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Nationalelf: Hansi Flick und die Frage der Erwartungshaltung

Neuer kehrt gegen Armenien zurück, Gosens fällt aus, Havertz wackelt

Flick und die Frage der Erwartungshaltung

Will seinen zweiten Sieg als Bundestrainer: Hansi Flick.

Will seinen zweiten Sieg als Bundestrainer: Hansi Flick. imago images/Sportfoto Rudel

Aus Stuttgart berichten Sebastian Wolff und Matthias Dersch

Gleich zu Beginn der Pressekonferenz vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Armenien (Sonntag) hat Hansi Flick etwas klarzustellen. "Wir Trainer", sagt der neue Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft, "wir Trainer sind natürlich auch nicht blind. Und wir sind auch nicht dazu da, die Dinge schön zu reden. Wir können, was die Torausbeute gegen Liechtenstein betrifft, bei einem Ergebnis von 2:0 nicht zufrieden sein." Dann folgt ein großes Aber: "Zu Beginn eines Weges, den man als Trainer mit einer Mannschaft geht, sind andere Dinge entscheidend." Der 56-Jährige nennt die Stichworte Einsatzbereitschaft und Einsatzwillen. Und was das betrifft, sagt er, sei seiner Mannschaft kein Vorwurf zu machen. "Das war für mich wichtig."

Der Grund für diese Klarstellung liegt auf der Hand: Auch Flick hatte die kritischen Berichte nach dem doch recht dünnen Sieg gegen Liechtenstein in St. Gallen gelesen. Von "Abbruch statt Aufbruch" war da die Rede, oder davon, dass man bei Flicks Premiere noch viel Altbekanntes aus der Ära seines Vorgängers Jogi Löw gesehen hätte - und das war ausdrücklich nicht als Kompliment gemeint. Nach den selbstbewussten und von Optimismus geprägten Worten der Nationalspieler in den ersten Tagen dieses Lehrgangs war gegen den krassen Außenseiter ein hoher Sieg erwartet worden. Erfüllt wurde diese Erwartungshaltung jedoch nicht. Die deutsche Elf tat sich schwer.

Auch der neue Bundestrainer hätte sich ein paar Tore mehr gewünscht, das hatte er nicht erst am Samstag betont, sondern auch direkt nach dem Spiel. Doch er wollte - anders als die Öffentlichkeit - auch nicht zu hart mit seiner neuen Mannschaft ins Gericht gehen. Und daran knüpfte er auch vor dem zweiten Spiel gegen Armenien an: "Wir haben eine sehr gute Qualität in der Mannschaft. Ich vertraue ihr. Wir haben ein sehr gutes Miteinander", sagte er, "aber wir müssen uns einspielen." Man sehe auch bei Bundesliga-Mannschaften, dass sie sich unter einem neuen Trainer erst finden müssten. "Auch wir benötigen Zeit, um die neue Spielidee und die neue Philosophie zu implementieren."

Großflächige Änderungen sind daher nicht zu erwarten, wenn am Sonntagabend die Aufstellungen bekanntgegeben werden. Einige allerdings schon: So wird Manuel Neuer, der gegen Liechtenstein aufgrund von Sprunggelenksproblemen geschont wurde, zurück ins Tor gehen. Kai Havertz (grippaler Infekt) ist angeschlagen, sein Einsatz ist noch offen. Robin Gosens dagegen wird sicher ausfallen - auch wenn er nicht so schwer verletzt ist, wie es Flick zunächst befürchtet hatte. Als Linksverteidiger könnte daher Hoffenheims David Raum sein Debüt feiern, der der einzige verbliebene Spieler für diese Position im Kader ist. "Wir haben", sagte Flick, "aber auch noch ein paar andere Optionen."

Havertz-Einsatz auf der Kippe - Gosens fällt sicher aus

Unabhängig vom Personal wünscht sich der Bundestrainer gegen den bisherigen Tabellenführer Armenien "guten Fußball" und "dass wir an ihnen vorbeiziehen". Dazu benötigt die DFB-Elf einen Heimsieg in Stuttgarter Stadion, das von 18.000 Zuschauern besucht sein wird. "Sie müssen sehen", forderte Flick von seinen Spielern, "dass da eine Mannschaft auf dem Rasen steht, die alles dafür gibt, erfolgreich zu spielen." Wie das bereits gegen Liechtenstein der Fall gewesen sei.

Erneut erwartet Flick einen eher defensiv eingestellten Gegner - allerdings einen mit deutlich höherer individueller Qualität und einem mutigeren Pressingansatz. "Sie pressen, sie laufen an und sie haben vorne schnelle Umschaltspieler, so dass sie nach Ballgewinnen direkt offensiv spielen und ihre Offensivleute gut in Szene setzen können. Wir müssen deshalb bei Ballverlust eine gute Restverteidigung haben", sagte Flick, der insbesondere vor dem Ex-Dortmunder Henrikh Mkhitaryan und dem Hoffenheimer Sargis Adamyan warnte: "Wir wissen alle, wie schnell und technisch gut sie sind."

An der externen wie internen Erwartungshaltung an die DFB-Elf ändert das freilich nichts. Siege gegen Armenien und am Mittwoch in Island sind fest eingeplant. "Wir haben zwei Spiele vor der Brust, die eine hohe Bedeutung haben", sagte Flick. "Wir wollen am Ende der Woche neun Punkte mehr auf dem Konto haben als zu Beginn, das ist unser Ziel." Gelingt dieses Vorhaben, dürfte es für Flick anschließend auch nur wenig klarzustellen geben.

Zwei Fünfer: Die kicker-Noten zum Flick-Debüt