen, sondern mit - vor allem zu dieser Zeit - astronomischen Spieler-Investitionen. Im Sommer 2000 kam Luis Figo vom FC Barcelona (60 Millionen Euro, damals Rekordablöse), 2001 Zinedine Zidane von Juventus Turin (73 Millionen, wieder Rekordablöse), 2002 Ronaldo von Inter Mailand (45 Millionen), 2003 David Beckham von Manchester United (37,5 Millionen) und 2004 Michael Owen vom FC Liverpool (12 Millionen plus Antonio Nunez). Sein Versprechen nach seinem Amtsantritt - eine neue Saison, ein neuer Superstar - hielt er also. Die "Galacticos" waren erschaffen.

Es rentierte sich. Wie kaum ein anderer erkannte der dreifache Familienvater, in welche Richtung sich der Fußball entwickeln würde, welche enormen Vermarktungserlöse sich mit den großen Namen erzielen ließen. In Asien verkauften sich die Ronaldo- und Beckham-Trikots in Massen, Sponsoren rannten den Königlichen die Bude ein. Real wurde zum wertvollsten Fußballklub der Welt.

Auf Reals Absturz folgt Perez' Abdankung

Und sportlich? Zunächst ging auch hier der Plan auf: Real wurde 2001 und 2003 spanischer Meister, gewann 2002 im Finale gegen Bayer Leverkusen die Champions League. Doch dann kam der Einbruch: Stars kommen nun einmal hauptsächlich aus dem Offensivbereich, die Abwehr blieb auf der Strecke. Häufige Trainerwechsel und unsinnige Transfers taten ihr Übriges dazu. Nach drei titellosen Jahren trat Perez 2006 vom Präsidentenamt zurück.

Schon 2009 war Perez aber wieder da, nachdem Ramon Calderon zurückgetreten war. Und warum nicht nochmal das Gleiche machen, wenn es doch zunächst so wunderbar funktioniert hatte? Unter ihm kam 2009/10 Cristiano Ronaldo von Manchester United (94 Millionen, Rekordablöse), zudem holte Perez Kaka von Milan (65 Millionen), Karim Benzema von Olympique Lyon (35 Millionen) und Xabi Alonso vom FC Liverpool (35 Millionen). Real gewann zwischen 2014 und 2018 allein viermal die Champions League.

In Madrid war man so weit eigentlich zufrieden, kürzlich wurde Perez für eine sechste Amtszeit wiedergewählt. Doch die Corona-Pandemie setzt Real schwer zu, auch weil Perez das Bernabeu für satte 800 Millionen Euro inklusive Zinsen umbauen lässt. Vorbei war es mit Transfers der Superlative. Real muss sparen.

Doch das ist nicht Perez' Ding. So ließ er sich nur allzu gerne vor den Karren einer Super League spannen, "einer Liga, um den Fußball zu retten", wie er bei "El Chiringuito" sagte. Wie wichtig ihm dieser Propaganda-Feldzug war, zeigt allein die Tatsache, dass er erstmals nach acht Jahren wieder in einem TV-Studio auftauchte. "Das Geld geht an alle, es ist eine Pyramide. Wenn die oben Geld haben, rieselt es runter", sagte er. Derartige Heucheleien wurden schnell entlarvt. Als er sagte, der Fußball befinde sich "im freien Fall" und am "Rande des Ruins", meinte er wohl weniger den Fußball an sich. Sondern Real Madrid.

Noch am Dienstag machte sich Perez keine Sorgen

Inzwischen ist ohnehin so gut wie sicher, dass nichts mehr rieselt, weil die überstürzt ins Leben gerufene Super League in Schutt und Asche zerfallen ist. Perez hatte noch am Dienstag bei "L'Equipe" erklärt, er mache sich gar keine Sorgen, dass Teams zurückziehen würden, "niemand steht unter Druck". Er rechne vielmehr noch mit Zusagen von Bayern München und Paris St. Germain. Eine grandiose Fehleinschätzung, nur wenige Stunden später verabschiedete sich mit Manchester City der erste Klub vom Projekt, inzwischen sind nur noch zwei der "Gründungsmitglieder" übrig: der FC Barcelona und Real Madrid.

Der Imageverlust für Real dürfte beträchtlich sein - dennoch hat Perez auch Erfolge erzielt. In Spanien hat er durchaus einen Meinungsumschwung erreicht, der Gegenwind bezüglich einer Super League ist beileibe nicht so stark wie hierzulande oder in England. Dass es in der Königsklasse "zu viele Spiele auf schlechtem Niveau" gebe, diese Meinung teilen viele. Genauso die Kritik an der Monopolstellung der UEFA - Perez prangerte sie in aller Deutlichkeit an.

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Perez' Methoden sind aber schlichtweg zu rabiat - und gehen völlig an der Basis vorbei. Das zeigte die Super League, das zeigt sein Vorschlag zu einer Verkürzung der Spielzeit, um Fußball für die Jugend wieder attraktiver zu gestalten. Wenn Jugendliche zwischen 16 und 24 Jahren vor lauter Aufs-Handy-Gestarre nicht mehr die nötige Aufmerksamkeitsspanne mitbringen, um sich 90 Minuten Fußball anzusehen, dann muss nach Perez-Logik eben einfach mehr Spektakel her, die volle Unterhaltungsdröhnung. Für Perez sind das keine Fans, sondern eine Zielgruppe. Die muss befriedigt werden, dann rollt auch der Rubel wieder. Und das ist ja das Wichtigste.

Doch gerade die traditionelle Fanbasis hat diese endlos perverse Geldmaschinerie mit bis zu dreistelligen Millionenablösen, astronomischen Gehältern, windigen Investoren und perfiden Marketingstrategien schon lange gründlich satt. Für sie soll der Sport wieder im Vordergrund stehen, nicht der Kommerz. Sie wollen einen fairen Wettbewerb mit Chancengleichheit, keine Setzliste. Die Super League symbolisierte für die Fans all das, was im Fußball schief läuft, sie brachte das Fass endgültig zum Überlaufen.

Ein Florentino Perez wird aber nie verstehen, warum.

Christoph Laskowski